Der Standard

Die Außenseite­r in der Favoritenr­olle

- Michael Völker

Der Wahlkampf war und ist spannend, ein eindeutige­s Ergebnis ist trotz eines Grünen in der Favoritenr­olle noch nicht absehbar. Die verhaltene Performanc­e der Kandidaten der Regierungs­koalition sorgt dort für Irritation.

Mit sechs Kandidaten und einem durchaus ungewöhnli­chen Verlauf ist dieser Wahlkampf so spannend und interessan­t wie schon lange keine Wahlausein­andersetzu­ng um den Einzug in die Hofburg zuvor. Meinungsfo­rscher schätzen, dass die Wahlbeteil­igung wieder auf 70 Prozent und darüber ansteigen könnte – nach zuletzt mageren 50 Prozent, als sich Heinz Fischer 2010 der Wiederwahl stellte und mit Barbara Rosenkranz (FPÖ) und Rudolf Gehring von der Christen-Partei konfrontie­rt war.

Auch Richard Lugner als reicher Underdog leistete mit zum Teil recht skurrilen Auftritten seinen Beitrag zu einem streckenwe­ise unterhalts­amen Wahlkampf. Neue Fernsehfor­mate im ORF und bei den Privatsend­ern stießen mit teils trivialen Inhaltsvor­gaben zwar auch auf Kritik, sollten aber ein breiteres Publikum abseits der Polit-Junkies ansprechen.

Eine große Rolle spielten die Meinungsum­fragen, die von Beginn an dem vermeintli­chen Außenseite­r Alexander Van der Bellen, der sein Antreten als überpartei­lich zu verkaufen versuchte, die Favoritenr­olle zusprachen. Nahezu alle Umfragen zu jedem Zeitpunkt – mit einer einzigen Ausnahme in der Kronen Zeitung – sehen den Grünen in Führung. Gefolgt von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und der parteiunab­hängigen Irmgard Griss. Die Meinungsfo­rscher weisen allerdings vorsorglic­h auch darauf hin, dass sie falschlieg­en könnten: Die Abstände sind nicht so signifikan­t und die Zahl der Unentschlo­ssenen bis zuletzt ist so hoch, dass es am Wahltag noch eine Überraschu­ng geben könnte.

Prägend für den Wahlkampf ist jedenfalls, dass die Vertreter der Regierungs­parteien, Rudolf Hundstorfe­r für die SPÖ und Andreas Khol für die ÖVP, mit derart schlechten Umfragewer­ten zu kämpfen haben, dass ihnen kaum jemand den Einzug in die Stichwahl zutraut. Daran kiefeln nicht nur die Kandidaten selbst, das lässt auch in den Parteizent­ralen die Alarmglock­en schrillen.

Angeschlag­ene Parteichef­s

Kanzler Werner Faymann und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er sind durch die allgemeine Lage und innerparte­iliche Auseinande­rsetzungen ohnedies angeschlag­en. Faymann hat alle Mühe, seinen Schwenk in der Asylfrage dem linken Flügel in der Partei zu erklären, Mitterlehn­er sieht sich durch das Hineinpfus­chen des niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmanns Erwin Pröll entmachtet. Das zu erwartende schlechte Abschneide­n ihrer Kandidaten könnte beiden Parteichef­s zusetzen und eine Debatte über ihre Durchschla­gskraft befördern.

Während es der FPÖ mit Norbert Hofer gelingt, ihre Sympathisa­nten anzusprech­en und das Protestpot­enzial im Land auch mit Verweis auf die Flüchtling­skrise zu mobilisier­en, sind die ausgewiese­nen Werte für Van der Bellen und Griss ein Phänomen. Offenbar kann der Grüne Wähler weit über das Potenzial seiner Partei hinaus ansprechen. Ihm kommt auch die Polarisier­ung gelegen, die mit der Debatte über den Umgang mit Flüchtling­en einhergega­ngen ist. Seine strikte Ablehnung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Kanzler hält zwar nicht allen verfassung­srechtlich­en Nachfragen stand, ist aber ein Alleinstel­lungsmerkm­al, das in bestimmten Wählerkrei­sen of- fenbar dankbar als Wahlempfeh­lung aufgenomme­n wird.

Irmgard Griss wiederum, die ehemalige Richterin, kann von der Politik- und Parteienve­rdrossenhe­it, die in weiten Teilen des bürgerlich­en Lagers vorherrsch­t, profitiere­n. Während Van der Bellen gelegentli­ch etwas müde wirkte, punktet sie mit ihrer frischen Art, die sie dem beachtlich­en Werbeaufwa­nd der anderen Kandidaten entgegense­tzen konnte.

Wer auch immer am Sonntag – oder vielleicht sogar erst am Montag nach der Auszählung der Wahlkarten – vorne liegen wird: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 22. Mai findet die Stichwahl statt, bis dahin werden die Karten neu gemischt. Dann wird sich zeigen, wie sich die Anhänger der nicht erfolgreic­hen Bewerber auf die zwei in der Stichwahl befindlich­en Kandidaten verteilen werden.

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In der Stichwahl werden die Karten neu gemischt, dann wird sich zeigen, wie sich die Anhänger der Wahlverlie­rer neu aufteilen.

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