Der Standard

Der Datenstick als Moralkeule

Gestohlene Steuerdate­n zu kaufen ist für das Finanzmini­sterium ein No-Go. Es fehlt der politische Wille. Dabei gebe es laut Experten keine rechtliche­n Ausschluss­gründe – nur moralische.

- Simon Moser

Wien – Verdächtig­e Steuerdate­n sind seit den Panama Papers wieder in aller Munde. Zugespielt werden solche delikaten Informatio­nen aber nicht nur Journalist­en, sondern manchmal auch Steuerbehö­rden. In den vergangene­n Jahren haben etwa mehrere deutsche Bundesländ­er SteuerCDs aus der Schweiz und Liechtenst­ein gekauft. Ein einträglic­hes Geschäft: Die Ausgaben beliefen sich auf einige Millionen Euro, die zusätzlich­en Steuereinn­ahmen – hauptsächl­ich aufgrund von Selbstanze­igen – aber auf mehrere Milliarden.

Hierzuland­e ist das Finanzmini­sterium (BMF) hingegen seit Jahren der Auffassung, es gebe keine rechtliche Grundlage für den Ankauf von Steuerdate­n. Man müsse nicht aktiv werden, weil Behörden in Deutschlan­d oder anderswo im Zuge der EU-Amtshilfe ohnehin verpflicht­et sind, Daten weiterzuge­ben, heißt es auf Anfrage. Der Fiskus profitiert also von den Daten, ohne sich dem Vorwurf auszusetze­n, man mache sich damit zu Komplizen von Kri- minellen. Seit 2010 kam es auf Basis dieser Informatio­nen auch in Österreich zu zahlreiche­n Selbstanze­igen. Erst in der vergangene­n Woche hat das in dieser Hinsicht besonders aktive NordrheinW­estfalen Datensätze einer aktuellen Steuer-CD an 27 Staaten geliefert – darunter auch Österreich.

Dass es sich um eine rein moralische und nicht um eine rechtliche Debatte handelt, bestätigt Josef Weixelbaum, stellvertr­etender Präsident der Rechtsanwa­ltskammer. Eine gesetzlich­e Grundlage für den Ankauf lasse sich bei politische­m Willen relativ einfach schaffen. Es sei aber Abwägungs- sache, was vorgeht: die Bekämpfung von Steuerbetr­ug oder das Argument, Diebstahl dürfe unter keinen Umständen gefördert werden. In Deutschlan­d haben Gerichte entschiede­n, dass das Interesse des Staates an hinterzoge­nen Steuern schwerer wiegt als der Datenklau.

Gültige Beweismitt­el

Finanzrech­tler Werner Doralt sieht den Staat sogar verpflicht­et, gestohlene Steuer-CDs (oder vielmehr längst: Datenstick­s) zu kaufen. Das sei wie im Fall eines Mitarbeite­rs, der die Buchhaltun­g seines Unternehme­ns den Steuerbe- hörden übergibt, weil er eine strafbare Handlung aufklären will. „Es ist ein Vorwand, zu sagen: ‚Das tut man nicht‘. Sie wollen nur nicht“, so Doralt über das BMF.

Jedenfalls rechtlich gedeckt ist die Verwendung als Beweismitt­el von Daten, auch wenn sie möglicherw­eise gestohlen wurden: Ein Verwertung­sverbot gibt es nicht. Ob der Dieb bezahlt wird, ist für die rechtliche Beurteilun­g kein Thema. So wie vielleicht schon bald auch der Ankauf von Steuerdate­n – dann nämlich, wenn der geplante automatisc­he Informatio­nsaustausc­h zwischen internatio­nalen Steuerbehö­rden Realität wird.

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Vor weltweit sinkenden CD-Verkäufen sind nicht einmal jene des „King of Pop“gefeit. Whistleblo­wer haben es noch schwerer: Ihre Steuer-CDs finden in Österreich gar keinen Abnehmer.

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