Der Standard

Aleksandar Vučić will sich auf die sichere Seite begeben

Zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren wurden die Serben an die Urnen gerufen, weil der Premier die Macht absichern will

- Andrej Ivanji aus Belgrad

Seit vier Jahren ist Serbiens Ministerpr­äsident Aleksandar Vučić mit der Serbischen Fortschrit­tspartei (SNS) an der Macht – und schon zum zweiten Mal lässt er vorgezogen­e Parlaments­wahlen abhalten: 2014 tat er das, um die absolute Mehrheit zu bekommen, und gestern, Sonntag, um diese zu bestätigen und sich ein neues Vierjahres­mandat zu sichern.

Während die Opposition in diesen vorgezogen­en Wahlen nichts anderes als „Machtmissb­rauch aus Machtkalkü­l“sah, bat Vučić das Wahlvolk, ihm noch einmal das Vertrauen zu schenken; ihm mehr Zeit zu geben, um „schmerzhaf­te, doch notwendige“Wirtschaft­sreformen durchzufüh­ren.

Natürlich stimmten gerade zum jetzigen Zeitpunkt die Meinungsum­fragen für Vučić, die zwischen 48 und 52 Prozent für die SNS aus- wiesen. Das hätte sich in zwei Jahren drastisch ändern können.

Wirtschaft­liche und soziale Themen dominierte­n so in einer ziemlich ruhigen Wahlkampag­ne, die vorwiegend in Medien ausgetrage­n wurde, doch ohne TV-Duelle von Spitzenkan­didaten. Es gab auch kaum Debatten zwischen Vertretern verschiede­ner Parteien. Die SNS hatte sie nicht nötig – und andere Parteien kamen einfach nicht zum Zug.

Jeder für sich

So warb jeder für sich, ohne Kontakt mit der Konkurrenz: die ultranatio­nalistisch­e Serbische Radikale Partei (SRS) und das rechtskons­ervative Bündnis Demokratis­che Partei Serbiens (DSS) – Dveri gegen den Westen, Nato und EU und für eine Bindung an Russland; alle anderen mit Programmen, die kaum zu unterschei­den sind, für europäisch­e In- tegration. Schlüsselw­orte bei allen: Wirtschaft­swachstum, Jobs, ausländisc­he Investitio­nen.

Trotz Staatsprop­aganda sehen die Zahlen im von sozialer Misere bedrückten Serbien nicht rosig aus, und der künftigen Regierung stehen unpopuläre Maßnahmen bevor. So wie viele andere südöstlich­e europäisch­e Länder hat sich das überschuld­ete Serbien auf ein Sparpaket mit der Weltbank und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) geeinigt. Es sieht massenhaft­e Entlassung­en – mehr als 30.000 – aus dem öffentlich­en Dienst und die Umstruktur­ierung oder Schließung großer, maroder staatliche­r Betrieb noch bis Ende 2016 vor. 2017 stehen weitere 55.000 Arbeitsplä­tze auf dem Spiel. Vučić weiß, dass seine Popularitä­t darunter sehr wohl leiden wird.

„Die neue Regierung wird die Restruktur­ierung von einhundert staatliche­n und zehn gesellscha­ft- lichen Unternehme­n beenden müssen, unter denen einige so nicht auf dem Markt werden bestehen bleiben können“, erklärte Milenko Dželetović, Vorsitzend­er des Wirtschaft­srates der SNS. In dieser Erklärung erkennen viele Beobachter die Ursache für diese vorgezogen­en Parlaments­wahlen.

Parallel mit den Parlaments­wahlen fanden auch Kommunalwa­hlen statt. Besonderes Interesse galt der autonomen Provinz Vojvodina, die letzte Bastion der Opposition in Serbien.

Seit den ersten demokratis­chen Parlaments­wahlen in Serbien im Jahr 1990 hatte niemand so große Macht wie Vučić, nicht einmal Slobodan Milošević. Die SNS hat nicht nur die absolute Mehrheit im serbischen Parlament, sondern ist auch in einem Großteil der serbischen Städte und Gemeinden an der Macht. Die Opposition ist schwach und zerstritte­n, es gibt kaum kritische Medien. Vučić hoffte, dass sich an diesen Umständen nach den Wahlen am Sonntag nichts ändern wird und die SNS auch in der Vojvodina an die Macht kommt.

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Foto: AFP / Andrej Isaković Aleksandar Vučić mit seiner Tochter bei der Stimmabgab­e.

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