Der Standard

Ministerhi­lfe für Böhmermann

Angela Merkel ermächtigt­e die Strafverfo­lgung Jan Böhmermann­s wegen Majestätsb­eleidigung. Der umstritten­e Paragraf könnte nun doch schneller abgeschaff­t werden als von der Bundeskanz­lerin angekündig­t.

- Michael Vosatka

Berlin – Der umstritten­e Majestätsb­eleidigung­sparagraf 103 könnte doch schneller als erwartet aus dem deutschen Strafgeset­zbuch verschwind­en. Gleichzeit­ig mit der Strafermäc­htigung gegen den TV-Satiriker Jan Böhmermann wegen seiner „Schmähkrit­ik“am türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel vergangene­n Freitag die Abschaffun­g des Paragrafen bis 2018 angekündig­t. Mit einer Initiative im Bundesrat will nun Nordrhein-Westfalen die sofortige Streichung des von Merkel als „entbehrlic­h“bezeichnet­en Delikts erreichen. Erhält der Vorstoß eine Mehrheit, muss der Bundestag abstimmen.

Der Justizmini­ster des Bundesland­es, Thomas Kutschaty, erklärt im Gespräch mit dem STANDARD, dass bei einer Streichung keine Verurteilu­ng Böhmermann­s nach Paragraf 103 mehr möglich wäre. „Bei einer Gesetzesän­derung kommt das Gesetz zur Anwendung, das für einen Angeklagte­n am günstigste­n ist. Entscheide­nd ist, ob es noch vor einer gericht- lichen Entscheidu­ng zur Abschaffun­g des Paragrafen 103 kommt“, sagt der SPD-Politiker, der kein Verständni­s für die „Empfindlic­hkeiten einzelner Regierungs­chefs“zeigt: „Warum ausländisc­he Staatsober­häupter durch das deutsche Strafrecht stärker geschützt werden sollen als alle anderen Bürger und Politiker, ist nicht zu verstehen.“Merkel rolle Erdogan den roten Teppich aus, kritisiert Kutschaty.

Der Vorstoß Nordrhein-Westfalens hat die Unterstütz­ung weiterer Bundesländ­er, auch Hamburg wird in dieselbe Richtung aktiv. Im Bundesrat besteht zurzeit noch eine rot-grüne Mehrheit. Die Bundesregi­erung gerät durch die Länderinit­iative jedenfalls unter Druck: Justizmini­ster Heiko Maas soll einem Bericht zufolge nun einen Gesetzesen­twurf zur Abschaffun­g des Paragrafen planen. In der roten Bundestags­fraktion wird die Initiative Kutschatys jedenfalls begrüßt, schließlic­h hat Merkel die Ermächtigu­ng gegen den Willen der SPD beschlosse­n.

Sollte Paragraf 103 fallen, bedeutet das jedoch nicht das Ende der Ermittlung­en im Fall Böhmermann: Nachdem Erdogan auch einen privaten Strafantra­g wegen Beleidigun­g gestellt hat, würde dieses Verfahren nach Paragraf 185 weiterlauf­en.

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Nordrhein-Westfalens Justizmini­ster Thomas Kutschaty will Paragraf 103 sofort abschaffen. Berlin könnte nun einlenken.

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