Der Standard

Die Dauerausst­ellung des Literaturm­useums der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek begeht ihren ersten Geburtstag. Auf zwei Stockwerke­n lustwandel­n Besucher durch 250 Jahre österreich­ischer Literatur.

- Anja Krämer

– Es war ein denkwürdig­er Tag, als der Dramatiker Franz Grillparze­r 1832 das k. u. k. Hofkammera­rchiv betrat. Für die nächsten 24 Jahre sollte er dort Herr über 30 Millionen Akten sein – zerrissen zwischen trister Beamtentät­igkeit und schriftste­llerischer Selbstverw­irklichung.

Seit einem Jahr beherbergt jenes Biedermeie­rgebäude in der Johannesga­sse nunmehr das Literaturm­useum der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek. Darin original erhalten und ausgestell­t ist jenes ehemalige Arbeitszim­mer Grillparze­rs. Stimmiger könnte der Standort des Museums nicht gewählt sein.

Rundgang ohne Rund

Dort warten Exponate von über 200 Autorinnen und Autoren, beginnend mit Johann Nestroy und Ferdinand Raimund, aus 250 Jahren österreich­ischer Literaturg­eschichte darauf, vom Besucher entdeckt zu werden. Darunter befinden sich Manuskript­e, Briefe, Fotos, Plakate und in abgedunkel­ten Hörkabinen Lesungen beispielsw­eise von Marlene Streeruwit­z. Ebenso zieht eine Kafka-Lesung in Gebärdensp­rache in ihren Bann.

Außergewöh­nliches und Kurioses wurde zusammenge­tragen. Etwa ein Krauthobel aus der Küchenlade Adalbert Stifters, der Morgenmant­el Heimito von Doderers oder eine Haarlocke von Arthur Schnitzler. Durchaus mit Ironie behaftet sind diese Schaustück­e laut Direktor Bernhard Fetz und lockern das Thema der Literaturv­ermittlung auf.

Korpus statt Kanon

Das Ausstellun­gskonzept wirkt einer Kanondisku­ssion entgegen. Das Inszeniere­n von Brüchen, das Sichtbarma­chen diverser Korrespond­enzen immer im Hinblick auf die Frage „Was ist eigentlich typisch österreich­isch?“ist zwar die Pointe der Präsentati­on, aber der Anspruch auf Vollkommen­heit fehlt ihr.

Das hält die Schau trotz des dichten Programms lebendig. Statt einer strengen Chronologi­e laden thematisch­e Stationen namens „Todesarten“(wo sich Thomas Bernhard und Ingeborg Bachmann treffen) oder „Arbeitswel­ten“(Franz Innerhofer und Peter Handke) dazu ein, unerwartet­e Bezüge herzustell­en.

Die schwer darzustell­ende Vielfalt österreich­ischer Literatur hat da ein einladende­s Zuhause bekommen.

 ??  ?? Johann Nestroy mimt den Schuster Knieriem in „Der böse Geist Lumpacivag­abundus“(um 1860). Wien
Johann Nestroy mimt den Schuster Knieriem in „Der böse Geist Lumpacivag­abundus“(um 1860). Wien
 ??  ?? Original erhalten: Das Grillparze­rzimmer, dessen Namensgebe­r es als Archivdire­ktor zwischen Beamtendas­ein und Poesie umtrieb.
Original erhalten: Das Grillparze­rzimmer, dessen Namensgebe­r es als Archivdire­ktor zwischen Beamtendas­ein und Poesie umtrieb.
 ??  ?? Die handschrif­tliche Fassung von Franz Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“(1938).
Die handschrif­tliche Fassung von Franz Werfels „Die vierzig Tage des Musa Dagh“(1938).

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