Authentizität als Wahlkampfstrategie
Van der Bellen setzt auf Van der Bellen und eine Verbreiterung der Wählerschaft
Sie laufen für ihn, sie werben für ihn, und sie tragen mehr oder weniger sämtliche Kosten. Dennoch will der Kandidat von der Partei dieser Tage wenig wissen. Konsequent gibt Alexander Van der Bellen den unabhängigen Kandidaten – obwohl ohne die Grünen nichts ginge und er selbst jahrelang deren Parteichef war. Auch wenn sich einige Parteifreunde über diese zur Schau gestellte Autonomie ärgern: Dem Auftritt von Van der Bellen hat diese Strategie gutgetan.
Die Rechnung seines Wahlkampfmanagers Lothar Lockl, selbst langjähriger hoher Parteimitarbeiter, ist simpel: Für einen Nationalratswahlerfolg der Grünen braucht es ein paar Hunderttausend Stimmen, um Bundespräsident werden zu können, hingegen ein Vielfaches mehr. Daher zielt die Strategie seines Teams darauf ab, eine möglichst breite, sehr unterschiedliche Wähler- schaft anzusprechen. Das Asset der Kampagne ist der Kandidat selbst. Van der Bellen zieht – bei Linken wie auch tief hinein ins bürgerliche Milieu.
Die Fernsehduelle hat der Kandidat routiniert gemeistert, gröbere Patzer wurden vermieden. Nur mit der Ansage, FPÖ-Chef HeinzChristian Strache auch dann nicht mit einer Regierungsbildung zu beauftragen, wenn die FPÖ stärkste Partei würde, hat Van der Bellen durchaus irritiert.
Verantwortlich für die Werbelinie ist Martin Radjaby-Rasset, einst Grünen-Kommunikationschef. Als Geschäftsführer der Werbeagentur Jung von Matt / Donau hat er diese ganz auf den „Sascha“zugeschnitten. Viele der affichierten Aussagen stammen direkt vom Kandidaten, auch dass der Begriff „Heimat“vorkommt, ist auf Van der Bellen zurückzuführen. Warum der Rechten den Heimatbegriff überlassen, heißt es. Es ist ein Versuch, stärker ins bürgerliche Lager auszustrahlen. So professionell die Plakate gestaltet sind, so einprägsam sind auch die Videospots – Welten trennen diese von manchen Konkurrenzprodukten.
Ob es am Ende reichen wird? Wie früher als Parteichef ist Van der Bellen Umfragekaiser. Viele Werbemittel für die erhoffte Stichwahl sind jedenfalls schon fertig produziert. Zieht Van der Bellen als Sieger in die Hofburg ein, hat sich die Parteiabstinenz gelohnt. Dann wäre er aber doch der erste grüne Bundespräsident.