Ministerhilfe für Böhmermann
Angela Merkel ermächtigte die Strafverfolgung Jan Böhmermanns wegen Majestätsbeleidigung. Der umstrittene Paragraf könnte nun doch schneller abgeschafft werden als von der Bundeskanzlerin angekündigt.
Berlin – Der umstrittene Majestätsbeleidigungsparagraf 103 könnte doch schneller als erwartet aus dem deutschen Strafgesetzbuch verschwinden. Gleichzeitig mit der Strafermächtigung gegen den TV-Satiriker Jan Böhmermann wegen seiner „Schmähkritik“am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangenen Freitag die Abschaffung des Paragrafen bis 2018 angekündigt. Mit einer Initiative im Bundesrat will nun Nordrhein-Westfalen die sofortige Streichung des von Merkel als „entbehrlich“bezeichneten Delikts erreichen. Erhält der Vorstoß eine Mehrheit, muss der Bundestag abstimmen.
Der Justizminister des Bundeslandes, Thomas Kutschaty, erklärt im Gespräch mit dem STANDARD, dass bei einer Streichung keine Verurteilung Böhmermanns nach Paragraf 103 mehr möglich wäre. „Bei einer Gesetzesänderung kommt das Gesetz zur Anwendung, das für einen Angeklagten am günstigsten ist. Entscheidend ist, ob es noch vor einer gericht- lichen Entscheidung zur Abschaffung des Paragrafen 103 kommt“, sagt der SPD-Politiker, der kein Verständnis für die „Empfindlichkeiten einzelner Regierungschefs“zeigt: „Warum ausländische Staatsoberhäupter durch das deutsche Strafrecht stärker geschützt werden sollen als alle anderen Bürger und Politiker, ist nicht zu verstehen.“Merkel rolle Erdogan den roten Teppich aus, kritisiert Kutschaty.
Der Vorstoß Nordrhein-Westfalens hat die Unterstützung weiterer Bundesländer, auch Hamburg wird in dieselbe Richtung aktiv. Im Bundesrat besteht zurzeit noch eine rot-grüne Mehrheit. Die Bundesregierung gerät durch die Länderinitiative jedenfalls unter Druck: Justizminister Heiko Maas soll einem Bericht zufolge nun einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Paragrafen planen. In der roten Bundestagsfraktion wird die Initiative Kutschatys jedenfalls begrüßt, schließlich hat Merkel die Ermächtigung gegen den Willen der SPD beschlossen.
Sollte Paragraf 103 fallen, bedeutet das jedoch nicht das Ende der Ermittlungen im Fall Böhmermann: Nachdem Erdogan auch einen privaten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt hat, würde dieses Verfahren nach Paragraf 185 weiterlaufen.