Prozess um Hochadel und Vorrangsverletzung
Zwei Herren aus sogenannten „besseren Kreisen“sollen einander attackiert haben
Wien – Faustregelmäßig kann man sagen, dass mit der Zahl der Vornamen die adelige Rangstufe steigt. Bei Johann H. muss Richter Christian Noe bei der Überprüfung der Personalien gleich fünf Stück davon vorlesen – kein Wunder, ist der Angeklagte doch Spross eines einst hochadeligen Geschlechts. Auf der Anklagebank sitzt der 51-jährige Pensionist aber nicht allein. Der Erstangeklagte ist Franz D., Unternehmer, und er weiß nicht, ob seine Eigentumswohnungen eine oder zwei Millionen Euro wert sind.
Dass die beiden also aus einer gemeinhin als „bessere Kreise“titulierten Schicht stammen, hat sie dennoch nicht vor einer Anklage wegen Körperverletzung bewahrt. Sie sollen sich im Zuge eines Streits im Verkehr gegenseitig attackiert haben. H. hatte danach einen verrenkten kleinen Finger, D. einen geschwollenen Knöchel.
Die unbescholtenen Angeklagten plädieren jeweils auf Notwehr. Erstangeklagter D. sagt, H. habe ihm telefonierend den Vorrang ge- nommen. Dann sei der Kontrahent ausgestiegen, er auch, es sei zu einer kurzen, nicht besonders freundlichen Auseinandersetzung über die Straßenverkehrsordnung gekommen.
H. habe versucht, ihn zu attackieren; da dieser so langsam gewesen sei, habe er aber immer ausweichen können und sei nur einmal getroffen worden und dann eher davongerannt. „Dann ist er zu meinem Lieferwagen gegangen, hat den Zündschlüssel genommen und wollte ihn von der Brücke auf die Schnellbahn werfen.“Das ist von ihm sogar fotografisch dokumentiert, das Vorhaben misslang aber. Als D. sein Eigentum wieder aufheben wollte, attackierte ihn H. nochmals mit Fäusten.
Der Zweitangeklagte erzählt dagegen, er sei vom mit überhöhtem Tempo heranbrausenden D. beim Abbiegen überrascht worden. Dass er telefoniert habe, gibt er zu. „Mit meinem Bruder, der ist Priester“, wie er zweimal betont. Für ihn sei die Situation eigentlich schon geklärt gewesen, an der nächsten Kreuzung sei der andere ausgestiegen und wüst schimpfend angekommen. „,I’ hau da in die Gosch’n‘!, hat er gesagt.“Auch H. echauffierte sich, „wir haben uns gegenseitig Komplimente gemacht“, beschreibt er das.
Als er sich schon abwandte, habe ihn der Gegner berührt, ihm ins Gesicht gespuckt und, als er eine Abwehrbewegung gemacht habe, von oben mit den Fäusten H.s Hände getroffen. „Ich habe sofort einen stechenden Schmerz gespürt.“Die Sache mit dem Schlüssel gesteht er. „Ich war natürlich superwütend, aber ich habe nie vorgehabt, ihn von der Brücke zu schmeißen.“Ob die Staatsanwaltschaft das deshalb nicht angeklagt hat, bleibt offen.
Ein als Zeuge auftretender Schüler, der auch die Polizei verständigt hatte, bestätigt eher die Version des Erstangeklagten. Ein Mann, der D. nach dem Vorfall gesehen hat und als extrem wütend beschreibt, stellt sich als Bekannter des Zweitangeklagten heraus.
Sachverständiger Christian Reiter wiederum kann nicht mit Sicherheit sagen, wie sich die beiden Männer ihre Verletzungen zugezogen haben.
Die logische Folge: zwei nicht rechtskräftige Freisprüche.