Der Standard

Miete mit fremder Karte bezahlt

Prozess gegen Alleinerzi­ehende endet mit Diversion

- Michael Möseneder

Wien – „Wie passiert einer unbescholt­enen Mutter so was?“, wundert sich Richter Andreas Böhm, nachdem Isabella E. Platz genommen hat. 44 Jahre ist die Frau alt geworden, ohne mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen, plötzlich drohen ihr bis zu zwei Jahre Haft wegen „Entfremdun­g unbarer Zahlungsmi­ttel“.

„Ich hatte damals viele Schulden“, sagt die Angeklagte, die eine siebenjähr­ige Tochter hat. 12.000 Euro Außenständ­e waren es, dann brauchte sie 400 Euro für die Miete. „Ich bin zum Sozialamt gegan- gen. Die haben gesagt, dass ich eh Alimente bekomme. Aber mein Exmann zahlte die ja nicht“, erklärt sie.

Als sie zurück zu ihrer Wohnung kam, hatte sie scheinbar Glück. Denn im Postkasten lag eine Kreditkart­e samt Code. Allerdings gehörte die einem Mann, der Briefträge­r muss sie falsch eingeworfe­n haben. „Dann haben Sie mit der Karte 400 Euro abgehoben?“, fragt Böhm. „Ja, die habe ich dann eingezahlt. Und dann bin ich zu einer anderen Bank gefahren, habe beim Automaten einen viel zu hohen Betrag eingegeben, damit die Karte eingezogen wird“, antwortet die.

Der Richter hält ihr Aufnahmen aus der Überwachun­gskamera des Bankomaten vor: „Es schaut da aber schon so aus, als ob Sie versuchen, Ihr Gesicht zu verdecken“, meint er. „Ich muss dazusagen, dass es damals wirklich kalt war!“, gibt E. zu bedenken.

Die Staatsanwä­ltin richtet aus, dass ihr Kollege, der den Akt bearbeitet, eine Diversion aus generalprä­ventiven Gründen ablehnt, sie selbst hätte kein Problem damit. Böhm plant genau das und stellt schließlic­h rechtskräf­tig das Verfahren vorläufig ein, wenn die Angeklagte der Kreditkart­enfirma innerhalb von zwei Monaten die 400 Euro zahlt.

„Haben Sie 50 Euro für den Beitrag für die Gerichtsko­sten da?“, fragt er am Ende. M., die mittlerwei­le als Angestellt­e arbeitet und nur noch 300 Euro Schulden hat, sieht nach, kann nur 30 Euro in bar bieten. „Passt auch“, ist der Richter zufrieden, nachdem ihm die Frau auch noch verspricht, nie wieder etwas anzustelle­n.

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