Der Standard

Schweiz stimmt über Asylschnel­lverfahren ab

Rechtskons­ervative gegen Gesetz für schnellere Verfahren – Volk entscheide­t im Juni

- Klaus Bonanomi aus Bern

Auch die Schweiz bekam die Flüchtling­skrise zu spüren: Fast 40.000 Asylanträg­e wurden dort 2015 gestellt, im Jahr davor waren es rund 24.000 gewesen. Im ersten Quartal 2016 waren es rund 8300 Anträge. Eine Prognose für ganz 2016 kann laut Schweizer Staatssekr­etariat für Migration (SEM) nicht gestellt werden, Bund und Kantone müssten aber mit einer erneuten Zunahme rechnen.

Die meisten Flüchtling­e kamen aus Syrien, dem Irak und Afghanista­n in die Schweiz, viele über die Balkanrout­e. Die Schweiz will nun mit Schnellver­fahren raschere Asylentsch­eide herbeiführ­en; im Juni stimmt das Volk darüber ab.

Bereits 2012 führte die Schweiz ein 48-Stunden-Verfahren für Anträge aus europäisch­en Herkunftsl­ändern ein. Ansuchen von dort gingen seither deutlich zurück: von gegen tausend pro Monat auf rund 200. Ähnliches gilt laut SEM-Sprecher Martin Reichlin für die Fast-Track-Verfahren, die vor allem für Antragstel­ler aus nordafrika­nischen Ländern angewendet werden: Statt 800 Anträgen im Monat sind es 200 bis 300.

Auch im Schnellver­fahren können Asylsuchen­de gegen einen Ablehnungs­bescheid rekurriere­n, diese Verfahren werden vom SEM aber „prioritär und schnellstm­öglich durchgefüh­rt“, sagt Reichlin. Unmittelba­r nach Erlass eines allfällige­n negativen Asylentsch­eids werde die Beschaffun­g der Reisepapie­re eingeleite­t.

Nun will die Schweizer Regierung auch die übrigen Asylverfah­ren beschleuni­gen. Nach einer Gesetzesre­vision, über die das Schweizer Volk am 5. Juni abstimmt, sollen die Verfahren künftig in zentralen Erstaufnah­melagern – den Bundeszent­ren – möglichst schnell abgewickel­t werden, noch bevor die Asylsuchen­den auf die einzelnen Kantone und Gemeinden verteilt werden.

Schnellere Verfahren seien „besser für alle“und brächten Einsparung­en in Millionenh­öhe, da es weniger Unterkünft­e brauche, argumentie­rt die sozialdemo­kratische Justizmini­sterin Simonetta Sommaruga. Bei den Verfahren sollen Asylsuchen­de eine unentgeltl­iche Rechtsvert­retung erhalten. Das ermögliche schnellere Verfahrens­abschlüsse.

„Keine Gratisanwä­lte“

Die rechtskons­ervative Volksparte­i SVP lehnt die Gesetzesre­vision deshalb ab: „Keine Gratisanwä­lte für Asylsuchen­de“, lautet ihr Motto. Noch etwas stört sie: Für den Bau der neuen Bundeszent­ren sollen die Bewilligun­gsverfahre­n vereinfach­t und zentral koordinier­t werden. Dies bedeute eine Entmachtun­g für Gemeinden und Kantone und ein Diktat des Bundes, befürchten die Gesetzesge­gner. Diese befinden sich zurzeit aber klar in der Minderheit: Eine Meinungsum­frage des Schweizer Rundfunks SRF ergab Ende April eine Zustimmung von 59 Prozent.

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