Österreichs scheinheilige
Der 500-Euro- Schein ist bald Geschichte. Auch wenn sich Österreichs Politik in seltener werden Scheine und Münzen weniger. Über eine Scheindebatte und Risiken
ANALYSE:
Sehr wahrscheinlich wird die Europäische Zentralbank noch im Mai die Weichen für den Abschied vom 500-Euro-Schein stellen. Offiziell ist das nicht. Doch die Experten im EZB-Banknotenausschuss loten intensiv Optionen und mögliche Folgen aus: Was würde es kosten? Wie wäre der Zeitrahmen? Wie viele 100- und 200-Euro-Noten müssten gedruckt werden, um die Summe aufzuwiegen? Ende des Vorjahres waren immerhin 614 Millionen Fünfhunderter im Wert von 306,8 Milliarden Euro im Umlauf. Ein Viertel der Österreicher hatte in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal eine 200- oder 500-Euro-Note in der Hand.
Ist eine Mehrheit im EZB-Rat dafür, wird Europas oberster Notenbanker, EZB-Präsident Mario Draghi, dies verkünden. Ab da wird alles sehr viel undramatischer als all die heftigen Diskussionen davor.
„Bargeld ist Kulturgut“, richtete Rainer Trefelik, als Funktionär der Wiener Wirtschaftskammer für den Handel zuständig, eine flammende Botschaft an – ja, man weiß gar nicht so genau, an wen. Denn etwas anderes zu behaupten getraute sich ohnedies niemand.
Einhellige Ablehnung
Bankenvertreter, Politiker, Notenbank-Chef: Keiner tanzte aus der Reihe, als es galt, sich für den Erhalt der Scheine in die Bresche zu werfen, als Draghi erklärte, weniger Bargeld im Umlauf sei gar nicht das Ziel. Man wolle nur Kriminellen das Leben erschweren.
Doch da hat er die Rechnung ohne die Österreicher gemacht. Hierzulande war es um die Contenance bis zur höchsten Ebene geschehen. In seltener Eintracht brachte die Koalition einen gemeinsamen Antrag für das „Recht auf Barzahlung“durch den Nationalrat. Freilich handelte es sich dabei nicht um die gewünschte Verfassungsbestimmung, sondern um einen unverbindlichen Entschließungsantrag. Die Regierung möge sich „auf allen Ebenen der EU und der internationalen Staatengemeinschaft dafür einsetzen, dass weiterhin der uneingeschränkte Zahlungsverkehr mit Eurobanknoten und -münzen durch keine Maßnahmen eingeschränkt wird“.
Langsames Auslaufen
Doch was steckt hinter der Diskussion? Über Bargeldabschaffung wird allenfalls auf akademischer Ebene debattiert. Ohnedies steht Einschätzung gegen Einschätzung. Während Wissenschafter wie der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff eine Abschaffung von Bargeld als probates Mittel für eine wirksamere Geldpolitik betrachten, halten andere, wie der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger, dagegen. Und von der Theorie zur Praxis ist es bekanntlich ohnedies ein weiter Weg. Auch ein sofortiges Einziehen des 500-EuroScheins ist unwahrscheinlich. Naheliegender ist, dass der Neudruck in den nächsten Jahren beendet wird. Danach könnte die Banknote langsam aus dem Verkehr gezogen werden, ohne Enddatum für den Umtausch.
Tatsächlich macht nach den Anschlägen von Paris Frankreich Druck, die wertvollste Euronote abzuschaffen. Das soll – in Verbindung mit einer generellen Obergrenze, ab welcher Zahlungen überwiesen werden müssen – Terroristen oder Geldwäschern das Geschäft erschweren. Deutschlands und Österreichs NotenbankChefs Jens Weidmann und Ewald Nowotny stemmen sich freilich vehement dagegen. Kein Wunder: In beiden Ländern ist Bargeld extrem beliebt. Ende 2015 waren hierzulande geschätzte 570 Millionen Banknoten im Wert von 28 Milliarden Euro im Umlauf. Drei Viertel aller Einkäufe werden bar bezahlt.
Was hierzulande als selbstverständlich gilt, empfinden jedoch so manche Nichtösterreicher als hoffnungslos anachronistisch.
Anders Jensen zum Beispiel. Der 27-jährige Däne ist gerne in Wien. Nur eines ringt dem jungen Mann einen tiefen Seufzer ab. „Bizarr“findet er, wie oft er hier beim Bezahlen ansteht. „Wenn ich am Wochenende in Dänemark ausgehe, habe ich nicht einmal eine Geldbörse mit.“Keinen Schein und keine Münze. So wie viele seiner Freunde, Studierende aus einem der skandinavischen Länder. Jensen hat das schon zahlreiche ungeplante Ausflüge zu Geldautomaten beschert. Er schüttelt den Kopf: „Wir gehen zu acht in ein Restaurant und wollen getrennt mit Karte zahlen. Oft ist das nicht möglich.“Dabei sei er ohnehin ein Dinosaurier: „Ich bin altmodisch und nütze Karten. Die Jüngeren zahlen via Smartphone.“Mit größeren Cash-Beträgen assoziiert er „Kriminelle oder Handwerker – die zahlen oft ihre Steuern nicht“.
Bargeldlose Bank
Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen Dänemark oder Schweden und Österreich, das ähnlich wie Deutschland tickt, frappierend. Die beiden Länder kommen in etwa auf eine Bargeldquote von über 50 Prozent beim Transaktionsvolumen und 80 Prozent, was die Zahl der Transaktionen angeht.
In Dänemark müssen Tankstellen, Restaurants oder kleine Geschäfte kein Bargeld mehr anneh-