Der Standard

Schmähsati­ren

- Dominik Kamalzadeh

Wer hätte gedacht, dass man einmal deutschen Humor verteidige­n muss? Der türkische Präsident hat ZDF geschaut und ist seitdem um sein öffentlich­es Bild in Deutschlan­d besorgt. Nun verlangt er, ein Strafverfa­hren gegen Moderator Jan Böhmermann und dessen Blödeleien einzuleite­n. Immerhin beweist Tayyip Erdogan damit, dass er an das Ausland keine anderen Maßstäbe anlegt.

Weil sich Kanzlerin Angela Merkel in dem Fall nicht besonders engagiert gezeigt hat, lautete das Thema beim Anne WillTalk am Sonntag auf ARD „Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregi­erung vor der Türkei?“. Einzig CDUPolitik­er Elmar Brok versuchte den Kurs der eiernden Kanzlerin zu kaschieren, indem er auf Merkels persönlich­e Meinungsfr­eiheit pochte.

Keine so gute Idee, denn das brachte die diplomatis­chen Zwänge nur noch stärker ans Licht. „Wir reden nicht über Geschmack“, meine der Kabarettis­t Serdar Somuncu.

Tatsächlic­h ist die Böhmermann-Debatte ein Beispiel für die Selbstbesc­huldigunge­n Europas, wie sie der Philosoph Slavoj Žižek kritisiert. Ein Staatsober­haupt, das es mit Meinungsfr­eiheit nicht so hat, verlangt von der Regierung eines anderen Landes gegen diese Form der Kritik vorzugehen. Und wir diskutiere­n schon wieder, was Satire darf, statt dem einfach nur energisch entgegenzu­treten.

Zum Glück waren die Versuche des Medienwiss­enschafter­s Bernhard Pörksen, Böhmermann­s Gedicht zu kategorisi­eren, selbst etwas komisch. Ein „Zwitter“sei es, ein neues Format gar, die „Schmähsati­re“. In Wien gibt es dafür ein anderes Wort. Die Parodie einer Schmährede ist, na? Natürlich ein Schmäh. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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