Das Donaufestival in Krems verlässt auch am zweiten Wochenende nur selten die üblichen Schaltkreise. Ein paar heiße Drähte waren dennoch dabei, bei der letzten Ausgabe unter Tomas Zierhofer-Kin.
Wien – Recht sang- und klanglos ging am Samstag das letzte Donaufestival unter der künstlerischen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin zu Ende. Der 47-Jährige übernimmt ab 2017 die Intendanz der Wiener Festwochen, in Krems folgt ihm der Journalist und Kurator Thomas Edlinger nach. Ein Wechsel zur richtigen Zeit.
Denn dem Kremser Avantgardefestival, ab 2005 von ZierhoferKin erfolgreich neu positioniert und zur Blüte gebracht, schien nach Höhepunkten 2009 (Fake Reality) und 2010 (Failed Revolutions) zuletzt ein wenig die kreative Luft auszugehen. Bands sind teuer. Die gestiegene Aufmerksamkeit für Sounds aus dem Laptop erklärt sich daher wohl etwas profaner, als die Rede vom Club als „diskursivem gesellschaftlichem Schlachtfeld unserer Zeit“(Zierhofer) glauben machen will.
Das Motto Niemand hat euch eingeladen, gemünzt auf eine Aussage von Bundeskanzler Werner Faymann, erschloss sich dem Publikum vor allem im performativen Bereich: So zeigten Ryan Mitchell und seine Gruppe Saint Genet in einem emotionalen, musikalisch erhebend inszenierten Stück Bilder von der Erosion des Humanen. Einen in viele Richtungen deutbaren Blick auf das Phänomen des Denunziantentums ermöglichte die Kunstinspektion Donau. Im Kaffeehaus als Posten nahmen die Performer Julius Deutschbauer, David Jagerhofer und Barbara Ungepflegt hunderte Anzeigen entgegen und gingen jedem (berechtigten bis absurden) Sachverhalt mit kriminalistischem Eifer nach.
Die Haus-und-Hof-Performer von God’s Entertainment konfrontierten das Publikum im zweiten Teil ihres Stücks zur Flüchtlingskrise mit einem Autoritarismustest: „Bitte erheben Sie sich für die österreichische Bundeshymne!“, wiederholte die vor einer Grenzmauer stehende Festrednerin minutenlang. Was tun? Dem Druck der Masse nachgeben oder das Stück qua individueller Prinzipien hinauszögern? Nur wenigen war am Ausloten der eigenen Widerspenstigkeit mehr gelegen als am reibungslosen Ablauf eines Flüchtlingsdramas.
Tri tra trallala, schön
Musikalisch stand der Donnerstag ganz im Zeichen von NoiseGenre-Schmelzen. Beim Projekt Good Sad Happy Bad der britischen Filmmusikproduzentin Mica Levi ist der Name Programm: Aufgezogene Synths, die sagen, „Scotty, beamen“, treffen sich mit Courtney Barnett auf Rohypnol. Unmotiviert dahingerotzte Parolen verschwimmen zu leisen Anklängen an vor sich hingesummte Kinderlieder, tri tra trallala, der Grunge, der ist noch immer da: Arte povera mit Scheiß-drauf-Jogginghose. Schön.
Nichts für schwache Herzen oder für den nervösen Montag nach einem flüssigen Wochenende war Manuel Knapp. Wie schon beim Elektrikerkollegen Evian Christ eine Woche zuvor hat auch hier die Frontalpredigt mit der Apple-Monstranz einmal Pause. Ohren und Augen werden vom hinter einer Nebelwand verschwundenen DJ per atomarem Rundumschlag über die Belastungsgrenze gebracht. Eine akustische Streckbank für Autoaggressive, die Terminator Salvation lieber heute als morgen erleben wol- len. Cut Hands lieferten mit geistreichen Visuals einen Stepptanz beim Hufschmied zwischen Afrobeat und Industrial-Knattern. Die atonalen Krachproduzenten Wolf Eyes hingegen muss man sich vorstellen wie Oasis nach ihrer Strafverbannung auf den Pluto.
Der Freitag gehörte, neben starkem New Yorker Hip-HopWumms von Le1f gegen Homophobie und Rassismus vor allem dem unscheinbaren AfterhourDuo Easter: Stine Omar Midtsæter spricht über Mushrooms, Soja und Alienbabys mit der Ruhe eines Navigationsgeräts und macht sogar a cappella weiter, als sich wieder einmal das Soundsystem verabschiedet. Die Schönheit des Scheiterns – wunderbare, weil völlig fertige Darbietung.
Tim Heckers Ambient am ausverkauften Techno-Samstag erzählte minder virtuos vom Wegdösen am Strand und Aufwachen im Glockenturm. Bei der Liveversion des Produzenten Pantha du Prince sitzen zwei Protagonisten am Synthesizer und einer am Schlagzeug. Sie tragen silbern funkelnde Masken oder lichtbündelnde Spiegel vorm Gesicht und geben ihrem Schauspiel den Anschein eines heidnischen Kultrituals. Akustisch tauchen unter viel Klimbim immer wieder tanzbare Beats auf, die durch die vorangegangenen Störelemente umso lustvoller in die Hüften fahren.
DJ Koze stellte die extra seinetwegen Angereisten mit einem soliden Club-Set mit fetten Drops irgendwo zwischen Arschtritt und G’nackwatschn zufrieden. Nach einer gesalzenen Kastrationsandrohung der feministischen Klitclique und dem entbehrlichen Schmonzes von Gelatin durfte der gefeierte Berghain-Haudrauf Rødhåd die Abschlussparty geben. Ein Wunsch für 2017? Mehr Instrumente, weniger Rechner.