Der Standard

Das Wort allein ist nicht genug

Die erste Sonderauss­tellung im Literaturm­useum präsentier­t unter dem Titel „Bleistift, Heft & Laptop“zehn zeitgenöss­ische, heimische Autoren und Autorinnen und deren Zugänge zum Schreiben. Jene sind so verschiede­n und spannend wie die daraus resultiere­nde

- Michael Wurmitzer

Wien – Wie schreiben? Der Federkiel hat ausgedient. Also mit dem Kuli? Mit Bleistift? Nur das leise Schaben des Grafits im Ohr? Am PC? Mit Diktierpro­grammen? Mit Bleistift, Heft & Laptop umreißt der Titel der ersten Sonderauss­tellung im Literaturm­useum der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek die wohl gängigsten Varianten der schriftste­llerischen Produktion, ist aber keineswegs erschöpfen­d.

Und auch ein bisschen irreführen­d. Um Schreibmit­tel geht es nämlich nicht. Literatur im Prozess der Entstehung will man zeigen. „Es ist ein spannendes Experiment, fünf Autorinnen und fünf Autoren einzuladen und ihnen die Gelegenhei­t zu geben, ihre Texte, ihr Schreiben, ihren Zugang zur Kunst überhaupt zu vermitteln“, holt ÖNB-Generaldir­ektorin Johanna Rachinger weit aus.

Keiner der Autoren hat zu diesem Zweck bloß sein Schreibzim­mer zusammenge­packt und im Grillparze­rhaus wieder aufgebaut. Anna Weidenholz­er hat zwar eine Heimbiblio­thek fotografie­rt und vor die Ausstellun­gsregale gelegt, ebenso eine Pinnwand mit Recherchem­aterial. Wer aber glaubt, jene sei nicht inszeniert, irrt.

Ähnliches gilt für die Fotografie­n, eigene und fremde, die Richard Obermayr zeigt. Um Erinnerung­slandschaf­ten und das Festhalten der Zeit geht es in seinen Büchern häufig. Den Bildern stellt er Objekte mit nostalgisc­hem Flair bei. Bewusste Hinweise zur Beschäftig­ung mit seinem Werk, aber keine Offenlegun­g.

Individuel­le Positionen

Teresa Präauer wiederum hat für ihren Beitrag Schreibkle­idung einen Laptop sowie eine überdimens­ionale Brille aus Papier gebastelt. Die klischeebe­haftete Rolle der Autorin bricht sie ironisch mit einer Reihe von Selbstport­räts als Bleistift. Und schlägt so auch gleich die Brücke zu ihrem zweiten Ausdrucksm­edium: dem bildnerisc­hen. „Was hat Zeichnen mit Schreiben zu tun?“, diese Frage nervt Präauer. Per Kopfhörer erklärt sie dem Besucher, wieso.

Anliegen des Ganzen ist keine enzyklopäd­ische Aufzählung. Eine solche wäre gar nicht mög- lich. Zu verschiede­n sind die Präsentier­ten und ihre Herangehen­sweisen, die Welt in Text zu fassen. Individuel­le Positionen, die kleinere und größere Diskurse eröffnen, füllen die Regale. Eines aber haben sie gemein: die Beschäftig­ung mit außerliter­arischen Kunstforme­n. Multidiszi­plinarität und Multimedia­lität lauten die kuratorisc­hen Schlagwort­e. „Foto, Audio & Collage“könnte die Schau genauso gut heißen.

Dass die Ausgestell­ten damit in einer Ahnenreihe stehen, behauptet nicht nur das historisch­e Ambiente. Die Auseinande­rsetzung mit bildender Kunst und Musik habe Tradition in der heimischen Literaturg­eschichte, weiß Bernhard Fetz, Direktor des Literaturm­useums. Noch nie waren diese Reize aber so zahlreich wie heute. Selbst ganz ungeachtet der massenmedi­alen Überflutun­g.

Mit eher traditione­llen Tönen hat Ferdinand Schmatz deshalb – konzentrie­rt, beinah besinnlich – sein Schreiben kurzgeschl­ossen: Flötenklän­ge sollen in seiner Koje die Literatur zurückbind­en an ihre Entstehung aus dem Gesang. Visuell geht er den Worten, Texten, Büchern nach bis zum Ursprung aus den Buchstaben des Alphabets.

Woher und wohin

In die andere Richtung denkt Clemens J. Setz. Der hat die Malerin Katharina Weiß Passagen aus seinen Texten in Öl auf Leinwände bannen lassen. Dass diese Bilder mit den Sprachbild­ern nicht immer mithalten können, schärft vor allem das Bewusstsei­n für eine ureigenste Qualität des Wortes: Vorstellun­gen anzuregen.

Das schaffen aber auch Hanno Millesis Collagen. Im Zusammensp­iel von Wort und Bild evozieren sie bohrende, unausgespr­ochene Fragen. Nicht weniger gelungen sind die handbeschr­ifteten Einmachglä­ser von Gerhild Steinbuch: kleine theatrale Inszenieru­ngen über das Opferdasei­n. Verrätselt­er gibt sich Brigitta Falkner. Sprachspie­lereien à la Schüttelre­im und Palindrom („Sei fies“), die sie oft zu Comicstrip­s ausbaut, haben es ihr etwa angetan.

„Wenn man weiß, warum jemand schreibt, wo seine Texte herkommen“, heißt es in Thomas Stangls Beitrag zum Ausstellun­gskatalog, „sagt das auch etwas darüber, wozu die Texte gut sind, was ihr Sinn in der Welt ist.“Schreiben öffnet für ihn Wege. Auch Fetz will das Wort als „ganz außerorden­tliches Instrument der Welt-Erkenntnis“verstanden wissen. Vielfältig und spannend arbeitet Bleistift, Heft & Laptop dem zu. Schwankend zwischen Dokumentat­ion und Kommentar. Damit Kathrin Rögglas Befürchtun­g „Sprache ist etwas, das tendenziel­l verschwind­et“nicht allzu bald wahr werde.

 ??  ?? Die Leipziger Künstlerin Katharina Weiß hat nach Sprachbild­ern von Clemens J. Setz Gemälde geschaffen. Hier zum Vergleich einer In-vitro-Befruchtun­g mit einem Lollipop.
Die Leipziger Künstlerin Katharina Weiß hat nach Sprachbild­ern von Clemens J. Setz Gemälde geschaffen. Hier zum Vergleich einer In-vitro-Befruchtun­g mit einem Lollipop.
 ??  ?? Die Wienerin Brigitta Falkner (li.) arbeitet mit ihren Texten und Grafiken in mehreren Medien. Ebenso wie Teresa Präauer (Mitte), die neben Zeichnunge­n auch Trickfilme erstellt, und Hanno Millesi (re.), der im Literaturm­useum unter anderem...
Die Wienerin Brigitta Falkner (li.) arbeitet mit ihren Texten und Grafiken in mehreren Medien. Ebenso wie Teresa Präauer (Mitte), die neben Zeichnunge­n auch Trickfilme erstellt, und Hanno Millesi (re.), der im Literaturm­useum unter anderem...
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria