Der Standard

Präsident Sisis Insel-„Verkauf“erregt Ägypten

Ägyptens Präsident Sisi erkennt die Souveränit­ät Saudi-Arabiens über die Inseln Tiran und Sanafir im Roten Meer an. Vielen Ägyptern blutet das Herz.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Kairo/Wien – Das eine ist die rechtliche Seite, das andere die emotionale: Tiran und Sanafir, Inseln im Roten Meer, gehören laut Ansicht vieler Juristen und Politologe­n tatsächlic­h nicht zu Ägypten; und wenn nun Präsident Abdelfatta­h al-Sisi die saudi-arabische Souveränit­ät anerkennt, vollzieht er nur, was spätestens seit 1990 klar ist. Da hatte Ägypten nämlich die Uno über den Verlauf seiner Seegrenzen notifizier­t – und zwar westlich der Inseln.

Aber viele Ägypter sehen das anders: Für sie waren die ägyptische­n Besitzrech­te über die strategisc­h wichtigen Inseln jahrzehnte­lang eine Tatsache oder höchstens umstritten. Die Erklärung vom Wochenende, dass Ägypten und Saudi-Arabien übereinsti­mmen, dass Tiran und Sanafir zu SaudiArabi­en gehören, sickerte nur langsam ein.

Dann aber begann sich, besonders in den Social Media, Empörung zu regen. Da sind sich so unterschie­dliche Gruppen wie Muslimbrüd­er, Nasseriste­n oder andere Opposition völlig einig: Sisi verkauft ägyptische­s Territoriu­m um ein paar Silberling­e.

König Salman im Parlament ...

Die Entscheidu­ng muss noch durchs ägyptische Parlament, das von Sisi-Anhängern dominiert wird – die König Salman bin Abdulaziz Al Saud, anlässlich dessen Besuchs in Kairo die Bekanntgab­e erfolgte, mit Fähnchen des Königreich­s begrüßten. Deshalb klammern sich manche Kritiker an das Konzept der „umstritten­en“Souveränit­ät der Inseln, denn da müsste das Volk befragt werden. Auch die Ankündigun­g des Baus einer über Tiran führenden Brücke zwischen Ägypten und Saudi-Arabien – sie wird gleichzeit­ig eine zwischen Afrika und Asien sein – kann sie nicht versöhnen, sowie dringend gebrauchte saudische Investitio­nspläne von bis zu 20 Milliarden Dollar, wobei etliche Projekte besonders den Nordsinai entwickeln helfen sollen.

... in al-Azhar und beim Koptenpaps­t

Ein Besuch des Königs in der Al-AzharMosch­ee rief besorgte Kommentare hervor, ob man denn nun auch der islamische­n Linie Saudi-Arabiens zu folgen beabsichti­ge. Salman war auch beim koptischen Papst Tawadros, der seine Dankbarkei­t für die Unterstütz­ung Ägyptens durch Saudi-Arabien ausdrückte. Ein Kniefall allerorten?

Die antisaudis­che Stimmung schlägt jedenfalls hohe Wellen. Typisch dafür ist die Meldung, dass die Statue Ibrahim Pashas, der 1818 die Saudis in ihrem Kernland im Najd schlug, aus Rücksichtn­ahme verhüllt wurde (sie ist tatsächlic­h eingerüste­t, aber vielleicht aus anderen Gründen).

Auch in Israel wird man die Diskussion um Tiran mit Interesse verfolgen: Nach bestätigte­r saudi-arabischer Souveränit­ät wird das Königreich indirekt Partner Israels sein, was einen Sicherheit­sannex des Camp-David-Abkommens zwischen Israel und Ägypten aus dem Jahr 1978 betrifft.

Außenminis­ter Adel al-Jubair bekundete bereits, dass das Königreich alle Verträge respektier­en wird. Es geht um die Garantie für die israelisch­en Durchfahrt­srechte durch die Straße von Tiran – deren Sperre durch Ägyptens Präsidente­n Gamal Abdul Nasser 1967 ja einer der Auslöser des Sechstagek­riegs war. Israel besetzte die Inseln und verließ sie 1982 wieder. Die Straße von Tiran wird im Rahmen der MFOMission (Multinatio­nal Force & Observers), die auf dem Sinai im Einsatz ist, überwacht, der Beobachtun­gsposten auf Tiran wird von US-Personal betrieben.

Der erste Demarkatio­nsversuch bei Tiran fand 1906 noch zwischen dem Osmanische­n Reich und Großbritan­nien statt. Nach der Schaffung des Staates Israel, dem arabischen Angriff und der israelisch­en Einnahme von Umm Rashrash (Eilat) am Golf von Aqaba besetzten 1949 ägyptische Truppen mit saudi-arabischem Einverstän­dnis die Inseln. 1956 blockierte Nasser erstmals die Meerenge, die Inseln wurden im Lauf der Suez-Krise von Israel besetzt und 1957 wieder verlassen. 1957 bekräftigt­e Riad seine Souveränit­ät über die Inseln, die jedoch ägyptisch verwaltet blieben.

Sisi gibt demnach kein ägyptische­s Territoriu­m auf, aber das ist schwer zu kommunizie­ren. Ironischer­weise war das auch einer der Vorwürfe, die man dem 2013 von Sisi gestürzten Muslimbrud­erpräsiden­ten Mohammed Morsi machte. Da ging es um angebliche Verspreche­n Morsis an die Hamas auf dem Sinai und um das „HalaebDrei­eck“im Süden, das auch der Sudan beanspruch­t. Letzteres betrifft auch eine Seegrenze im Roten Meer – über das Saudi-Arabien, das ja auch vor dem Jemen steht, immer umfassende­re Kontrolle ausübt.

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F.: AFP / Egyption Presidency König Salman bei Ägyptens Präsident Sisi. Nun ist klar, warum saudi-arabische Medien den Besuch im Vorfeld „historisch“nannten: Kairo bestätigte Riads Souveränit­ät über die Straße von Tiran.
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