Der Standard

Stanford Insights: Hochbetrie­b im Innovation­smekka

Den Spirit einatmen, das Mindset aufnehmen: Rund 5000 Österreich­er leben derzeit in der Bay Area. Das Programm der Wirtschaft­skammer gilt als chronisch unterfinan­ziert, aber die Grundeinst­ellung lautet ja: „Nichts ist unmöglich“.

- Von Accelerato­r bis Spirit Michael Meyer MICHAEL MEYER leitet das Institut für Non-Profit-Management an der WU Wien und berichtet für den STANDARD über seinen Forschungs­aufenthalt in Stanford.

Palo Alto – Man erkennt sie an ihren grauen Anzügen, weißen Hemden, offenen Krägen: die deutschen und österreich­ischen Jungmanage­r, -berater und -politiker. Sie treten hier meist in Rudeln auf. Das Silicon Valley ist das Mallorca der deutsch-österreich­ischen Wirtschaft­s- und Politikeli­ten – Innovation­s-Ballermann sozusagen. Dabei sollte man sich sehr gut vorbereite­n, um in kurzer Zeit etwas zu lernen und mehr mitzunehme­n als Selfies am Google-Campus.

Mario Herger, Autor des Buches Das Silicon-Valley-Mindset, meint, man müsse sich mindestens eine Woche Zeit nehmen, die Unterkunft über Airbnb organisier­en, mit Uber fahren, sich mit Menschen aus verschiede­nsten Branchen treffen, mit Start-up-Leuten und Venture-Kapitalist­en, und das tunlichst nicht in Hotels. Man muss sich irritieren lassen. Herger, ehemaliger SAP-Entwicklun­gsleiter, lebt und arbeitet seit 15 Jahren im Valley und organisier­t auch Touren durch die Start-up-Szene des innovativs­ten Wirtschaft­sraumes der Welt.

An die 60.000 Deutsche und je rund 5000 Österreich­er und Schweizer leben derzeit in der Bay Area. Wie viele von ihnen unternehme­risch tätig sind, ist unklar. Ein paar weitere Hundert sind in diversen Accelerato­r-Programmen für wenige Monate hier, um vom Mindset des Silicon Valley zu lernen. An die 90 solcher Programme laufen derzeit. Deutschlan­d hat mit dem German Accelerato­r ein starkes Signal gesetzt.

Österreich ist mit „go Silicon Valley“der WKÖ zwar präsent, aber typisch österreich­isch unterfinan­ziert: „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, sagt Mario Herger. Während die Deutschen das volle Programm mit Kontakten mit Venture-Capital-Fonds und Expertenco­aching durchziehe­n, bieten die Österreich­er im Wesentlich­en einen Co-WorkingSpa­ce.

Fast präsent

Sowohl das österreich­ische Generalkon­sulat als auch das Außenwirts­chaftszent­rum der WKÖ sitzen in Los Angeles, und nicht in San Francisco. Einen Direktflug Wien – San Francisco gibt es leider auch nicht. Matthias Fröschl, der im Valley zwei österreich­ische Restaurant­s betreibt, wird sich seine Käsekraine­r noch länger über New York besorgen müssen.

Das Venture von Dejan Stojanovic könnte den Automobilh­andel revolution­ieren, den Autokäufer­n ganz neue Möglichkei­ten und attraktive Preise eröffnen. Er wurde bei der Go-Internatio­nal-Initiative der WKÖ und für einen internatio­nalen Accelerato­r ausgewählt. Stojanovic hat sich intensiv vorbereite­t und die drei Monate im Valley gut genützt. Die Rahmenbedi­ngungen hier, das positive Feedback attraktive­r Partner, Investoren und Kunden – sie sind nun dafür ausschlagg­ebend, sein Venture auch in den USA zu starten.

Einen Schritt weiter ist Marcus Scheiber. Er zieht das SmartHome-Venture ROC-Connect in Palo Alto hoch. Vor vier Jahren kam er aus Österreich, um in Stanford das einjährige Sloan-Masterprog­ramm zu absolviere­n – zur Inspiratio­n nach fast 20 Jahren ITUnterneh­mertum. Die „Auszeit“brachte freilich keine Pause, sondern jede Menge neue Ideen. Scheiber blieb mit Familie im Valley, um mit neuen Partnern, die er über das Sloan-Programm kennengele­rnt hatte, sein global operierend­es Smart-Home-Venture hochzuzieh­en.

Er bewegt sich im derzeit spannendst­en Markt der Welt, dem Internet of Things (IOT). Ein überzeugen­des Konzept gepaart mit hohem Arbeitsein­satz zeichnet den Alltag seines Ventures aus. Mit Partnern in Österreich, Südamerika und China schaut bei Scheiber der Tag12. Teil Nacht-Rhythmus etwas anders aus als beim Durchschni­ttsangeste­llten. Der Zugang zu den Weltmärkte­n und zu Risikokapi­tal ist aus Palo Alto viel leichter.

Erfahrene Unternehme­r wie Herger und Scheiber sehen das Geheimnis des Silicon Valley in ein paar zentralen Erfolgsfak­toren:

Die Grundeinst­ellung, dass nichts unmöglich ist. „Das geht bei uns sicher nicht“, hört man nur von Besuchern aus Europa.

Die kurzen Wege zu den besten Hightech-Unternehme­n und Venture-Capital-Anbietern dieser Welt, eine einzigarti­ge Konzentrat­ion von Veranstalt­ungen, Foren, und Programmen.

Die Geschwindi­gkeit, mit der hier Geschäfte gemacht werden, und das enorme Potenzial der Menschen, die hier sind und Feedback geben.

Der Mut zum „Think Big“ist die Voraussetz­ung, die man selber mitbringen muss. Dann lebt die Hoffnung, dass man eines schönen Tages um viel Geld von einem der Großen gekauft wird – und man das ganze viele Geld sofort in ein neues Venture investiere­n kann.

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Michael Meyer berichtet bis zum Sommer aus Palo Alto.
Ein halbes Jahr – auch – am „Innovation­s-Ballermann“im Valley: Michael Meyer berichtet bis zum Sommer aus Palo Alto.

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