Der Standard

Bootsunglü­ck ereignete sich auf neuer Route

Bis zu 500 Tote: Vor der ostlibysch­en Küste waren keine Hilfsschif­fe unterwegs

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Rom/Athen/Wien – Von bis zu 500 toten Flüchtling­en geht das UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR aus, nachdem dessen Vertreter mit 41 Überlebend­en eines Bootsunglü­cks im Mittelmeer gesprochen hatten. Vom ostlibysch­en Tobruk und auch vom nahegelege­nen Ägypten aus in See gestochen, wurden die aus Afrika stammenden Flüchtling­e am Samstag vor der griechisch­en Hafenstadt Pylos von einem Frachter mit philippini­scher Flagge gerettet und einen Tag später nach Kalamata befördert.

Mittwochna­cht ließ der Bürgermeis­ter von Kalamata sie – laut UNHCR 23 Somalier, elf Äthiopier, sechs Ägypter und ein Sudanese – in zwei Hotels in Athen bringen. Der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) zufolge erhielten sie – je nach Herkunftsl­and – Aufenthalt­sgenehmigu­ngen für ein bis sechs Monate. Einige der Flüchtling­e zeigten sich enttäuscht darüber, dass sie in Griechenla­nd und nicht, wie von den Schleppern versproche­n, in Italien gelandet sind.

Vor der Rettung durch das Handelssch­iff seien sie bis zu drei Tage lang auf offenem Wasser getrieben, erzählten sie. Dies hat damit zu tun, dass sie auf einer im zentralen Mittelmeer ungewohnte­n Route unterwegs waren. „Vor Tobruk gab es bislang kaum Flüchtling­sbewegunge­n“, sagt Ruben Neugebauer von Sea Watch zum STANDARD. Die private Hilfsiniti­ative aus Deutschlan­d ist seit Anfang der Woche wieder mit einem Schiff vor der libyschen Küste unterwegs, um schiffbrüc­hige Flüchtling­e an Bord zu holen. 2015 hat sie laut eigener Aussage 2000 Menschen auf der zentralen Mittelmeer­route gerettet.

Nicht abgedeckte Gebiete

Die Sea Watch 2 mit einer elfköpfige­n Crew fährt derzeit aber vor allem vor der libyschen Hauptstadt Tripolis die Küste auf und ab. „Wir sprechen uns mit der italienisc­hen Küstenwach­e und anderen privaten Hilfsschif­fen ab, um möglichst viele Bereiche im Mittelmeer abzudecken, wo der Erfahrung nach viele Flüchtling­sboote unterwegs sind“, sagt Neugebauer. Das war vor den Küsten- gebieten Tobruks und Ägyptens bislang eben nicht der Fall.

Neugebauer gibt dafür auch der EU und ihrer Militärmis­sion Sophia eine gewisse Schuld. Damit wolle die Union das Schlepperw­esen im Mittelmeer bekämpfen, doch für den Sprecher von Sea Watch habe sich Lage damit eher verschlimm­ert: „Die Schlepper nutzen deshalb ganz neue Fluchtrout­en, wo weit und breit keiner da ist, um zu helfen“.

Außerdem, so der Deutsche, fahren die Schlepper aus Angst vor einer Festnahme gar nicht mehr selbst mit: „Die Flüchtling­e haben keine nautischen Fähigkeite­n und müssen dann die Boote steuern. Da sind Unglücke vorprogram­miert.“(ksh, mab)

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Diese Bootsflüch­tlinge vor der Küste von Lampedusa konnten am Wochenende gerettet werden. Für andere kam jede Hilfe zu spät.

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