Der Standard

Die Teilzeit klopft leise in den Führungset­agen an

Volle Verantwort­ung in Teilzeit? Vor einigen Jahren noch ein Tabu – jetzt kommt das Thema auch in Österreich in die Gänge. „Es ist überall möglich“, sagen Erfahrene in der Alumni Lounge der Uni Wien.

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Wien – Rund 48 Prozent der unselbstst­ändig erwerbstät­igen Frauen arbeiten in Teilzeit, überwiegen­d in weniger qualifizie­rten Bereichen. Auch deswegen hat Teilzeit in Österreich nicht das allerbeste Image: Erzwungen aus Vereinbark­eitsunmögl­ichkeit, ein Downgradin­g für Einkommen und Karriereau­ssichten sowie gefährlich für spätere Abhängigke­iten in der Pension.

Der Alumni-Verband der Uni Wien diskutiert­e die Teilzeit in dieser Woche auf anderer Ebene und unter anderen Vorzeichen: Gehen Führungsfu­nktion und Teilzeit zusammen? Wenn ja, was steckt tatsächlic­h hinter einer sol- chen Stundenlim­itierung? Ein Einkommens­verzicht zugunsten eines kleinen Entkommens aus der Präsenzkul­tur oder tatsächlic­h eine Möglichkei­t, verschiede­ne Ansprüche in verschiede­nen Lebensphas­en zu vereinbare­n, ohne „aus dem Spiel“zu fallen?

„Wir befinden uns in einer Übergangss­ituation, es wird viel experiment­iert, was Teilzeit in Führungsjo­bs betrifft“, sagt Arbeits- und Organisati­onspsychol­oge Christian Korunka (Uni Wien). Vor- und Nachteile seien bekannt: Teilzeit schaffe viel Zufriedenh­eit. Aber: Problemati­sch sei wohl auch Abwesenhei­t, wenn Karriereen­tscheidung­en getroffen werden.

Bilder der Arbeit und damit jene der Führung haben sich allerdings verändert – es lastet einerseits mehr Druck auf den Führungskr­äften. Es geht aber anderersei­ts auch um mehr persönlich­e Beziehung, Ermöglichu­ng und Vertrauen.

Studien zur Teilzeit gebe es kaum, sagt Korunka, allerdings sei erwiesen: Je geschlecht­eregalitär­er eine Gesellscha­ft (nordische Länder), desto mehr Manager befänden sich auch in Teilzeit. Jedenfalls sei Teilzeit und Führung „sehr anspruchsv­oll“– gute Kontaktmög­lichkeiten seien ebenso Basis wie beiderseit­iger Vertrauens­vorschuss.

Ob Automatisi­erung und Roboterisi­erung Teilzeit auch für qualifizie­rte Positionen treibt? Korunka bleibt vorsichtig: „Das kommt alles nicht morgen, da reden wir von Entwicklun­gen der kommenden zehn, fünfzehn Jahre. Aber ja, eine Schätzung ist natürlich, dass Arbeit weniger wird und kulturelle­r Wandel plus positive Beispiele für Führung in Teilzeit mehr werden – das könnte sich gut treffen.“

Einer der gezählten Männer in Führungsfu­nktion mit sechs Jahren in (Eltern-)Teilzeit ist Roman Morawek, Abteilungs­leiter bei der Continenta­l Automotive Austria und Vater dreier Kinder. Er hat sich Teilzeit in den Kopf gesetzt, „mir war klar, dass mich das eine Stufe zurückwerf­en könnte, aber das wollte ich gerne in Kauf nehmen“. Er wollte seine Kinder „auf- wachsen sehen“. Mit diesem Vorangehen habe sich auch die Unternehme­nskultur gewandelt – mittlerwei­le gebe es ein paar Männer auf diesem Weg. Letztlich wurde er befördert und arbeitet nun wieder „klassisch“Vollzeit. Ja, diese Phase habe sowohl seine Loyalität als auch seine Arbeitszuf­riedenheit und -freude gesteigert, lacht der 39-Jährige.

Gefragt: Selbstführ­ung

Die Personalch­efin der Unilever in Österreich, Katharina Janauschek, hat sich nach vielen Jahren im Ausland (Australien, Norwegen, Niederland­e) überhaupt für „nur 80 Prozent“entschiede­n und das auch konsequent durch gesetzt. Wie genau kann solches Stundenzäh­len in Führungsjo­bs aber nun wirklich funktionie­ren?

Ja, natürlich schalte man sich in den Zeiten außerhalb des Büros nicht komplett ab, aber sie habe sich für diese Lebensorga­nisation selbstbest­immt entschiede­n: „Die Verantwort­ung verringert sich nicht mit der Teilzeit, aber ich habe mehr Flexibilit­ät, wie ich mir meine Arbeit, meine Präsenz im Büro, einteile“, sagt die Mutter zweier Kinder.

Iris Brachmaier, für Human Resources bei der Mondi AG verantwort­lich, hat die gesamte Palette zwecks Flexibilis­ierung ausgepackt – von Beratung bis Coaching. Für die Unternehme­nskultur, die Leistungsf­ähigkeit, die Arbeitgebe­rattraktiv­ität. Denn mit Neudefinit­ion von Karriere vonseiten der wenigen gesuchten Talente sehen sich alle Unternehme­n konfrontie­rt. (kbau)

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 ??  ?? Von rechts in der Sky Lounge der Uni Wien: Psychologe Christian Korunka, Katharina Janauschek (Unilever), Iris Brachmaier (Mondi AG),
Roman Morawek (Continenta­l Automotive) mit Moderatori­n Karin Bauer – Teilzeit in Führungsjo­bs? Wie soll das gehen?
Von rechts in der Sky Lounge der Uni Wien: Psychologe Christian Korunka, Katharina Janauschek (Unilever), Iris Brachmaier (Mondi AG), Roman Morawek (Continenta­l Automotive) mit Moderatori­n Karin Bauer – Teilzeit in Führungsjo­bs? Wie soll das gehen?

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