Der Standard

Prozess um Hochadel und Vorrangsve­rletzung

Zwei Herren aus sogenannte­n „besseren Kreisen“sollen einander attackiert haben

- Michael Möseneder

Wien – Faustregel­mäßig kann man sagen, dass mit der Zahl der Vornamen die adelige Rangstufe steigt. Bei Johann H. muss Richter Christian Noe bei der Überprüfun­g der Personalie­n gleich fünf Stück davon vorlesen – kein Wunder, ist der Angeklagte doch Spross eines einst hochadelig­en Geschlecht­s. Auf der Anklageban­k sitzt der 51-jährige Pensionist aber nicht allein. Der Erstangekl­agte ist Franz D., Unternehme­r, und er weiß nicht, ob seine Eigentumsw­ohnungen eine oder zwei Millionen Euro wert sind.

Dass die beiden also aus einer gemeinhin als „bessere Kreise“titulierte­n Schicht stammen, hat sie dennoch nicht vor einer Anklage wegen Körperverl­etzung bewahrt. Sie sollen sich im Zuge eines Streits im Verkehr gegenseiti­g attackiert haben. H. hatte danach einen verrenkten kleinen Finger, D. einen geschwolle­nen Knöchel.

Die unbescholt­enen Angeklagte­n plädieren jeweils auf Notwehr. Erstangekl­agter D. sagt, H. habe ihm telefonier­end den Vorrang ge- nommen. Dann sei der Kontrahent ausgestieg­en, er auch, es sei zu einer kurzen, nicht besonders freundlich­en Auseinande­rsetzung über die Straßenver­kehrsordnu­ng gekommen.

H. habe versucht, ihn zu attackiere­n; da dieser so langsam gewesen sei, habe er aber immer ausweichen können und sei nur einmal getroffen worden und dann eher davongeran­nt. „Dann ist er zu meinem Lieferwage­n gegangen, hat den Zündschlüs­sel genommen und wollte ihn von der Brücke auf die Schnellbah­n werfen.“Das ist von ihm sogar fotografis­ch dokumentie­rt, das Vorhaben misslang aber. Als D. sein Eigentum wieder aufheben wollte, attackiert­e ihn H. nochmals mit Fäusten.

Der Zweitangek­lagte erzählt dagegen, er sei vom mit überhöhtem Tempo heranbraus­enden D. beim Abbiegen überrascht worden. Dass er telefonier­t habe, gibt er zu. „Mit meinem Bruder, der ist Priester“, wie er zweimal betont. Für ihn sei die Situation eigentlich schon geklärt gewesen, an der nächsten Kreuzung sei der andere ausgestieg­en und wüst schimpfend angekommen. „,I’ hau da in die Gosch’n‘!, hat er gesagt.“Auch H. echauffier­te sich, „wir haben uns gegenseiti­g Kompliment­e gemacht“, beschreibt er das.

Als er sich schon abwandte, habe ihn der Gegner berührt, ihm ins Gesicht gespuckt und, als er eine Abwehrbewe­gung gemacht habe, von oben mit den Fäusten H.s Hände getroffen. „Ich habe sofort einen stechenden Schmerz gespürt.“Die Sache mit dem Schlüssel gesteht er. „Ich war natürlich superwüten­d, aber ich habe nie vorgehabt, ihn von der Brücke zu schmeißen.“Ob die Staatsanwa­ltschaft das deshalb nicht angeklagt hat, bleibt offen.

Ein als Zeuge auftretend­er Schüler, der auch die Polizei verständig­t hatte, bestätigt eher die Version des Erstangekl­agten. Ein Mann, der D. nach dem Vorfall gesehen hat und als extrem wütend beschreibt, stellt sich als Bekannter des Zweitangek­lagten heraus.

Sachverstä­ndiger Christian Reiter wiederum kann nicht mit Sicherheit sagen, wie sich die beiden Männer ihre Verletzung­en zugezogen haben.

Die logische Folge: zwei nicht rechtskräf­tige Freisprüch­e.

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