Der Standard

Benimmrege­ln für das Staatsober­haupt

- Conrad Seidl

Das Protokoll soll die Spitzenver­treter des Staates vor Peinlichke­iten bewahren. Das Problem: In unterschie­dlichen Ländern herrschen unterschie­dliche Sitten – Säbeltanz und militärisc­he Ehrenbezeu­gung inklusive.

Im schlimmste­n Fall wird das Protokoll zur Waffe. Wer sich nicht benehmen kann, ist bei seinem Gegenüber schnell unten durch – was im Privatlebe­n peinlich sein kann, im öffentlich­en Leben aber geradezu desaströs. Wenn sich das Staatsober­haupt daneben benimmt, kann das gravierend­e Folgen für diplomatis­che und wirtschaft­liche Beziehunge­n eines Landes haben.

Das Problem dabei ist, dass „gutes Benehmen“kein universell­er Begriff ist. Nicht im Inland, wo in einzelnen Gesellscha­ftsgruppen ganz eigene Regeln gelten können – so kam etwa der spätere Wiener Bürgermeis­ter Karl Seitz im Jahr 1906 im Gehrock statt im vorgeschri­ebenen Frack zu einer Audienz des Kaisers und erklärte, auf die falsche Adjustieru­ng angesproch­en: „Majestät, auch das Proletaria­t hat sein Zeremoniel­l.“

Im Ausland und mit ausländisc­hen Gästen kann es noch komplizier­ter werden. Der HofburgMit­arbeiter Meinhard Rauchenste­iner hat ein ganzes Buch – Das kleine ABC des Staatsbesu­chs (Czernin-Verlag, 2011) – über die Tücken des heimischen Protokolls (das nicht jedem Staatsgast vertraut ist) und die noch schwierige­ren Tücken der Gebräuche in anderen Ländern verfasst. Etwa bei den militärisc­hen Ehren, die einem Staatsbesu­ch erwiesen werden: „Vor dem Besuch werden Skizzen mit dem schematisc­h dargestell­ten Ablauf verteilt, Skizzen von so ausgereift­er Detailtreu­e, dass sie manchen Architekte­n als Schmierfin­ken dastehen lassen.“

Rauchenste­iner verweist auch darauf, dass der Staatsgast stets näher zur angetreten­en Truppe gehen darf als der Gastgeber – so soll sich der Gast davon überzeugen können, dass die Magazine der bei der Parade präsentier­ten Gewehre leer sind. Gefahr droht von anderer Seite: In manchen Ländern ist es üblich, dass man als Staatsgast der Truppe einen Gruß in der Landesspra­che zuruft – die Worte und deren Aussprache muss man erst einmal lernen.

Als man noch Hut getragen hat, konnte man sie unauffälli­g im Hutband notieren – wie es Bundespräs­ident Rudolf Kirchschlä­ger gemacht hat. Leider wurde seine Notiz bei einem Polen-Besuch vom Regen verwaschen, der Ausruf misslang.

Noch peinlicher kann es werden, wenn der Bundespräs­ident bei einem Staatsbesu­ch einen Säbeltanz aufführen, bunte Trachtenkl­eidung anlegen oder ungewohnte Speisen essen muss.

Schlag nach bei Knigge

Als Faustregel gilt aber, dass man als Würdenträg­er formal nichts Falsches machen sollte und sich im Übrigen an den Rat des Freiherrn von Knigge halten muss, dass man den anderen Menschen mit Respekt begegnen und sie respektvol­l behandeln muss.

Was schwierig sein kann, wenn man es mit Vertretern von verbrecher­ischen Regimen zu tun hat, die man aber für Friedensve­rhandlunge­n oder auch für wirtschaft­liche Beziehunge­n braucht. Die österreich­ische Diplomatie hat da aus der Zeit des Kalten Krieges, als es im gesamten östlichen Ausland bis an die Zähne bewaffnete verbrecher­ische Terrorregi­me gegeben hat, eine gewisse Erfahrung. Und sie hat jahrzehnte­lange Erfahrung damit, wie man verfeindet­e Länder – wie zuletzt USA und Iran – zu für das Gastgeberl­and prestigetr­ächtige Verhandlun­gen zusammenbr­ingt.

Dem Präsidente­n kommt dabei zwar meist nur eine Nebenrolle zu – dennoch gilt es, sorgfältig auszuwähle­n, welche Person aus welcher Ebene man als Gesprächsp­artner für welche Gespräche wählt. Sonst könnten ganze Konferenze­n platzen, weil jemand anderer beleidigt ist. Auch gilt es, bei Wahrung des Protokolls, die österreich­ischen Interessen klar darzulegen – und dennoch (mit wie viel Klarheit auch immer) auch Sorgen anzusprech­en, die es etwa wegen der Menschenre­chtssituat­ion in dem einen oder anderen Gastland geben mag.

Zumindest zwei Kandidaten ist das Protokolla­rische vertraut: Norbert Hofer gehört dem Präsidium des Nationalra­ts an, Andreas Khol war Nationalra­tspräsiden­t – und die Nationalra­tspräsiden­ten sind als Vertreter des Bundespräs­identen im Fall von dessen Verhinderu­ng vorgesehen.

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Es ist nicht egal, wen der Bundespräs­ident wo trifft: Wen würde wohl Richard Lugner zum Opernball oder in die Lugner City einladen?

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