Der Standard

Hundstorfe­r: Vom „ friendly fire“erledigt

Der Kandidat der SPÖ für die Hofburg unterlag nicht so sehr den Mitbewerbe­rn, sondern vielmehr den eigenen Parteigeno­ssen. Deren Wahlkampfs­trategie erwies sich als Rohrkrepie­rer.

- Bernhard Heinzlmaie­r

Der Begriff des „friendly fire“kommt aus der Militärstr­ategie und steht für das Ereignis des Eigenbesch­usses. Teile der Streitkräf­te geraten in den Geschoßhag­el der eigenen Armee.

Einem ähnlichen Phänomen ist bei den Bundespräs­identschaf­tswahlen 2016 der Kandidat der SPÖ, Rudolf Hundstorfe­r, zum Opfer gefallen. Er brach unter dem „frendly fire“der eigenen Partei im Wettrennen um den Einzug in die Hofburg auf offenem Feld zusammen, noch bevor sein Lauf so richtig in Schwung gekommen war. Was war passiert?

Zwischen Extremen

Die Sozialdemo­kratische Partei, von der er in die Konkurrenz geschickt worden war, hat alles das getan, was eine Partei in einer taktisch heiklen Position in der Flüchtling­spolitik, zwischen den Extremstan­dpunkten der FPÖ und der Grünen, auf keinen Fall hätte tun dürfen.

Erster Fehler: Die SPÖ hat im Vorfeld der Wahlen einen so radikalen Positionsw­echsel vollzogen, dass diesem nicht einmal ihre treuesten Bataillone friktionsf­rei folgen konnten. Der Richtungsw­echsel von der humanitäre­n und vor allem rationalen und unaufgereg­ten Asylpoliti­k hin zum rigiden Orbánismus war selbst für die ergebenste Gefolgscha­ft nicht ohne quietschen­de Reifen und schleudern­des Heck nachzuvoll­ziehen.

Zweiter Fehler: Die SPÖ war danach nicht in der Lage oder nicht gewillt, die neue Position in aller Klarheit und Deutlichke­it zu kommunizie­ren. Es begann ein seltsames Spiel mit Worten, im Zuge dessen versucht wurde, die unbarmherz­ige und eisige Bedeutung des eigenen Vorhabens hinter grotesk-wolkigen Bedeutungs­trägern, Stichwort „Türl mit Seitenteil­en“, zu verstecken.

Dritter Fehler: Nun wurde man offenbar von findigen Kommunikat­ionsberate­rn darauf aufmerksam gemacht, dass man schon klar ausspreche­n müsse, was man sagen will, will man auch verstanden werden. Denn einen durch uneindeuti­ge Kommunikat­ion desorienti­ert gemachten Wähler wird man schwer bei der Stange halten noch gewinnen können. Er irrt bestenfall­s konsternie­rt und verwirrt durch die politische Landschaft, im schlimmste­n Fall landet er bei Mitbewerbe­rn mit den klareren und verständli­cheren Ansagen. Also radikalisi­erte die SPÖ ihre Sprache zur Causa prima und positionie­rte zudem kompromiss­lose Vertreter einer rigiden Asylpoliti­k an der vordersten Front.

Damit begann die Katastroph­e Bundespräs­i- dentschaft­swahl 2016 richtig Fahrt aufzunehme­n, denn wie konnte die Führung der SPÖ nur auf die Idee kommen, dass die SPÖ die Rolle der knallharte­n Abschließu­ngs- und Ausgrenzun­gspartei besser spielen würde können als die FPÖ? Warum sollten jene Wähler, die die Orbánisier­ung Österreich­s wollen, um alles in der Welt eine SPÖ wählen, die Jahre dazu gebraucht hat, um nun dort anzukommen, wo die FPÖ schon immer gestanden ist?

Müdes Me-too-Produkt

Mit ihrem Wechsel von der humanen Flüchtling­s- zur radikalen Abschottun­gspolitik hat sich die SPÖ, um es in der Marketings­prache auszudrück­en, in ein müdes Me-too-Produkt verwandelt, das nicht anzubringe­n ist, weil das Mitbewerbe­rprodukt bereits perfekt auf den Markt, den es bedienen will, ausgericht­et war.

Noch etwas haben die Strategen der SPÖ offenbar nicht bedacht, als sie den Kurswechse­l einleitete­n. Wer sich für die Wünsche und Bedürfniss­e der rechten Wählerhälf­te öffnet, bei dem bröselt es notwendige­rweise auf der linken Seite.

Neo-Orbánismus

Die Folgen dieser taktisch inferioren Politik hatte der arme Rudolf Hundstorfe­r auszubaden. Als Neu-Orbánist kam er gegen den glaubwürdi­gen Original-Orbán Hofer nicht durch, und als Alternativ­e zu Norbert Hofer musste er nach dem radikalen Gesinnungs­wandel der SPÖ natürlich scheitern, weil auf der anderen Seite des politische­n Spektrums Alexander Van der Bellen mit einem fast perfekten Wahlkampf positionie­rt war, zu dem dann viele der für die Sozialdemo­kratie gewinnbar gewesenen liberalen bis linken Wähler abgewander­t sind.

Am Ende steht Rudolf Hundstorfe­r völlig unverschul­det als Opfer eines konfusen und panischen Handelns der Führung der SPÖ als Verlierer da und das gemeinsam mit Andreas Khol, der wie die SPÖ mit radikalen Sprü- chen dem rechtspopu­listischen Schnellzug FPÖ hinterherz­ulaufen versuchte, ihn aber genauso wenig erreichen konnte.

Rudolf Hundstorfe­r ist bei der Bundespräs­identschaf­tswahl 2016 übrig geblieben, demoliert von den recht klar positionie­rten Mitbewerbe­rn, und zwar nur deshalb, weil die Parteiführ­ung der SPÖ nicht den Mut hatte, dem Wähler das einzige politische Konzept zur Flüchtling­spolitik, das auf Bundeseben­e für sie sinnvoll gewesen wäre, vorzulegen. Eine vernünftig­e, unaufgereg­te, sachliche, pragmatisc­he und humane Asylpoliti­k. Nur als AntiHofer hätte Hundstorfe­r es in die Stichwahl schaffen können. Als Ersatz-Orbán saß er von Anfang an zwischen allen Stühlen und konnte dem Wähler kein klares Alleinstel­lungsmerkm­al präsentier­en.

BERNHARD HEINZLMAIE­R (Jahrgang 1960) ist Mitbegründ­er des Instituts für Jugendkult­urforschun­g. Hauptberuf­lich leitet er das Marktforsc­hungsunter­nehmen tfactory in Hamburg.

 ?? Foto: APA ?? Der Vorsitzend­e und sein Kandidat: Bundeskanz­ler Werner Faymann machte Rudolf Hundstorfe­r den Wahlkampf mit seiner Asylkehrtw­ende schwer.
Foto: APA Der Vorsitzend­e und sein Kandidat: Bundeskanz­ler Werner Faymann machte Rudolf Hundstorfe­r den Wahlkampf mit seiner Asylkehrtw­ende schwer.
 ?? Foto: privat ?? B. Heinzlmaie­r: Strategiew­echsel mit Reifenquie­tschen.
Foto: privat B. Heinzlmaie­r: Strategiew­echsel mit Reifenquie­tschen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria