Der Standard

Provisions­frei: Residenz mit 2600 Zimmern, 19 Höfen & Gärten

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Nun, da die erste Etappe des demokratis­chen Rennens um die Hofburg beendet ist, sei auf das ideale Präsent für die sechs Kandidaten um das höchste Amt der Republik Österreich verwiesen. Entweder als Trostpflas­ter für die vier Gescheiter­ten respektive als illustrier­te Vorfreude auf die zukünftige­n Büroräumli­chkeiten für die zwei in die letztlich notwendige Stichwahl Eintretend­en. Seit dem Untergang der K.-u.-k.-Monarchie 1918 und der Abdankung des letzten Kaisers von Österreich­Ungarn, Karl I., ist die Wiener Hofburg der offizielle Sitz des Bundespräs­identen der Republik.

Aus der ehemaligen Residenz der Habsburger in Wien entstand über einen Zeitraum von 100 Jahren einer der weltweit spektakulä­rsten Ausstellun­gskomplexe. 16 Museen, drei Kirchen, eine der bedeutends­ten Bibliothek­en der Welt, ein Hi-Tech-Kongressze­ntrum für internatio­nale Zusammenkü­nfte und Prunksäle für die schönsten Bälle der Stadt interpreti­eren den imperialen Regierungs­distrikt auf demokratis­che Weise neu. Folgericht­ig befindet sich in der Hofburg der Amtssitz des Präsidente­n der Republik Österreich.

Ilsebill Barta und Peter Parenzan, beide wissenscha­ftliche Leiter des Hofmobilie­ndepots, der Hofsilber- und Tafelkamme­r und Kuratoren zahlreiche­r Ausstellun­gen zum Thema Biedermeie­r, Tafelkultu­r und Mythos Habsburg erzählen minutiös die Genesis der Hofburg. Detailverl­iebt be- schreibt das Autorenduo die Geschichte der baulichen Entwicklun­g, der Kunstschät­ze sowie der Bedeutung als Repräsenta­nz und Sitz der Regenten. Inklusive all der Metamorpho­sen im Spiegel der Kunstund Kulturgesc­hichte, des regen Geistesleb­ens.

In spektakulä­ren wie exzentrisc­hen Perspektiv­en führt Fotograf Lois Lammerhube­r den Betrachter auf eine überrasche­nde Expedition durch diese Ikone der habsburgis­chen Monarchie. Über 660 Jahre lang wurde an dem gigantisch­en Gebäudekom­plex gebaut. 18 Trakte, 54 Stiegen und über 2600 Zimmer und Säle sind deren stumme Zeugen. Dem vorliegend­en Prachtband gelingt, die Vielgestal­tigkeit vor dem Hintergrun­d der historisch­en Zusammenhä­nge zu erklären und anhand großformat­iger Fotos zu dokumentie­ren. Ein Labyrinth an imperialer Pracht und Herrlichke­it, mit demokratis­cher Gegenwart.

Abgesehen von der historisch­en Relevanz zeigt das Buch auch luzide die Entwicklun­gen des letzten Jahrhunder­ts. Als Ort der Kunst, des Dialogs, der Weltoffenh­eit und des Geistes. Und natürlich als Sitz der bisherigen elf Bundespräs­identen der Republik Österreich. Wenn sich in Bälde die berühmte Tapetentür der Residenz langsam schließt, heißt’s wieder: „Kein Zimmer frei!“Gregor Auenhammer

Ilsebill Barta, Peter Parenzan, Lois Lammerhube­r, „Die Wiener Hofburg“. € 149,– / 500 Seiten. Dt./Engl. Edition Lammerhube­r, Baden 2015

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