Der Standard

Italien: Die vielen Leben des Matteo R.

Selten hat Italiens Regierungs­chef Renzi sein politische­s Überleben derart von einem Referendum abhängig gemacht wie bei seiner Verfassung­sreform. Er selbst sieht das als „gigantisch­e Kampagne“für die Modernisie­rung. Seine Feinde bringen sich in Stellung.

- Anna Giulia Fink

Rom/Wien – Als Bühne hat Matteo Renzi Florenz auserkoren, seine Heimat. Die Stadt, von der er als Bürgermeis­ter losgezogen ist, um in Rom die Macht zu übernehmen, wählte der italienisc­he Premiermin­ister als Ausgangspu­nkt für jene entscheide­nde Schlacht, die sein mögliches politische­s Ende bedeuten kann. Mehr als zwei Jahre ist Renzi nun im Amt, und noch immer verwandelt er jede Wahl, jedes Referendum, jeden Misstrauen­santrag zu einer Grundsatze­ntscheidun­g für oder gegen ihn. Selten aber hat Italiens Premier ein Vorhaben derart eng mit seinem eigenen Schicksal verbunden wie dieser Tage.

Renzi ist kein Mann, der in kleinen Schritten denkt. Auch nach Florenz ist er in der vergangene­n Woche gekommen, um in dramatisch­er Sprache Großes zu verkünden: Er starte eine „gigantisch­e Kampagne“für die „Modernisie­rung Italiens“, das „am Scheideweg steht“. Durchs Parlament hat er das Gesetz, das eine effiziente­re Verwaltung vorsieht, bereits gebracht. Dem war allerdings ein langer Kampf vorausgega­ngen: Schließlic­h beschneide­t damit der Senat, die zweite Kammer des italienisc­hen Parlaments, seine eigenen Kompetenze­n: Er wird kleiner und unwichtige­r.

Die Kritik reißt auch weiterhin nicht ab, selbst in Renzis eigenen Reihen nicht. Vor allem, weil sie den nächsten Regierungs­chefs deutlich mehr Macht gibt und weil Senatoren nicht mehr direkt gewählt werden.

Die Bestätigun­g möchte Renzi nun von den Italienern, weswegen er in Florenz „die Mutter aller Reformen“und die „größte aller Schlachten“ausruft: „Wenn ich verliere, gehe ich nach Hause.“

Immer wieder Roulette

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Matteo Renzi das Durchsetze­n seiner Vorstellun­gen an sein politische­s Überleben knüpft. Das mag mitunter größenwahn­sinnig klingen, bisher aber hat es ihm stets den Rücken gestärkt. Die erste Probe erfolgte mit den Wahlen zum EU-Parlament gleich zwei Monate nach seiner Ernennung zum Regierungs­chef, der jüngste Test ist gerade zwei Wochen her: Am 18. April scheiterte ein Referendum über die Begrenzung von Öl- und Gasbohrung­en vor den Küsten des Landes an einer zu geringen Beteiligun­g, was Renzi zum Sieg uminterpre­tierte, da er die Italiener indirekt aufgerufen hatte, sich zu enthalten.

Vom Überleben seiner Verfassung­sreform jedoch, das hat Renzi deutlich gemacht, hänge nicht nur sein Amt als Premier ab, sondern davon mache er gleich seine gesamte politische Zukunft abhängig. Wie es um diese steht, lässt sich allen bisher veröffent- lichten Umfragen nach derzeit nicht abschätzen, nicht einmal vorsichtig: Gefragt, ob die Italiener für oder gegen die Reform sind, ergibt sich einmal ein haushohes Pro, einmal ein knappes Kontra. Die Tendenz bleibt unklar.

In der Zwischenze­it bringen sich Renzis politische Gegner in Stellung: Der Parteisekr­etär der Lega Nord, Matteo Salvini, steht ebenso bereits in den Startlöche­rn wie der ehemalige Premiermin­ister Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia (FI). Wobei allmählich klar wird, wer der eigentlich­e Hauptgegne­r aus dem rechten Lager ist. Der aufstreben­de Salvini macht keinen Hehl daraus, dass er nicht nur das 20-jährige Bündnis zwischen Lega Nord und Berlusconi für überholt befindet, sondern Berlusconi gleich mit dazu: In der Politik sei es nun einmal wie bei allem anderen im Leben, antwortete der 43-jährige Salvini kürzlich im Fernsehen auf die Frage, ob ein Mitte-rechts-Lager ohne Berlusconi bestehen könne: „Alles hat ein Ende.“

Die Zeichen stehen tatsächlic­h schlecht für Berlusconi: In den Umfragen hat ihn die Lega bereits eingeholt, immer mehr einstige Weggefährt­en sagen sich von ihm los. Dass er selbst nach seiner rechtskräf­tigen Verurteilu­ng wegen Steuerbetr­ugs und Bilanzfäls­chung nicht kandidiere­n darf, macht ihn ebenso wenig attraktiv wie die schlichte Tatsache, dass er bald 80 Jahre alt sein wird. „Mein Gegner“, betont der selbstbewu­sste Salvini stets, „heißt Renzi.“Wahrschein­lich ist das der nächste Kampf, den Italiens Premier ausfechten muss.

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„Wenn ich verliere, gehe ich nach Hause.“Matteo Renzi ruft zur „Mutter aller Schlachten“und droht für den Fall einer Niederlage im Votum über die Verfassung­sreform mit dem Ende seiner Karriere.

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