Das Wort allein ist nicht genug
Die erste Sonderausstellung im Literaturmuseum präsentiert unter dem Titel „Bleistift, Heft & Laptop“zehn zeitgenössische, heimische Autoren und Autorinnen und deren Zugänge zum Schreiben. Jene sind so verschieden und spannend wie die daraus resultierende
Wien – Wie schreiben? Der Federkiel hat ausgedient. Also mit dem Kuli? Mit Bleistift? Nur das leise Schaben des Grafits im Ohr? Am PC? Mit Diktierprogrammen? Mit Bleistift, Heft & Laptop umreißt der Titel der ersten Sonderausstellung im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek die wohl gängigsten Varianten der schriftstellerischen Produktion, ist aber keineswegs erschöpfend.
Und auch ein bisschen irreführend. Um Schreibmittel geht es nämlich nicht. Literatur im Prozess der Entstehung will man zeigen. „Es ist ein spannendes Experiment, fünf Autorinnen und fünf Autoren einzuladen und ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre Texte, ihr Schreiben, ihren Zugang zur Kunst überhaupt zu vermitteln“, holt ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger weit aus.
Keiner der Autoren hat zu diesem Zweck bloß sein Schreibzimmer zusammengepackt und im Grillparzerhaus wieder aufgebaut. Anna Weidenholzer hat zwar eine Heimbibliothek fotografiert und vor die Ausstellungsregale gelegt, ebenso eine Pinnwand mit Recherchematerial. Wer aber glaubt, jene sei nicht inszeniert, irrt.
Ähnliches gilt für die Fotografien, eigene und fremde, die Richard Obermayr zeigt. Um Erinnerungslandschaften und das Festhalten der Zeit geht es in seinen Büchern häufig. Den Bildern stellt er Objekte mit nostalgischem Flair bei. Bewusste Hinweise zur Beschäftigung mit seinem Werk, aber keine Offenlegung.
Individuelle Positionen
Teresa Präauer wiederum hat für ihren Beitrag Schreibkleidung einen Laptop sowie eine überdimensionale Brille aus Papier gebastelt. Die klischeebehaftete Rolle der Autorin bricht sie ironisch mit einer Reihe von Selbstporträts als Bleistift. Und schlägt so auch gleich die Brücke zu ihrem zweiten Ausdrucksmedium: dem bildnerischen. „Was hat Zeichnen mit Schreiben zu tun?“, diese Frage nervt Präauer. Per Kopfhörer erklärt sie dem Besucher, wieso.
Anliegen des Ganzen ist keine enzyklopädische Aufzählung. Eine solche wäre gar nicht mög- lich. Zu verschieden sind die Präsentierten und ihre Herangehensweisen, die Welt in Text zu fassen. Individuelle Positionen, die kleinere und größere Diskurse eröffnen, füllen die Regale. Eines aber haben sie gemein: die Beschäftigung mit außerliterarischen Kunstformen. Multidisziplinarität und Multimedialität lauten die kuratorischen Schlagworte. „Foto, Audio & Collage“könnte die Schau genauso gut heißen.
Dass die Ausgestellten damit in einer Ahnenreihe stehen, behauptet nicht nur das historische Ambiente. Die Auseinandersetzung mit bildender Kunst und Musik habe Tradition in der heimischen Literaturgeschichte, weiß Bernhard Fetz, Direktor des Literaturmuseums. Noch nie waren diese Reize aber so zahlreich wie heute. Selbst ganz ungeachtet der massenmedialen Überflutung.
Mit eher traditionellen Tönen hat Ferdinand Schmatz deshalb – konzentriert, beinah besinnlich – sein Schreiben kurzgeschlossen: Flötenklänge sollen in seiner Koje die Literatur zurückbinden an ihre Entstehung aus dem Gesang. Visuell geht er den Worten, Texten, Büchern nach bis zum Ursprung aus den Buchstaben des Alphabets.
Woher und wohin
In die andere Richtung denkt Clemens J. Setz. Der hat die Malerin Katharina Weiß Passagen aus seinen Texten in Öl auf Leinwände bannen lassen. Dass diese Bilder mit den Sprachbildern nicht immer mithalten können, schärft vor allem das Bewusstsein für eine ureigenste Qualität des Wortes: Vorstellungen anzuregen.
Das schaffen aber auch Hanno Millesis Collagen. Im Zusammenspiel von Wort und Bild evozieren sie bohrende, unausgesprochene Fragen. Nicht weniger gelungen sind die handbeschrifteten Einmachgläser von Gerhild Steinbuch: kleine theatrale Inszenierungen über das Opferdasein. Verrätselter gibt sich Brigitta Falkner. Sprachspielereien à la Schüttelreim und Palindrom („Sei fies“), die sie oft zu Comicstrips ausbaut, haben es ihr etwa angetan.
„Wenn man weiß, warum jemand schreibt, wo seine Texte herkommen“, heißt es in Thomas Stangls Beitrag zum Ausstellungskatalog, „sagt das auch etwas darüber, wozu die Texte gut sind, was ihr Sinn in der Welt ist.“Schreiben öffnet für ihn Wege. Auch Fetz will das Wort als „ganz außerordentliches Instrument der Welt-Erkenntnis“verstanden wissen. Vielfältig und spannend arbeitet Bleistift, Heft & Laptop dem zu. Schwankend zwischen Dokumentation und Kommentar. Damit Kathrin Rögglas Befürchtung „Sprache ist etwas, das tendenziell verschwindet“nicht allzu bald wahr werde.