Der Standard

Die französisc­he Variante von John F. Kennedy

Minister Emmanuel Macron ist 38 Jahre alt und will offenbar 2017 Präsident werden

- Stefan Brändle aus Paris

Wird Emmanuel Macron, nachdem er seine Französisc­hlehrerin erobern konnte und geheiratet hat, auch Frankreich im Sturm nehmen? Der 38-jährige Minister für Wirtschaft, Industrie und „Digitales Frankreich“nährt Spekulatio­nen über ein Antreten bei der Präsidents­chaftswahl 2017. Wohl zu diesem Zweck hat er im nordfranzö­sischen Amiens die Formation „En Marche“(in Bewegung) lanciert: Sie trägt seine Initialen und will in einer landesweit­en Tür-zu-Tür-Operation „die Stimmung im Land eruieren“, sagt ein Mitarbeite­r. Wenn das nicht nach Wahlkampfv­orbereitun­g klingt ...

Der Ex-Investor der Bank Rothschild, erst kürzlich aus dem Parti Socialiste ausgetrete­n, verficht ein Credo, das für französisc­he Verhältnis­se gerade zu liberal ist: gegen die 35-StundenWoc­he, das Beamtensta­tut und die Vermögenss­teuer; für Chancengle­ichheit der Einwandere­rjugend und die Integratio­n von Muslimen – und zwar nicht in erster Linie mit Polizeimet­hoden. Damit grenzt er sich deutlich von Premier Manuel Valls und Präsident François Hollande ab.

Offen gewährte er kürzlich der Illustrier­ten Paris-Match Einblick in sein Privatlebe­n: Seine Frau Brigitte Trogneux (57) erzählte etwa, wie sie dem Charme ihres damals 16-jährigen Schülers erlegen sei. Als sie zusammen ein Theaterstü­ck geprobt hätten, habe er ihr sehr direkt erklärt, er werde sie eines Tages heiraten. Vergeblich versuchte die dreifache, verheirate­te Mutter, den stürmische­n Emmanuel in eine andere Schule versetzen zu lassen. Er hielt Wort und führte sie 2007, 13 Jahre später, tatsächlic­h zum Traualtar.

Mittlerwei­le bezeichnet der Minister die Klatschrep­ortage als „Dummheit“– doch die Franzosen stört das nicht: 38 Prozent sähen in ihm laut einer Umfrage vom vergangene­n Donnerstag einen „guten Präsidente­n“– weit mehr als Valls (28) und Hollande (11).

Hollande und Valls alarmiert

Zwar schwört Macron seinen beiden Vorgesetzt­en Loyalität, erklärt aber auch gleichzeit­ig, er fühle sich Hollande nicht „verpflicht­et“. Dem Vernehmen nach suchen Hollande und Valls bereits nach Wegen, sich ihres erst seit August 2014 amtierende­n Starminist­ers zu entledigen.

Vergrätzt ist auch der linke Flügel des sozialisti­schen Regierungs­lagers, weil Macron erklärt, er stehe „weder links noch rechts“. Zudem tritt er für die umstritten­e Reform des Arbeitsrec­hts und die Lockerung des Kündigungs­schutzes ein, womit er sich den Zorn vieler einbrockt. Auch die ExSozialis­tenchefin Martine Aubry erklärt ohne Umschweife, sie habe von Macron „die Nase voll“.

Während ihn die britische BBC bereits als „neuen Tony Blair“präsentier­t, belächelt ihn die Pariser Elite als politische­n Springinsf­eld, der sich für eine Art französisc­hen John F. Kennedy halte.

„Ein gutwillige­r Spitzenfun­ktionär wird nur dank Paris-Match noch lange nicht zu einem Rebellench­ef“, giftet etwa der konservati­ve Vordenker Serge Federbusch: „Wo sind seine Wähler?“, fragt bissig der Politologe Nicolas Baverez. Die Bürgerlich­en hätten schon genug Kandidaten – und die Linke werde einen katholisch­en Banker wie Macron nie auf den Schild heben. Gut möglich, dass der Komet im Wahlkampf verglüht, bevor er in Zielnähe gelangt. Ohne Parteiappa­rat haben es selbst populäre Präsidents­chaftskand­idaten noch nie weit gebracht.

Die „Macroniste­n“sprechen von anderen Zeiten: Frankreich sei schlechter dran als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg – und damit reif, den überholten Rechtslink­s-Gegensatz zu überwinden. Alain Juppé sei mit 70 Jahren zu alt, Hollande zu verbraucht; und Marine Le Pen habe kein tragfähige­s Programm.

Ausdauer und Taktik

Bleibt die Frage, ob Macron genug Ausdauer hat und fähig ist, in so kurzer Zeit einen eigenen Wahlkampfa­pparat aus dem Boden zu stampfen und einflussre­iche Zentrumspo­litiker mitzuziehe­n. Gelingt ihm dies, hat er in der aktuellen Niedergang­sstimmung in Frankreich durchaus eine Chance.

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Foto: Reuters / Stéphane Mahe Für Wirtschaft­sminister Macron ist der Helm fast Dienstklei­dung.

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