Stimmung der Unzufriedenheit trieb Hofer Wähler zu
Die ersten Analysen der Wählermotive zeigen, dass die Wahl vor allem eine Abkehr von den beiden Regierungsparteien dargestellt hat: Die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der allgemeinen Lage des Landes hat Hofer und Griss viele Stimmen gebracht.
Den beiden Koalitionsparteien beziehungsweise deren Kandidaten sind die Wähler am Sonntag in Scharen davongelaufen: Offensichtlich haben viele Parteiwähler der ÖVP ihr Kreuzerl bei Irmgard Griss gemacht – nach Erhebungen des Wahlforschers Peter Hajek setzt sich die Griss-Wählerschaft zu 27 Prozent aus Parteigängern der ÖVP und zu zwölf Prozent aus Parteigängern der SPÖ zusammen. Demnach käme auch je ein Fünftel der Griss-Wähler von Neos und Grünen.
Sechs von zehn Wählern Van der Bellens geben an, dass sie bei einer Nationalratswahl grün wählen würden – etwa jeder neunte Van-der-Bellen-Wähler kommt laut Hajek von der ÖVP, jeder siebente Van-der-Bellen-Wähler würde bei einer Nationalratswahl die SPÖ wählen.
Die Hochrechnung des ORF – die auf einer Wählerstromanalyse aufbaute – hatte die Stärke von Van der Bellen zunächst unterschätzt, erst als die ersten städtischen Ergebnisse eingetroffen sind, hat sich gezeigt, dass die Ströme von Wählern anderer Parteien zu Van der Bellen doch größer waren als noch am Nachmittag angenommen.
Für den ORF hat eine Isa/SoraBefragung ergeben, dass im Land eine sehr schlechte Gesamtstimmung herrscht, nur zwölf Prozent sehen derzeit eine positive Entwicklung. Der Politikwissenschafter Peter Filzmaier hat die Daten weiter analysiert und fest- gestellt, dass es vor allem die Hofer-Wähler sind, die ausdrücklich eine negative Entwicklung sehen. Filzmaier: „Nur wer zufrieden mit der Politik ist, wählt die Regierungsparteien oder deren Kandidaten.“
Die Isa/Sora-Wahltagsbefragung zeigt, dass 67 Prozent seiner Wähler Hofer zutrauen, die Sorgen der Menschen zu verstehen. 62 Prozent sagen zudem, dass sie Hofer für einen kompetenten Politiker halten.
Kaum noch Stammwähler
Für ATV hat Wahlforscher Hajek die Motive der Wählenden in den vergangenen vier Tagen durch das Institut Jaksch&Partner erheben lassen.
Sein Fazit: „Andreas Khol konnte wenigstens mit seinem Wahlslogan Erfahrung punkten. Rudolf Hundstorfer nicht einmal damit. Ihn wählte man hauptsächlich, weil man noch Stammwähler der SPÖ ist.“
Aber es gibt eben immer weniger Stammwähler.
Klar ist für Hajek, warum Norbert Hofer so gut abgeschnitten hat: „Hofer punktet mit zwei Schwerpunkten: Persönlichkeit und Themensetzung. Sein zu Beginn des Wahlkampfes thematisiertes Alter, das möglicherweise ein Nachteil sein könnte, verkehrte sich ins Gegenteil. Er überzeugt die Wähler durch Dynamik und Sympathie, aber auch durch richtige Themensetzung. Seine Auftritte waren immer mit klaren Botschaften versehen.“30 Prozent der Hofer-Wähler lobten die Faktoren „jung, dynamisch“und wiesen darauf hin, dass die anderen ihrer Meinung nach „zu alt“wären. Zudem wirkte er auf die Befragten sympathisch (30 Prozent), 14 Prozent nannten auch die Asylpolitik als Wahlmotiv.
Bei den Griss-Wählern sind dieser Umfrage zufolge „weil sie eine Frau ist“und „es sollte einmal eine Frau Bundespräsident sein“wichtige Argumente gewesen – genannt wurde das von 23 Prozent ihrer Wähler. Noch stärker wirkte sie aber mit ihrer Unabhängigkeit: Vier von zehn Griss-Wählern nannten das als wesentlichsten Grund, sie zu wählen.
Hajek stellte den für ATV Befragten auch die Frage: „Soll der nächste Bundespräsident eine FPÖ-geführte Regierung angeloben, wenn die Freiheitlichen dafür eine Mehrheit im Parlament haben?“Das findet in der Bevölkerung eine Zweidrittelmehrheit, in den Wählerschaften der einzelnen Kandidaten sieht das aber sehr unterschiedlich aus: Hofer-Wähler sind zu 91 Prozent dafür, Vander-Bellen-Wähler nur zu 48 Prozent. Jeder zweite Wähler des unabhängig auftretenden Grünen ist dagegen, eine blaue Regierung anzugeloben, auch wenn sie durch den Wähler legitimiert wäre. Die große Mehrheit (72 Prozent) der Griss-Wähler hätte übrigens mit einer blau geführten Regierung wenig bis gar keine Probleme.
Die Befragung von Nichtwählern ergab als deren wesentlichstes Motiv, dass sie sich von den Kandidaten nicht angesprochen gefühlt haben.