Der Standard

Ein neues politische­s Zeitalter

SPÖ und ÖVP können nun kämpfen oder gleich zugunsten der FPÖ aufgeben

- Alexandra Föderl-Schmid

Einen solchen Vorsprung für Norbert Hofer hat niemand vorausgese­hen: Das ist ein Erdrutschs­ieg für den blauen Kandidaten und das erwartete Desaster für die Regierungs­parteien. Dass erstmals in der Zweiten Republik kein Bewerber, den SPÖ oder ÖVP nominiert haben, Bundespräs­ident wird, markiert den Beginn eines neuen politische­n Zeitalters, in dem nicht mehr Rot und Schwarz die Geschicke bestimmen.

Die Nominierun­g des ursprüngli­ch zögerliche­n Hofer war ein geschickte­r Schachzug von Parteichef HeinzChris­tian Strache: Hofer verstand es, sich als FPÖ-Faserschme­ichler den Wählerinne­n und Wählern so anzudienen, dass sie sich selbst einen Blauen in der Hofburg vorstellen können. Er konnte als Person und mit seinen Themen punkten. Ein Rechtspopu­list als Bundespräs­ident ist kein Tabu mehr. Ein FPÖ-Politiker in der Hofburg wäre eine Zäsur mit Symbolkraf­t, die über Österreich hinauswirk­t.

Die FPÖ profitiert­e wieder einmal am stärksten von der im Lande wahrnehmba­ren Unzufriede­nheit mit der Regierungs­politik. Das Flüchtling­sthema wirkte als zusätzlich­er Katalysato­r. Die Abschottun­gspolitik der Regierung hat die Wähler nicht überzeugt. Man wählt nicht den Schmiedl, sondern den Schmied. er Schwenk von Kanzler Werner Faymann in der Flüchtling­sfrage hat sich nicht gelohnt, zumal Rudolf Hundstorfe­r diesen auch nicht glaubwürdi­g vermitteln konnte. Die SPÖ hat mit Hundstorfe­r einen Politiker vorzeitig aus dem Ministeram­t ins politische Aus bugsiert. Der Überlebens­kampf von Faymann als SPÖ-Chef von Michael Häupls Gnaden wird spätestens auf dem Parteitag im Herbst entschiede­n. Die Sozialdemo­kraten werden auch zu klären haben, ob sie sich weiter an Hans Niessl ausrichten oder an Michael Häupl: weiter nach rechts marschiere­n oder nach links orientiere­n.

Die ÖVP hat sich bereits auf eine neue Linie festgelegt. Sebastian Kurz’ Kurs hat dem ÖVP-Kandidaten Andreas Khol nicht genützt, der sich als kantiger Konservati­ver selbst FPÖWählern empfahl. Nicht einmal die eigenen Funktionär­e waren von ihrem Kandidaten überzeugt, Irmgard Griss hat davon profitiert.

Reinhold Mitterlehn­er ist Parteichef auf Abruf. Seine Entscheidu­ng für

DKhol, die intern umstritten war, hat er zu verantwort­en. Hoffnungen, dass sich die ÖVP mit Kurz aus ihrer Krise erholen kann, haben einen Dämpfer erlitten – vielleicht vorerst auch die Ambitionen des ehrgeizige­n Außenminis­ters.

Die vor wenigen Monaten einer breiten Öffentlich­keit noch unbekannte Juristin Griss hat sich als wählbare Alternativ­e für all jene dargestell­t, die ihren Wunsch nach einem anderen Stil in ihr verkörpert sahen. Erstmals hat auch das Wahlmotiv Frau wahrnehmba­r eine Rolle gespielt – ein weiteres Novum.

Bestätigt hat sich, dass die Grünen in Umfragen besser liegen als bei der Abstimmung. Alexander Van der Bellen schafft es aber doch in die Stichwahl – vor allem dank des Votums in Wien.

Jetzt geht es um eine Richtungse­ntscheidun­g: SPÖ und ÖVP haben im Vorjahr verabsäumt, Irmgard Griss als gemeinsame Kandidatin zu nominieren. Sie könnten für die zweite Runde eine Wahlempfeh­lung für Van der Bellan abgeben, um Hofers Marsch in die Hofburg zu verhindern. Nach diesem Debakel können sie kämpfen oder aufgeben – und die Hofburg und die Regierung einfach der FPÖ überlassen.

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