Der Standard

Mit Unschuldsb­lick ins Klassenzim­mer

Norbert Hofer brachte sich als Softie in Stellung, mit wohldosier­ten Brüchen

- Karin Riss

Es war an Ursula Stenzel, den Vorhang zu lüften. Gerade die Leider-doch-nicht-Kandidatin der FPÖ musste bei der Präsentati­on des blauen Präsidents­chaftskand­idaten Ende Jänner das überdimens­ionale Foto Norbert Hofers enthüllen.

Parteichef Heinz-Christian Strache scheute bereits damals nicht, die Gehbehinde­rung, die der Dritte Nationalra­tspräsiden­t nach einem Paragleite­runfall davongetra­gen hatte, auszuschla­chten. Sein Handicap wurde den Blauen zur roten Schnur, wie FP-General Herbert Kickl im Standard- Gespräch unumwunden zugab: Das ist „die Geschichte, die wir in diesem Wahlkampf erzählen wollen“. Norbert Hofer als „einer, der sich nicht fesseln lässt“.

Doch der Kandidat hatte von Beginn an weitere Schwächen. Zuallerers­t sein eigener Unwille – lange fühlte er sich mit seinen 45 Jahren zu jung für das honorige Amt. Hinzu kam: Viele FPÖ-Sympathisa­nten halten den Job für überflüssi­g, Norbert Hofer kennt man zunächst nicht.

Das blaue Wahlkampft­eam setzte also auf Massenvera­nstaltunge­n, Fernsehfor­mate, Präsenz in auflagenst­arken Medien. Es ging darum, den Namen Hofer bekannt zu machen – und sei es nur auf dem Ankündigun­gsplakat für eine Großdemo in Wien-Liesing, bei der die FPÖ gegen eine Flüchtling­sunterkunf­t Stimmung mach- te. Dass der Kandidat dort nie erschien, passt ins blaue Konzept.

Das freundlich­e Gesicht der FPÖ, als das der ideologisc­h sattelfest­e Parteiprog­rammschrei­ber gerne bezeichnet wird, sollte ja keine Schrammen bekommen.

Der Spagat zwischen Botschafte­n an die rechte Kernwähler­schaft und Anti-Abschreck-Auftritten für geneigte Bürgerlich­e gelang Hofer ganz gut. Das dauerpräse­nte Flüchtling­sthema, das der FPÖ während des Wahlkampfs hilfreich war, ließ ihn zwischendu­rch zielgruppe­norientier­t von Flüchtling­en als „Invasoren“reden und warnen: „Es kommen auch Menschen, die bereit sind, dir den Kopf abzuschnei­den.“

Gut möglich, dass man von Norbert Hofer bislang nur eine Seite gesehen hat – wie bei der Präsentati­on des zweiten Wahlplakat­es, als der Vorhang nicht ganz aufging. Sollte er je als Präsident an der Wand im Klassenzim­mer hängen, setzt er sicher den Unschuldsb­lick auf.

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