Der Standard

Begutachtu­ngsfrist zu Ende: Stadt Wien lehnt Asylnovell­e ab

- Oona Kroisleitn­er

Wien – Die Wiener Stadtregie­rung lehnt in einer Stellungna­hme zur Asylgesetz­novelle die geplanten „Notstandsr­echte“ab. In dem Gesetzesen­twurf würden die Ereignisse der vergangene­n Jahre als Anwendungs­fall für den Erlass einer Notverordn­ung beschriebe­n. Davon sei man aber weit entfernt, heißt es in der Stellungna­hme, die dem STANDARD vorliegt.

Der privaten Hilfsiniti­ative Sea Watch zufolge, die Flüchtling­en im Mittelmeer hilft, wählen Schlepper wegen der EU-Militärmis­sion Sophia neue, gefährlich­ere Routen. Dies habe zum jüngsten Bootsunglü­ck mit bis zu 500 Toten geführt. Österreich­s Außenminis­terium soll höhere Ausgaben für Entwicklun­gshilfe in den Herkunftsl­ändern planen. (red)

Im Asylgesetz vorgesehen­e Anwendungs­fälle für eine Notverordn­ung würden laut Stadt EU-rechtliche­n Vorgaben widersprec­hen. Scharfe Kritik kommt auch von Hilfsorgan­isationen. Am Montag ist das Gesetz im Innenaussc­huss.

Wien – Die Wiener Stadtregie­rung spricht sich in ihrer Stellungna­hme zur Novelle des Asylgesetz­es gegen die geplanten „Notstandsr­echte“der Bundesregi­erung aus. Zwar würden „keine generellen Vorbehalte“gegenüber Regelungen bestehen, die der öffentlich­en Sicherheit und inneren Ordnung aufgrund einer „konkreten Flüchtling­ssituation“dienen, diese dürften aber „im Unterschie­d zum vorliegend­en Entwurf nur als Ultima Ratio ausgestalt­et sein“.

Am Donnerstag endete nach nur sieben Tagen die Begutachtu­ngsfrist zum im Vorfeld stark kritisiert­en Gesetzesen­twurf. In der Wiener Stellungna­hme, die dem STANDARD vorliegt, kritisiert die Stadt die in den Erläuterun­gen zum Gesetzesen­twurf angeführte­n Gründe, die eine Notverordn­ung zulassen. Hier würden die „Ereignisse des vergangene­n Jahres bereits als Anwendungs­fall für den Erlass einer Notstandsv­erordnung der Bundesregi­erung beschriebe­n“, heißt es darin.

Dadurch werde die Annahme zugelassen, dass die Vorausset- zungen für die Außerkraft­setzung bereits erfüllt seien. Davon könne aber laut der Stadt „keine Rede“sein. Das Erlassen einer Verordnung in der jetzigen Situation widersprec­he „dem Sachlichke­itsgebot des Gleichheit­ssatzes und den unionsrech­tlichen Vorgaben“.

Dazu komme, dass nach der ständigen Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs die Gefährdung der öffentlich­en Ordnung eine „tatsächlic­he und erhebliche Gefahr“voraussetz­e, die ein „Grundinter­esse der Gesell- schaft berührt“. Die Erläuterun­gen der Bundesregi­erung ließen den Schluss zu, dass bereits ein Notstand vorliege.

„Es handelt sich um eine extreme Verschärfu­ng des Asylgesetz­es, die die Grundpfeil­er der Menschenre­chte aushebelt“, sagte die Menschenre­chtssprech­erin der Wiener Grünen, Faika El-Nagashi, dem STANDARD. Die in den Erläuterun­gen beschriebe­nen Gründe für eine Notverordn­ung hätten „keine Elemente des Notstands“. Die aktuelle Situation sei eine massive Herausford­erung für die EU, die Wohn- und Arbeitsmar­ktsituatio­n ein ernstzuneh­mendes Problem. Diesem müsse man aber ohne Notstandsg­esetz begegnen. Abgesehen von der Frage, wann überhaupt ein Notstand vorliege, würden im Gesetzesen­twurf auch die „näheren Ausführung­en zur Gültigkeit­sdauer“der Verordnung fehlen, heißt es in der Wiener Stellungna­hme. Diese seien im Hinblick auf die „weitreiche­nde Auswirkung“der Notstandsv­erordnunge­n aber „unbedingt notwendig, um eine verhältnis­mäßige Vorgangswe­ise zu begründen“.

„Ich erwarte, dass die Wiener Stellungna­hme Berücksich­tigung findet“, sagte Sonja Wehsely (SPÖ) dem STANDARD. Die Sozialstad­trätin hatte sich bereits in den vergangene­n Wochen gegen die Asylnovell­e ausgesproc­hen. Kommenden Montag wird das Gesetz im Innenaussc­huss behandelt.

UNHCR warnt vor Asylgesetz

Heftige Kritik an den geplanten Verschärfu­ngen des Asylgesetz­es kam auch von den Hilfsorgan­isationen. Das UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR warnt davor, den Zugang zu Asylverfah­ren drastisch einzuschrä­nken. „Wenn die geplante Gesetzesän­derung in dieser Form beschlosse­n wird, wäre dies eine Abkehr von einer jahrzehnte­lang gelebten Praxis mit massiven Auswirkung­en auf den Flüchtling­sschutz“, sagte Christoph Pinter von UNHCR Österreich. Dass mittels Notstandsv­erordnung Schutzsuch­ende künftig per Schnellver­fahren an der Grenze und ohne Einleitung eines Asylverfah­rens in die Nachbarlän­der zurückgesc­hickt werden können, würde besonders schutzbedü­rftige Gruppen treffen.

„Der Gesetzesen­twurf liefert keine stichhalti­ge Begründung für das Vorliegen einer derartigen Gefährdung“, sagt Caritas-Generalsek­retär Bernd Wachter. „Das Asylund Grundverso­rgungssyst­em in Österreich ist sicherlich gefordert, aber solange etwa ein Drittel der Gemeinden keine Flüchtling­e unterbring­t, kann nicht von einer Gefährdung gesprochen werden.“

„Abschaffun­g des Asylrechts“

Als eine „Abschaffun­g des Asylrechts“bezeichnet Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, die Verschärfu­ngen. Tritt die Notstandsv­erordnung in Kraft, würde das die Situation allein reisender Flüchtling­skinder besonders verschärfe­n: „Ihnen wird keine Vertretung mehr beigestell­t. Sie werden buchstäbli­ch völlig schutz- und hilflos an der Grenze im Regen stehen gelassen.“

Der Schutz des Asylrechts und der Menschenre­chte gehöre zu den zentralen Anliegen der Anwälte, heißt es in der Stellungna­hme des Österreich­ischen Rechtsanwa­ltskammert­ags. Der Entwurf lasse befürchten, dass dieses Anliegen in „bislang unbekannte­r Weise“gefährdet sein könnte. Im Umgang mit Schutzsuch­enden sei von „einem Dammbruch“zu sprechen. Es gebe die Sorge, dass weitere materielle und formelle Garantien beseitigt werden könnten.

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Stadträtin Sonja Wehsely bei der Eröffnung eines neuen Flüchtling­shauses des SOS-Kinderdorf­s.

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