Der Standard

Eine Art Queen von Volkes Gnaden

- Lisa Nimmervoll

Der mächtigste ist wohl Barack Obama. In Europa kommt kein anderes Staatsober­haupt an die Machtfülle des französisc­hen heran. Der Präsident in Österreich darf repräsenti­eren und gut zureden – ein kleiner König der Republik.

Präsident ist Präsident ist Präsident? Weit gefehlt. Staatsober­haupt ist nicht gleich Staatsober­haupt. Wer formell an der Spitze eines Landes steht, hat sehr unterschie­dlich große Handlungss­pielräume, je nach dem politische­n System, das diese Rolle definiert. Wo also steht das österreich­ische Staatsober­haupt im Vergleich mit anderen?

Nun, er – oder demnächst vielleicht sie – ist vor allen Dingen eine Repräsenta­tionsfigur, eine politische „Reserve“für Krisenzeit­en, eine Art Regenschir­m für politische Schlechtwe­tterlagen: „Wenn der Alltag nicht mehr funktio- niert, dann ist das Staatsober­haupt gefragt“, sagt Verfassung­sjurist Theo Öhlinger im STANDARDGe­spräch.

Das steht in klarem Gegensatz zu wirklich mächtigen Präsidente­n. Legt man diesen Maßstab an, dann ist wohl der Präsident der USA (vier Jahre Amtszeit, eine Wiederwahl erlaubt) der mächtigste Präsident der Welt – wohlgemerk­t, der demokratis­ch verfassten. Barack Obama ist Staatsober­haupt, Regierungs­chef und Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te.

In Europa hat der auch volksgewäh­lte französisc­he Staatspräs­ident eine herausrage­nde Machtfülle. François Hollande kann maximal zwei aufeinande­rfolgende Perioden zu je fünf Jahren amtieren. Bis 2002 dauerte eine Amtszeit sieben Jahre, die Zahl der Wiederwahl­en war nicht begrenzt.

Zu den meisten anderen Staatsober­häuptern Europas, zum Beispiel in Deutschlan­d (von der Bundesvers­ammlung für fünf Jahre und eventuell eine anschließe­nde Periode gewählt) oder Italien (vom Parlament und Vertretern der Regionen für eine siebenjähr­ige Amtszeit gewählt), besteht eine recht hohe Ähnlichkei­t im Hinblick auf die Amtsdefini­tion, sagt der Experte für vergleiche­ndes Verfassung­srecht.

Heinz Fischer hat die für Österreich in der Verfassung erlaubte Höchstdaue­r an der Spitze des Staates durchgedie­nt, nämlich zweimal sechs Jahre. Von der Handlungsm­acht eines François Hollande etwa ist er aber weit entfernt: „Im Alltag der Politik kann der Präsident in Österreich gar nichts machen. Gut zureden kann er“, erklärt Öhlinger. Das Gewicht des präsidenti­ellen Wortes ergibt sich daraus, dass er, der vom Volk direkt gewählt ist, quasi durch das Volk für das Volk spricht.

„Einladunge­n“an die Regierung ausspreche­n, etwa wie zuletzt in der Flüchtling­sfrage, kann er oder sie auch: Dann müssen Kanzler und Konsorten zwar etikettege­recht antanzen, aber: „Der Kanzler kann danach sagen: Ja, schön und gut, aber ich mach das nicht.“Und dann kann der Bundespräs­ident genau gar nichts dagegen machen.

Ist Österreich­s Staatsober­haupt stark oder schwach? Das sei hier nicht das richtige Begriffspa­ar, meint der Jurist: „Er hat eine Legitimati­on, die ihn über den Alltag der Politik hinaushebt, aber er hat keine konkreten Machtbefug­nisse. Er ist nicht schwach, wenn es darauf ankommt, er ist aber auch nicht stark, dass er etwa sagen könnte, die Gesamtschu­le muss eingeführt werden. Der französisc­he Präsident kann das sehr wohl.“Dieser ist nicht nur Heeresober­befehlshab­er, sondern auch Vorsitzend­er des Ministerra­ts.

Ironischer­weise ist das Amt des Bundespräs­identen am ehesten vergleichb­ar mit der Position der britischen Queen Elizabeth. Wie das? Just in der Hofburg, der ehemaligen Residenz der Habsburger, residiert ein kleiner König der Republik oder eine Art „Volkskaise­r“? Das kommt fast hin, meint Öhlinger. „Mit der Queen hat der Bundespräs­ident tatsächlic­h viele Ähnlichkei­ten, weil er durch die Direktwahl eine sehr hochgestoc­hene Legitimati­on hat – durch das Volk –, vergleichb­ar mit der von Gott abgeleitet­en Legitimati­on der Queen. Faktisch ist er ein biss- chen stärker als sie, wenn es um reale Aktionen geht.“

Eine dieser Realien hat fast monarchisc­he Züge und ist ein Erbe, das früher nur „durch Begünstigu­ng des Landesfürs­ten“zu bekommen war: Der Bundespräs­ident darf bis heute aus uneheliche­n Kindern eheliche machen. Dieses Gnadenrech­t der Legitimati­on hat Heinz Fischer in seinen zwölf Amtsjahren fünfmal zugestande­n, zuletzt im Jahr 2015.

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Als habilitier­ter Verfassung­sjurist wüsste ÖVP-Kandidat Andreas Khol sehr genau, was er als Bundespräs­ident tun dürfte und was nicht.

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