Der Datenstick als Moralkeule
Gestohlene Steuerdaten zu kaufen ist für das Finanzministerium ein No-Go. Es fehlt der politische Wille. Dabei gebe es laut Experten keine rechtlichen Ausschlussgründe – nur moralische.
Wien – Verdächtige Steuerdaten sind seit den Panama Papers wieder in aller Munde. Zugespielt werden solche delikaten Informationen aber nicht nur Journalisten, sondern manchmal auch Steuerbehörden. In den vergangenen Jahren haben etwa mehrere deutsche Bundesländer SteuerCDs aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft. Ein einträgliches Geschäft: Die Ausgaben beliefen sich auf einige Millionen Euro, die zusätzlichen Steuereinnahmen – hauptsächlich aufgrund von Selbstanzeigen – aber auf mehrere Milliarden.
Hierzulande ist das Finanzministerium (BMF) hingegen seit Jahren der Auffassung, es gebe keine rechtliche Grundlage für den Ankauf von Steuerdaten. Man müsse nicht aktiv werden, weil Behörden in Deutschland oder anderswo im Zuge der EU-Amtshilfe ohnehin verpflichtet sind, Daten weiterzugeben, heißt es auf Anfrage. Der Fiskus profitiert also von den Daten, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, man mache sich damit zu Komplizen von Kri- minellen. Seit 2010 kam es auf Basis dieser Informationen auch in Österreich zu zahlreichen Selbstanzeigen. Erst in der vergangenen Woche hat das in dieser Hinsicht besonders aktive NordrheinWestfalen Datensätze einer aktuellen Steuer-CD an 27 Staaten geliefert – darunter auch Österreich.
Dass es sich um eine rein moralische und nicht um eine rechtliche Debatte handelt, bestätigt Josef Weixelbaum, stellvertretender Präsident der Rechtsanwaltskammer. Eine gesetzliche Grundlage für den Ankauf lasse sich bei politischem Willen relativ einfach schaffen. Es sei aber Abwägungs- sache, was vorgeht: die Bekämpfung von Steuerbetrug oder das Argument, Diebstahl dürfe unter keinen Umständen gefördert werden. In Deutschland haben Gerichte entschieden, dass das Interesse des Staates an hinterzogenen Steuern schwerer wiegt als der Datenklau.
Gültige Beweismittel
Finanzrechtler Werner Doralt sieht den Staat sogar verpflichtet, gestohlene Steuer-CDs (oder vielmehr längst: Datensticks) zu kaufen. Das sei wie im Fall eines Mitarbeiters, der die Buchhaltung seines Unternehmens den Steuerbe- hörden übergibt, weil er eine strafbare Handlung aufklären will. „Es ist ein Vorwand, zu sagen: ‚Das tut man nicht‘. Sie wollen nur nicht“, so Doralt über das BMF.
Jedenfalls rechtlich gedeckt ist die Verwendung als Beweismittel von Daten, auch wenn sie möglicherweise gestohlen wurden: Ein Verwertungsverbot gibt es nicht. Ob der Dieb bezahlt wird, ist für die rechtliche Beurteilung kein Thema. So wie vielleicht schon bald auch der Ankauf von Steuerdaten – dann nämlich, wenn der geplante automatische Informationsaustausch zwischen internationalen Steuerbehörden Realität wird.