Der Standard

Ein Jahr einsamer Kampf für François Hollande

Präsident geht nach leichtem Aufschwung „euphorisie­rt“in den Wahlkampf – Entscheidu­ng am 7. Mai 2017

- Stefan Brändle aus Paris

So viel ist bekannt: François Hollande will es noch einmal wissen – bloß wollen die Franzosen nichts mehr von ihm wissen. Laut Umfragen sind mehr als 80 Prozent gegen eine Wiederkand­idatur des 61-jährigen Sozialiste­n. Nun steht der Termin fest, an dem sich die Zukunft des Landes entscheide­n wird: Das Innenminis­terium hat festgelegt, dass die Schlussrun­de der Präsidents­chaftswahl am 7. Mai 2017 stattfinde­n wird.

Der konservati­ve Abgeordnet­e Hervé Mariton twitterte freundlich­erweise: „Sogar eine Ziege würde François Hollande 2017 schlagen.“Links klingt es ähnlich: „François Hollande wird nur ein Mandat absolviere­n“, prophezeit der Soziologe Michel Wieviorka. „Er wird wie Ludwig XV. enden, der nachts und heimlich begraben wurde, weil er das Volk dermaßen gegen sich aufgebrach­t hatte.“

Inkompeten­z und Schmach

Auch Starökonom Thomas Piketty, Autor von Das Kapital im 21. Jahrhunder­t, wirft ihm vor, er neutralisi­ere mit seiner Sparpoliti­k seine eigenen Anstrengun­gen, die Konjunktur wieder anzuwerfen. Und als Hollande vom Front National die Idee übernehmen wollte, Terroriste­n die Staatsbürg­erschaft abzuerkenn­en, urteilte Piketty hart: „Zur Inkompeten­z kommt auch noch die Schmach.“

Der Präsident, der es allen recht machen will, bringt alle gegen sich auf. Aber Hollande wäre nicht Hollande – das heißt, ein unverbesse­rlicher Optimist –, wenn er darin nicht etwas Positives sähe. Seine Spindoctor­s im Elysée erklären, die diversen sozialisti­schen Um- fragefavor­iten seien nicht breit genug verankert: Premier Manuel Valls und Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron seien für die Partei zu rechts, die Ex-Minister Arnaud Montebourg oder Benoît Hamon für die Mittewähle­r zu links. Nur einer vermöge Wähler von weit links bis ins Zentrum hinter sich zu scharen: der Gleiche, der schon 2012 gewonnen habe.

Mit dem Präsidente­nbonus in die Stichwahl und dort siegreich gegen Marine Le Pen? Dieses Szenario überzeugt parteiunge­bundene Kritiker wie Piketty oder Wieviorka kaum. Sie verlangen deshalb mit Nachdruck eine „Vorwahl der Linken“. Und zwar ohne Hollande. Auch Sozialiste­nchef Jean-Christophe Cambadélis, der dem Präsidente­n nahesteht, kann sich der Forderung nach einem linken Einheitska­ndidaten nicht widersetze­n. Aber er schweigt zur entscheide­nden Frage, ob sich der Präsident der Vorwahl unterziehe­n müsste.

Schon eine Niederlage

Erniedrige­nd wäre für den französisc­hen Staatschef allein schon der Umstand, gegen ein Dutzend anderer Kandidaten antreten zu müssen. Der hohe Präsident der Republik in den Untiefen der Parteipoli­tik – undenkbar! Und doch muss Hollande im Hintergrun­d verzweifel­t um seinen Platz in der Rangordnun­g feilschen. Er sei „nicht grundsätzl­ich gegen“eine Vorwahl, lavieren seine Berater. Die Bedingung sei aber, dass der Staatschef neben den Kandidaten der Grünen oder Kommuniste­n der einzige Vertreter der Sozialisti­schen Partei sein müsse.

Seit einigen Tagen spürt Hollande den Frühling. Die Wirtschaft wächst etwas schneller als erwartet, die Zahl der Arbeitslos­en sinkt seit einem Monat. In den Pariser Medien taucht die Frage auf: Ist Frankreich vielleicht tatsächlic­h über dem Berg? Staatschef Hollande legt in den Umfragen bereits ganz leicht zu.

Der unpopulärs­te Präsident der Fünften Republik sei „wie euphorisie­rt“, vermelden Insider. Als wäre er schon im Wahlkampf, verteilt er Geschenke an einzelne Bevölkerun­gsgruppen: Für Landwirte, junge Arbeitslos­e, Beamte und Lehrer stellte er in den letzten Wochen insgesamt 2,4 Milliarden Euro bereit. Kein Entscheid, kein Auftritt, der nicht die Königswahl von 2017 im Visier hätte. Eine Mai-Tagung zum Thema „Die Linke und die Macht“verwandelt­e Hollande in eine einzige Wahlverans­taltung in eigener Sache.

Hollandes Kampf gegen seinen Ruf, gegen die bösen Auguren, die Miesmacher, ist gestartet. Es ist ein einsamer Kampf des ewig Unterschät­zten, der beweisen will, dass er es nicht von ungefähr bis an die Staatsspit­ze gebracht hat. Der beweisen will, dass er nicht auf verlorenem Posten steht. Das ist Shakespear­e-Stoff, die Reconquist­a des Monarchen, des Obersten im Land, der zuunterst gelandet ist, aber nie aufgehört hat, an sich zu glauben. François Hollande ist der Mann, der seine Chance noch packen will. Selbst dann, wenn er ganz offensicht­lich keine mehr hat.

 ??  ?? François Hollande vermeint, den Frühling zu spüren: Jüngste Wirtschaft­sdaten geben dem unbeliebte­n Präsidente­n Hoffnung.
François Hollande vermeint, den Frühling zu spüren: Jüngste Wirtschaft­sdaten geben dem unbeliebte­n Präsidente­n Hoffnung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria