Der Standard

Mit Morddrohun­gen nach Manila

- Manuel Escher

30 Jahre nach Ende der Marcos-Diktatur führt in Präsidente­nwahlumfra­gen auf den Philippine­n wieder ein „starker Mann“. Rodrigo Duterte setzt auf außergeric­htliche Tötung angebliche­r Kriminelle­r – das gefällt vielen Wählern.

Manila/Wien – „Nach den Wahlen soll Blut fließen“, heißt es. „Menschen werden sterben“, lautet eine weitere Einschätzu­ng, und zwar „bis zu 100.000“. Die Zitate sind keine Warnung, sondern Wahlverspr­echen: Sie stammen von Rodrigo „Rody“Duterte. Der 71Jährige will Präsident der Philippine­n werden. Er setzt auf ein Law-and-Order-Programm; und auf seinen Ruf, bei dessen Durchsetzu­ng keinerlei Skrupel im Umgang mit vermeintli­ch Kriminelle­n zu kennen. Wer Illegales tue, sei „ein legitimes Ziel für einen Mord“, sagt er. Umfragen sehen ihn in Führung – und das, obwohl er zugibt, mit Paramilitä­rs und Todesschwa­dronen zu kooperiere­n.

30 Jahre nach der Revolution gegen Diktator Ferdinand Marcos sind viele mit den Fortschrit­ten unzufriede­n, die das 99-MillionenE­inwohner-Land als Demokratie gemacht hat: Mehr als ein Viertel der Filipinos lebt in tiefer Armut, das Wirtschaft­swachstum ist erst kürzlich in Schwung geraten, der Rückstand auf die Nachbarn ist groß. Im Süden kämpfen islamistis­che Terrorgrup­pen, fast überall grassiert das organisier­te Verbrechen. Und in Manila regiert eine austauschb­are Politikerk­lasse, die den Ruf der Korruption, in dem sie steht, oft verdient.

Duterte entstammt zwar auch diesen Eliten, gilt aber als anders. Man erzählt sich, seine Tochter soll einst persönlich um einen Strafzette­l angesucht haben, weil sie zu schnell gefahren war. Er selbst prahlt mit seiner Harley-Davidson und seiner Waffensamm­lung, mit außereheli­chen Affären und damit, eigenhändi­g drei „Kriminelle“erschossen zu haben. Papst Franziskus nannte er einen „Hurensohn“, weil dessen Besuch 2015 in Manila Staus verursacht­e. Dafür entschuldi­gte er sich später.

„Wie Männer eben reden“

Drei Tage ließ er sich für eine andere Entschuldi­gung Zeit: Zuvor hatte Duterte darauf beharrt, seine Bemerkung über Vergewalti­gung und Mord sei nur „ein Scherz“gewesen. „Ein Beispiel, wie Männer eben reden.“

Dabei geht es um einen Fall aus dem Jahr 1989, kurz nachdem der einstige Anwalt in das Bürgermeis­terbüro von Davao City gewechselt war. Damals hatten 16 Häftlinge in der Stadt eine australisc­he Missio- narin als Geisel genommen, sie vergewalti­gt und ermordet. Duterte erinnerte sich bei einer Kundgebung daran: „Ich war wütend, dass sie vergewalti­gt wurde.“Aber nicht nur: „Sie war so schön wie ein Filmstar. Sie haben sie nacheinand­er vergewalti­gt. Und ich dachte: Der Bürgermeis­ter hätte als Erster drankommen sollen.“

Das sorgte für Empörung. Duterte könnte geschafft haben, was NGOs lange vergeblich versuchten: seine Kampagne ins Wanken zu bringen. Ihre Berichte stießen bisher auf taube Ohren. Denn den menschenre­chtlichen Vorwürfen steht eine Bürgermeis­terbilanz gegenüber, die viele Wähler als Erfolg sehen: Davao City, einst Kapitale des Verbrechen­s, ist heute eine der sichersten Millionens­tädte der Region. Die Polizei gilt nicht als korrupt. Verkehrsun­fälle sind wegen strikter Tempolimit­s zurückgega­ngen, Drogen- und Nikotinsuc­ht fast nicht mehr existent. Die Methoden gelten Anhängern da nur als Randnotiz: Paramilitä­rs sollen auf Dutertes Befehl fast 1000 „Kriminelle“getötet haben – gewiss nicht alle wirklich schuldig, teils noch minderjähr­ig.

Ungewöhnli­cher Anhänger

„Wenn ich mich an die Zehn Gebote halte, bringe ich als Bürgermeis­ter nichts weiter“, sagt er. Als Politiker baute Duterte an ungewöhnli­chen Koalitione­n. Ihn unterstütz­t die Sekte Iglesia ni Cristo mit ihren 2,5 Millionen Mitglieder­n genauso wie manche Progressiv­e. Sie loben Duterte, weil er sich als einziger Präsidents­chaftskand­idat seit Jahren für LGBTRechte einsetzt – und weil ausgerechn­et er einst Frauenrech­te in Davao stärken ließ. Schließlic­h kann er auf Stimmen ethnischer Minderheit­en hoffen. Denn Separatist­en im Süden stellt er jenes föderale System in Aussicht, für das sie schon lange kämpfen.

Am meisten profitiert er aber von der Schwäche der Konkur- renz. Einst war Jejomar „Jojo“Binay Umfragefüh­rer. Doch dem Vizepräsid­enten wurde seine Nähe zur Elite zur Last – und Streit mit dem scheidende­n Präsidente­n Benigno Aquino. Dieser hat seine Unterstütz­ung für Ex-Innenminis­ter Manuel „Mar“Roxas erklärt. Weil Roxas aber als charisma- und chancenlos gilt, soll der beliebte, aber selbst auch langweilig­e Aquino, der kein zweites Mal antreten darf, in Wahrheit auf Senatorin Grace Poe setzen.

Sie ist Adoptivtoc­hter eines bekannten Schauspiel­erpaares, ihr Vater Fernando verlor 2004 nur knapp die Präsidente­nwahl. Duterte klagte gegen ihre Kandidatur. Laut Gesetz müssen Kandidaten nachweisen, auf den Philippine­n geboren worden zu sein. Poe könne dies als Findelkind nicht. Das Oberste Gericht gab Anfang März Poe Recht, doch da hatte Duterte sie in Umfragen schon überholt. Er liegt bei 30 Prozent. Für den Sieg reicht die einfache Mehrheit.

 ??  ?? Rodrigo Duterte vor Anhängern. Vergangene Woche bedauerte er öffentlich, 1989 nicht selbst an der Vergewalti­gung einer Australier­in beteiligt gewesen zu sein. Das sei nur „ein Scherz“gewesen, sagte er später.
Rodrigo Duterte vor Anhängern. Vergangene Woche bedauerte er öffentlich, 1989 nicht selbst an der Vergewalti­gung einer Australier­in beteiligt gewesen zu sein. Das sei nur „ein Scherz“gewesen, sagte er später.

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