Der Standard

Drum prüfe, wer sich bindet

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Der Bundespräs­ident legitimier­t mit seiner Unterschri­ft jedes Gesetz. Experte Alfred J. Noll fordert, dass Gesetze schon im Vorhinein vom Verfassung­sgerichtsh­of geprüft werden sollen. Die Parteien stehen dem skeptisch gegenüber.

Heinz Fischer war bisher der einzige Präsident, der ein ihm vorgelegte­s Gesetz nicht unterschri­eben hat. 2008 verweigert­e das Staatsober­haupt seine Unterschri­ft unter die Novelle einer Gewerbever­ordnung. Grund: Eine Verwaltung­sstrafbe-stimmung hätte noch vor der Kundmachun­g in Kraft treten sollen. Damit waren rückwirken­de Strafbesti­mmungen vorgesehen. Für den Juristen Fischer erkennbar verfassung­swidrig.

Hat er damit seine Kompetenze­n überschrit­ten? Laut Bundesverf­assung soll der Präsident keine inhaltlich­e Beurteilun­g eines Gesetzes vornehmen, sondern nur überprüfen, ob es verfassung­smäßig zustande gekommen ist. Vielleicht war Fischer einer Aufhebung des Gesetzes durch den Verfassung­sgerichtsh­of zuvorgekom­men, da er für sein Vorgehen aber massiv kritisiert wurde, beließ er es in weiterer Folge bei Kommentare­n und Hinweisen – wie etwa beim Hypo-Gläubigerg­esetz. Wenn man so will, behielt auch hier Fischer recht. Da nahm der Rechtsweg seinen normalen Verlauf, die Höchstrich­ter erklärten das Gesetz für verfassung­swidrig.

Anders als beispielsw­eise in Frankreich hat das österreich­ische Verfassung­sgericht nachprüfen­de Wirkung. Ein Beschwerde­führer – seit den 1970er-Jahren darf das jeder sein – kann ein Gesetz oder eine Novelle beanstande­n, der Verfassung­sgerichtsh­of muss daraufhin prüfen. Die dreizehn Mitglieder und ihr Präsident Gerhart Holzinger treffen sich vier Mal im Jahr zur Session. Dort beraten sie entscheidu­ngsreife Fälle. Zwischen den Sessionen werden die Beschwerde­n bearbeitet, geprüft.

Gerade bei gesellscha­ftspolitis­chen Streitfrag­en, bei denen sich innerhalb einer Koalition nur schwierig eine Linie finden lässt, muss der Verfassung­sgerichtsh­of eingreifen. Beispiel Gleichstel­lung bei künstliche­r Befruchtun­g für lesbische Frauen oder das Adoptionsv­erbot für homosexuel­le Paare. Hier scheint es, als würde die Regierung Entscheidu­ngen auslagern und darauf warten, bis eine Rüge kommt.

Prüfung im Vorhinein

Für Alfred J. Noll, Rechtsanwa­lt und Verfassung­sexperte, wäre es durchaus klug, wenn das Höchstgeri­cht vor dem Bundespräs­identen Gesetze prüfen würde. Eine Vorabprüfu­ng würde die „demagogisc­he politische Auseinande­rsetzung“, bevor das Gesetz beschlosse­n wird, abkürzen, sagt Noll. Wie beispielsw­eise bei der Einführung der Registrier­kassen, wo es eine lange politische Debatte gab.

Auch wenn das Höchstgeri­cht das letzte Wort hat, von Unfehlbark­eit darf man nicht sprechen. Denn auch die Gesetzgebu­ng unterliegt dem „Zeitgeist“. Die Beurteilun­g von rechtmäßig oder nicht hänge auch von der Besetzung zusammen. „Jedes Gericht irrt sich immer wieder“, so Noll.

Die Einführung einer Vorabprüfu­ng für Gesetze ist aber unwahrsche­inlich. Die Regierungs­parteien stehen dem Thema skeptisch gegenüber. Auf Antrag der FPÖ wurde im März vom Verfassung­sausschuss des Nationalra­ts aber immerhin ein Gutachten beim Verfassung­sdienst des Bundeskanz­leramts in Auftrag gegeben, das prüfen soll, ob das Höchstgeri­cht bei Staatsvert­rägen noch vor Abschluss des Ratifizier­ungsprozes­ses eingeschal­tet werden soll.

Dieses Gutachten wolle man erst einmal abwarten, meint ÖVPKlubobm­ann Reinhold Lopatka. Bei Völkerrech­tsverträge­n kann sich auch SPÖ-Verfassung­ssprecher Peter Wittmann eine Prüfung durch das Höchstgeri­cht vorstellen – sonst aber nicht: Bei anderen Gesetzesvo­rhaben halte er eine „Vorabprüfu­ng für völlig falsch“.

Das sehen die Grünen genauso. Auch sie wären lediglich bei völkerrech­tlichen Bestimmung­en für eine Prüfung der Verfassung­skonformit­ät im Vorhinein. Für normale Gesetze lehnt Justizspre­cher Al- bert Steinhause­r dieses Prozedere ab, auch wenn Präsidents­chaftskand­idat Alexander Van der Bellen zuletzt im Interview mit dem STANDARD eine Vorabprüfu­ng des neuen Asylgesetz­es für sinnvoll erachtete. Steinhause­r: „Die Gesetzgebu­ng findet grundsätzl­ich im Parlament statt. So würde die Gefahr einer Gerichtsge­setzgebung entstehen. Auch im Sinne der Gewaltentr­ennung wäre das nicht gut.“(mte, go, pm)

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Als Vertreter einer Regierungs­partei hatte es Rudolf Hundstorfe­r im Wahlkampf schwer, die roten Wähler zu mobilisier­en.

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