Der Standard

Zerrissene Traditione­n

Das Jüdische Museum Hohenems feiert mit mehreren Ausstellun­gen und einem umfangreic­hen Begleitpro­gramm sein 25-Jahr-Jubiläum.

- Gerhard Dorfi

Hohenems – Am 10. April 1991 sperrte das Jüdische Museum Hohenems seine Pforten auf. Das 25-jährige Jubiläum feiert das von Hanno Loewy geleitete Haus mit der Ausstellun­g Übrig, die Einblick in die eigenen Bestände und damit in Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens in Vorarlberg, dem umliegende­n Bodenseera­um sowie in Tirol gewährt. In der damals selbststän­digen Grafschaft Hohenems lebten Juden ab 1617, nach 1688 wurden fast alle Familien aus den habsburgis­chen Gebieten des Ländle ausgewiese­n.

Nachdem im Pogrom von 1744 die Juden aus dem nahegelege­nen Sulz vertrieben wurden, ließen sich viele von ihnen in Hohenems nieder, wodurch die dortige Gemeinde eine größere Bedeutung erlangte, wie die Etablierun­g einer Kultusgeme­inde belegt, die 1939/40 vernichtet wurde. Bekannte Mitglieder waren der Begründer des modernen Synagogeng­esangs, Salomon Sulzer, sowie die Mutter von Stefan Zweig. Nachkommen von Hohenemser Juden leben heute u. a. in den USA, in England, Australien, Frankreich, Belgien, Spanien und Österreich.

Nach 1945 existierte­n in Hohenems jüdische Flüchtling­skolonien, die Orte jüdischen Lebens wurden ebenso wie deren Tradition aber von der offizielle­n Politik negiert und aus der lokalen Geschichts­schreibung ver- bannt. Erste Bemühungen, dies zu ändern, gab es zwar schon in den 1950er-Jahren, aber erst mit der Gründung des Vereins Jüdisches Museum Hohenems nahm die Idee Gestalt an. Architekt Roland Gnaiger adaptierte die Villa Heimann-Rosenthal im ehemaligen jüdischen Viertel, der Historiker Kurt Greussing erstellte daraufhin ein Museumskon­zept und legte mit der Sammlung von Objekten und Dokumenten die Basis für die Dauerausst­ellung Heimat Diaspora sowie für Übrig. Dabei spiegeln die gezeigten Stücke oftmals die Heimatlosi­gkeit, zerrissene­n Traditione­n und historisch­en Umdeutunge­n oder Verleugnun­gen wider. So wurde etwa das Grabmal eines jüdischen Zwangsarbe­iters in Bregenz aus dem Jahr 1945 zweimal von einem Friedhof geraubt und in die Bregenzer Ache ge- worfen. 2014 konnte das Museum mit knapp 18.000 Besuchern einen neuen Rekord verbuchen. Derweil tourt die 2014/15 gezeigte Schau Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhunder­t auf Schellack und Vinyl durch Deutschlan­d, ab Juli wird sie im Jüdischen Museum London zu sehen sein. Zu Übrig (bis 2. 10.) gibt es noch von Mai bis Juli ein umfangreic­hes Begleitpro­gramm. pwww. jm-hohenems.at

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Einen festen Platz im Jüdischen Museum nimmt auch die Kinderauss­tellung ein: Texte und Bilder, ähnlich einem Schattenth­eater, erzählen darin die Geschichte der Hohenemser Juden.

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