Routine und Improvisation in einem Stück
Auf das Wesentliche ausgerichtet bleiben, die notwendige Schrittfolge einhalten und trotzdem spontan auf das Unvorhergesehene reagieren, Spannungen zulassen – alles, was zu einem guten Tango gehört.
Jeder, der tanzt, kommt um die Erfahrung einer guten oder schlechten Führung nicht herum. Und oft geht es um die Frage oder vielmehr um den Konflikt, wer denn nun wen führt.
In Unternehmen verhält es sich recht ähnlich. Weder dort noch beim Tango Argentino erreicht man koordiniertes Handeln, engagierte Bewegung über Appelle und Anweisungen. Zielführender ist es, sich klar auszurichten, Erwartungen deutlich zu signalisieren, Resonanzen aufzunehmen und für den nächsten Schritt zu nutzen und, wenn erforderlich, neue Signale (Interventionen) zu setzten. Wenn Führende und Geführte sich auf eine Beziehung einlassen, ist ihre Chance größer, dass der Prozess zum Erfolg führt und dabei Freude macht. Nur wenn man in Kontakt bleibt, geht der Tanz weiter. Entscheidend ist der Führungsprozess:
ein Voranschreiten und ein ruhiges In-Bewegung-Bleiben
mit Lust zu führen und sich führen zu lassen
die Gleichzeitigkeit von routiniertem Verhalten und Improvisation
das Wahrnehmen und Aufnehmen des Rhythmus der Musik (des Marktes)
QQQQdie Kunst, spontan auf das Unvorhersehbare zu reagieren und gleichzeitig auf das Wesentliche ausgerichtet zu bleiben
Experimentierfreude und Innovation
Umsicht und das Erzeugen und Zulassen von Spannung
die Fähigkeit sich (Denken, Fühlen, Körpersignale) und den anderen wahrzunehmen.
Milongueros, die Tangoexperten, meinen: Spielen Sie mit der Komplexität, sie gehört einfach dazu. Im Tango verzweifelt man nicht an Komplexität, sondern nutzt sie zum Spiel. Auch wenn man sich darauf verlassen kann, dass die Tanzrichtung meist eingehalten wird, wundert man sich nicht über Quer- und Gegenbewegungen. Diese regen an, Varianten zu probieren und zu entdecken, dass diese Impulse auch andere veranlassen, neue Figuren und Richtungen auszuprobieren. So entstehen neue Strukturen, neue Ordnungsmuster.
Die Beobachtung und der Austausch über das Beobachtete gewinnen eine zentrale Bedeutung in der Steuerung. Es geht aber um mehr, als nur das Geschehene zu beachten. Es geht – will man sich in Komplexität erfolgreich bewegen – um das Management der Beobachtung: beobachten, wie beobachtet und bewertet wird.
QQQQMit Lust führen und geführt werden
3. Teil
Nutzen Sie die Möglichkeiten, die in unsicheren Momenten auf ihre Entdeckung warten.
Wer alle Schritte und Figuren schon vorausgedacht hat, kann nur hoffen, dass er sich allein auf dem Parkett befindet und von niemand anderem abhängig ist. Und das ist in der Realität äußerst selten der Fall. Und außerdem führt die ständige Wiederholung zu fixen Verschaltungen im Gehirn, bis man nur mehr der Routine folgen kann. Organisationen brauchen Routinen, vorausgedachte Prozessschritte, aber auch das Erkennen von deren Grenzen. Scannen Sie das Umfeld nach Poten-
Qzialen, verknüpfen Sie fördernde und behindernde Kraftfelder und nützen Sie diese Dynamik für Entwicklungsimpulse, die über die Möglichkeiten des Geplanten hinausgehen.
Seien Sie bereit für neue Optionen.
Ist man als Tangotänzer auf einige Figuren, Schritte und Stilelemente festgelegt, wird man für Partnerinnen irgendwann langweilig. Weder die Musik noch die Gegebenheiten auf der Tanzfläche werden die vorgedachte Choreografie wesentlich beeinflussen.
Interessant bleibt es, wenn auf nichtgeplante oder unerwartete
QSituationen mit einem kurzen Innehalten reagiert wird.
Wäre die Organisation „eindeutig definiert“, wäre alles strikt vorgeschrieben, könnten Management und Mitarbeiter in der aktuellen Dynamik nicht angemessen (re)agieren.
Nutzen Sie das Zusammenspiel von Ungewissheit und Planung.
Soll ein Tangoabend zum Vergnügen werden, ist das Wissen um die „Nichtberechenbarkeit“und die damit verbundene Fähigkeit, Unsicherheit als Quelle des Entdeckens zu nutzen, eine Grundvoraussetzung.
Zugleich sollte man eine Vorstellung davon haben, mit welchen Schritt- und Figurenelementen man die nächsten drei Minuten gestalten will, ohne sich jedoch auf nur einen Weg festzulegen. Es geht um die Möglichkeit des Oszillierens zwischen mehreren Optionen, weil man weiß, dass die Zukunft unbekannt ist.
QSUSANNE EHMER und HERBERT SCHOBER-EHMER sind Mitglieder des Redmont Consulting Cluster. Aktuell ist ihr Buch „Überleben in der Gleichzeitigkeit“im Verlag Carl-Auer erschienen.