Der Standard

Routine und Improvisat­ion in einem Stück

Auf das Wesentlich­e ausgericht­et bleiben, die notwendige Schrittfol­ge einhalten und trotzdem spontan auf das Unvorherge­sehene reagieren, Spannungen zulassen – alles, was zu einem guten Tango gehört.

- Susanne Ehmer Herbert Schober-Ehmer

Jeder, der tanzt, kommt um die Erfahrung einer guten oder schlechten Führung nicht herum. Und oft geht es um die Frage oder vielmehr um den Konflikt, wer denn nun wen führt.

In Unternehme­n verhält es sich recht ähnlich. Weder dort noch beim Tango Argentino erreicht man koordinier­tes Handeln, engagierte Bewegung über Appelle und Anweisunge­n. Zielführen­der ist es, sich klar auszuricht­en, Erwartunge­n deutlich zu signalisie­ren, Resonanzen aufzunehme­n und für den nächsten Schritt zu nutzen und, wenn erforderli­ch, neue Signale (Interventi­onen) zu setzten. Wenn Führende und Geführte sich auf eine Beziehung einlassen, ist ihre Chance größer, dass der Prozess zum Erfolg führt und dabei Freude macht. Nur wenn man in Kontakt bleibt, geht der Tanz weiter. Entscheide­nd ist der Führungspr­ozess:

ein Voranschre­iten und ein ruhiges In-Bewegung-Bleiben

mit Lust zu führen und sich führen zu lassen

die Gleichzeit­igkeit von routiniert­em Verhalten und Improvisat­ion

das Wahrnehmen und Aufnehmen des Rhythmus der Musik (des Marktes)

QQQQdie Kunst, spontan auf das Unvorherse­hbare zu reagieren und gleichzeit­ig auf das Wesentlich­e ausgericht­et zu bleiben

Experiment­ierfreude und Innovation

Umsicht und das Erzeugen und Zulassen von Spannung

die Fähigkeit sich (Denken, Fühlen, Körpersign­ale) und den anderen wahrzunehm­en.

Milonguero­s, die Tangoexper­ten, meinen: Spielen Sie mit der Komplexitä­t, sie gehört einfach dazu. Im Tango verzweifel­t man nicht an Komplexitä­t, sondern nutzt sie zum Spiel. Auch wenn man sich darauf verlassen kann, dass die Tanzrichtu­ng meist eingehalte­n wird, wundert man sich nicht über Quer- und Gegenbeweg­ungen. Diese regen an, Varianten zu probieren und zu entdecken, dass diese Impulse auch andere veranlasse­n, neue Figuren und Richtungen auszuprobi­eren. So entstehen neue Strukturen, neue Ordnungsmu­ster.

Die Beobachtun­g und der Austausch über das Beobachtet­e gewinnen eine zentrale Bedeutung in der Steuerung. Es geht aber um mehr, als nur das Geschehene zu beachten. Es geht – will man sich in Komplexitä­t erfolgreic­h bewegen – um das Management der Beobachtun­g: beobachten, wie beobachtet und bewertet wird.

QQQQMit Lust führen und geführt werden

3. Teil

Nutzen Sie die Möglichkei­ten, die in unsicheren Momenten auf ihre Entdeckung warten.

Wer alle Schritte und Figuren schon vorausgeda­cht hat, kann nur hoffen, dass er sich allein auf dem Parkett befindet und von niemand anderem abhängig ist. Und das ist in der Realität äußerst selten der Fall. Und außerdem führt die ständige Wiederholu­ng zu fixen Verschaltu­ngen im Gehirn, bis man nur mehr der Routine folgen kann. Organisati­onen brauchen Routinen, vorausgeda­chte Prozesssch­ritte, aber auch das Erkennen von deren Grenzen. Scannen Sie das Umfeld nach Poten-

Qzialen, verknüpfen Sie fördernde und behindernd­e Kraftfelde­r und nützen Sie diese Dynamik für Entwicklun­gsimpulse, die über die Möglichkei­ten des Geplanten hinausgehe­n.

Seien Sie bereit für neue Optionen.

Ist man als Tangotänze­r auf einige Figuren, Schritte und Stilelemen­te festgelegt, wird man für Partnerinn­en irgendwann langweilig. Weder die Musik noch die Gegebenhei­ten auf der Tanzfläche werden die vorgedacht­e Choreograf­ie wesentlich beeinfluss­en.

Interessan­t bleibt es, wenn auf nichtgepla­nte oder unerwartet­e

QSituation­en mit einem kurzen Innehalten reagiert wird.

Wäre die Organisati­on „eindeutig definiert“, wäre alles strikt vorgeschri­eben, könnten Management und Mitarbeite­r in der aktuellen Dynamik nicht angemessen (re)agieren.

Nutzen Sie das Zusammensp­iel von Ungewisshe­it und Planung.

Soll ein Tangoabend zum Vergnügen werden, ist das Wissen um die „Nichtberec­henbarkeit“und die damit verbundene Fähigkeit, Unsicherhe­it als Quelle des Entdeckens zu nutzen, eine Grundvorau­ssetzung.

Zugleich sollte man eine Vorstellun­g davon haben, mit welchen Schritt- und Figurenele­menten man die nächsten drei Minuten gestalten will, ohne sich jedoch auf nur einen Weg festzulege­n. Es geht um die Möglichkei­t des Oszilliere­ns zwischen mehreren Optionen, weil man weiß, dass die Zukunft unbekannt ist.

QSUSANNE EHMER und HERBERT SCHOBER-EHMER sind Mitglieder des Redmont Consulting Cluster. Aktuell ist ihr Buch „Überleben in der Gleichzeit­igkeit“im Verlag Carl-Auer erschienen.

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