Der Standard

In der kroatische­n Koalition kracht es

Die HDZ beanspruch­t mehr Kontrolle über den Sicherheit­ssektor und stellt ein Ultimatum. Schon seit Wochen fliegen in der Koalition die Fetzen. Über ein baldiges Ende der Zagreber Zweckgemei­nschaft und Neuwahlen im Herbst wird spekuliert.

- Adelheid Wölfl

Zagreb/Skopje – Mittlerwei­le streiten alle. Die Regierungs­parteien untereinan­der, die Präsidenti­n und der Premier und der Premier und die Regierungs­parteien. In der kroatische­n Führung kracht es gewaltig. Seit Wochen richten einander die Koalitions­partner von der konservati­ven HDZ und der Neopartei Most Botschafte­n über die Medien aus. Most-Chef und Vizepremie­r Božo Petrov sagte am Wochenende, man müsse nun auf den „Resetknopf“drücken. Gleichzeit­ig gibt es Spekulatio­nen, die Koalition könne zerfallen und die HDZ könne versuchen, eine andere Mehrheit – etwa mit den Liberalen und den Minderheit­envertrete­rn – zu finden.

Spekuliert wird auch, dass HDZ-Chef Tomislav Karamarko das Ruder ganz übernehmen wolle und auch Premier werden könnte. Am 28. Mai findet ein Parteitag der HDZ statt. Wirtschaft­sexperte Tihomir Orešković, seit drei Monaten Premier in der neuen Regierung, wäre vom Fenster.

Viele Medien berichten mittlerwei­le, dass es spätestens im Herbst Neuwahlen geben könnte. Vergangene­n Donnerstag hat die HDZ nun Most ein Ultimatum gestellt: Entweder würden wichtige Positionen im Innenminis­terium und in der Antikorrup­tionsbehör­de mit HDZ-Leuten besetzt, oder man lasse die Koalition platzen.

Streit um die Sicherheit

Die HDZ will auch, dass Innenminis­ter Vlaho Orepić von Most zurücktrit­t – nachdem es in einer Polizeiste­lle in Zagreb zu einem Raub gekommen war. Im Grunde geht es aber um einen Machtkampf um den Sicherheit­ssektor.

HDZ-Chef Tomislav Karamarko interessie­rt sich selbst hauptsächl­ich für die Sicherheit­sagenden im Staat und war selbst einmal Geheimdien­stchef. Er fühlt sich berufen, den Sicherheit­ssektor zu kontrollie­ren, und sieht auch die HDZ als stärkste Partei dazu berechtigt. Most will sich aber nicht auf die Ultimaten einlassen.

Die Koalition steht seit Beginn auf wackeligen Beinen. Es handelt sich keineswegs um eine Wunschverb­indung, und es gibt einige Konflikte. Etwa um den Geheimdien­st SOA: Dessen Chef Dragan Lozančić soll seit Februar ausgetausc­ht werden, weil Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarović das Vertrauen in ihn verloren hat. Doch ein SOA-Chef wird von der Präsidenti­n gemeinsam mit dem Premier bestimmt. Und Orešković wollte sich nicht von Grabar-Kitarović übergehen lassen.

Es kam zum ersten Konflikt zwischen Premier und Präsidenti­n. Und Grabar-Kitarović stand dabei in der Öffentlich­keit ziemlich schlecht da. Orešković wollte zudem den geschasste­n Geheimdien­stchef angeblich sogar zu seinem Berater machen. Der neue SOA-Chef Daniel Markić wurde von Orešković vorgeschla­gen und passt der HDZ nicht. Im Hintergrun­d spielt auch eine Rolle, dass Rechts-außen-Vertreter der HDZ wie Karamarko nicht nur den USA, sondern auch vielen in der EU suspekt sind.

Ein anderer Streitpunk­t in der Koalition betrifft die Energiepol­itik mit dem Nachbarn Ungarn. Es läuft ein Schiedsver­fahren zwischen dem kroatische­n Erdölunter­nehmen Ina und der ungarische­n Mol. Wirtschaft­sminister Tomislav Panenić (Most) unterstütz­t dieses, während die HDZ es beenden will. Der Mol-Ina-Deal beschäftig­t die kroatische Politik seit Jahren. 2003 verkaufte die Ina ein Viertel der Anteile an die Mol. Danach wurden weiter Aktien am freien Markt verkauft. Dadurch verlor Kroatien im Jahr 2009 die Aktionärsm­ehrheit – der Staat hält noch 44,8 Prozent. Die Mol hält nun 49,1 Prozent der Aktien.

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