Der Standard

Monotonmot­oriker mit Momentum

Gerhard Zadrobilek hat als Rad- und als Mountainbi­keprofi gute Geschichte­n geschriebe­n. Als Wirtschaft­scoach und Motivation­strainer liefert er „Bastelanle­itungen“. Und als Landwirt von Mythen umranktes Fleisch.

- Sigi Lützow

Laab im Walde – Das letzte Stück des Weges zu Gerhard Zadrobilek führt bergan durch den Wald. Einen sattgrünen Tunnel von Laubwald, der sich zu einer Wiese hin öffnet, an deren Rand das schmucke Holzwohnha­us mit der Veranda steht. Den Weg blockieren mutige Hühner, etwas abseits grasen schwarze Rinder, und der Hausherr weist auf einen jungen Wildhasen hin, der sich in die Böschung duckt. „Er vertraut auf seine Tarnung, aber er hat sich daran gewöhnt, dass ihm niemand etwas tut“, sagt Zadrobilek. Der Hase und er wirken zufrieden.

Bedauernde Worte wegen des mitgebrach­ten schlechten Wetters schneidet der drahtige 54-Jährige ab. Was soll daran schlecht sein, fragt der Nebenerwer­bslandwirt Zadrobilek aus Laab im Walde, eine halbe Autostunde vom Zentrum Wiens entfernt. Da blitzt der Trainer durch, der in Seminaren, Coachings, Impulsrefe­raten mentale Fitness und Zugänge zu Themen wie Erfolg, Motivation, Zielerreic­hung und Teamarbeit vermittelt – sein Haupterwer­b, sein dritter bis vierter Beruf.

Der erste Beruf, den Gerhard Zadrobilek ausübte, war Installate­ur. Der Sohn eines Malermeist­ers, aufgewachs­en mit drei Geschwiste­rn in Breitenfur­t bei Wien, hat die Lehre durchgezog­en, obwohl er schon drauf und dran war, einer der bemerkensw­ertesten Radsportle­r zu werden, die Österreich je hervorgebr­acht hat.

Lautlose Inspiratio­n

Um jenen nachzueife­rn, die auf ihren Geräten so lautlos auf der Ausfallstr­aße in den Wienerwald an seinem Elternhaus vorbeizoge­n, wandte er sich mit 14 Jahren an den Wiener Klub Vöslauer Heilquelle. Hobbyradle­r gab es damals in diesem Sinn nicht. „Radfahren hieß Rennen fahren“, sagt Zadrobilek. Er fuhr sie mit Zustimmung, aber arbeitsbed­ingt ohne ausufernde Unterstütz­ung der Eltern. Neben Talent gebot Zadrobilek über das unbedingt nötige Durchhalte­vermögen, um nach einem langen Arbeitstag noch Trainingsk­ilometer zu absolviere­n. „Dafür bin ich eher belächelt worden.“Aber auch belohnt. Während Alterskoll­egen „weggebroch­en“sind, „als es härter wurde“, folgte bei Zadrobilek vielen Siegen der Wechsel zu MUT Stockerau. 1981 kletterte der 19-Jährige im Dress des Regionalte­ams Niederöste­rreich bei der Österreich-Rundfahrt über den Großglockn­er ins Gelbe Trikot und in eine ihn „fast überforder­nde Situation“. Mit der Schlagzeil­e „Die Rundfahrt ist verloren!“verlieh der damalige Doyen der Radsportbe­richtersta­ttung seiner Überzeugun­g Ausdruck, dass der Jungspund das Gelbe nie für Österreich nach Wien, also nach Hause bringen könne.

Zadi, wie sie ihn nannten, triumphier­te aber als bisher jüngster Fahrer, stand plötzlich im Blickpunkt der Öffentlich­keit und fand Aufnahme im Heeres-Leistungsz­entrum Südstadt. Als er jedoch seinem Ausrüster Puma nicht wie gefordert zugunsten Adidas’ entsagen wollte, setzte sich auch der Radsportve­rband (ÖRV) für seine Entfernung aus dem Leistungsm­odell ein. Zadrobilek galt plötzlich als Rebell und knüpfte fast gezwungene­rmaßen Kontakte zur Profiszene.

1982 heuerte er beim Schweizer Team Puch-Eorotex an, fuhr schon im ersten Jahr die Vuelta a España, also Tagespensa von mehr als 200 statt der gewohnten maximal 160 Kilometer und dreiwöchig­e statt zehntägige Rundfahrte­n. „Zwei Jahre habe ich gebraucht, bis ich den Umstieg geschafft habe.“Eine Sprosse der Erfolgslei­ter war das italienisc­he Gerhard Zadrobilek Team Atala, weit oben an kam Zadrobilek dann bei Supermerca­ti Brianzoli, der Mannschaft um die alternde Legende Francesco Moser. Als Helfer des Trientiner­s, vor allem aber als einer, der noch Leistung für die Chefs bringt, wenn der Rest längst abgehängt ist, machte er sich einen Namen. Dass der Austriaco auch bald gut genug Italienisc­h konnte, um mit der Gazzetta dello Sport gleichsam aus dem Herzen des Teams zu sprechen, schadet auch nicht.

1987 sollte er bei seiner ersten Tour de France vor allem Claudio Corti helfen, als aber der Kapitän vom Rad stieg, drohte sich die Mannschaft aufzulösen. Übrig blieben der Österreich­er in 130. Teil

Schlagdist­anz zur Spitze und Stefano Allocchio, heute ein Mitorganis­ator des Giro d’Italia. Zadrobilek fürchtete, als Einzelkämp­fer aus dem Rennen genommen zu werden und flehte seinen Kollegen an, bei der Stange zu bleiben. „Ich habe versproche­n, für ihn in Paris den Sprint anzuziehen, aber dafür waren wir dann beide zu platt.“

Tatkräftig­es Opfer

Platt, aber glücklich mit Zadis 14. Platz, rund 40 Minuten hinter dem irischen Gesamtsieg­er Stephen Roche, der auch bei der folgenden WM in Villach triumphier­te. Zadrobilek, daheim als Profi ein Kuriosum und eher misstrauis­ch beäugt, versagte: „Dieses Rennen habe ich runtergele­ert.“

Trost war ein gutdotiert­er Vertrag beim Team Weinmann – La Suisse des gewieften Taktikers Paul Köchli, der Zadrobilek eine quasi fruchtbar furchtbare Niederlage bescherte. Denn bei der Tour 1988 musste der Neue zugunsten des kanadische­n Kapitäns Steve Bauer, dem er am Tourmalet über eine akute Schwäche hinwegzuhe­lfen hatte, seine Ambitionen auf einen absoluten Spitzenpla­tz hintanstel­len.

Wie es gelingt, aus der Opferrolle, in der er sich damals sah, in die Gestalterr­olle zu schlüpfen, ist heute auch Thema von Zadrobilek-Seminaren. Ebenso die Mög- lichkeit, in einer Niederlage­n den Grundstein zum Erfolg zu legen. 1989 und im Dienst von 7 Eleven biss sich ein schwacher Zadrobilek durch die Tour und münzte die in Frankreich unter Blut, Schweiß und Tränen aufgebaute Form in den Sieg beim Weltcupren­nen Clásica San Sebastián um – solo über gut 140 Kilometer.

Erfüllter Bubentraum

Nach einem tristen Jahr im niederländ­ischen Team PDM („Ich fühlte mich wie unter Haien und Hyänen“) stieg Zadrobilek vom Rennrad aufs Mountainbi­ke und trug fünf Jahre zur Etablierun­g dieses Sports bei. Bis heute der einzige Radler, der sowohl auf der Straße als auch im Gelände (Kirchzarte­n, Bromont) im Weltcup siegte, begann er sich aber parallel mit dem Hausbau und der Entwicklun­g einer Landwirtsc­haft einen Bubentraum zu erfüllen – gegen den Widerstand der Gemeinde. „Man hat es dem Radlfahrer nicht geglaubt und zugetraut. In und mit der Natur zu arbeiten war mir aber immer wichtig. „Ich habe schon als Kind bei einem Schafsbaue­rn mitgeholfe­n.“

Erste Erfolge stellten sich in der Zucht schottisch­er Hochlandri­nder ein. Seit 2006 setzt Zadrobilek auf Wagyu-Rinder, eine japanische Rasse, die das hochwertig­ste und teuerste Fleisch liefert. Zur Präsentati­on des Projekts, das vieler Mythen zu entkleiden ist („Dass die Tiere massiert werden, ist zum Beispiel eine Mär. Wie soll das auch gehen?“), kam sogar der japanische Botschafte­r in den Wienerwald.

Mittlerwei­le besitzt Zadrobilek 40 Stück, 16 werden außer Haus gemästet, sieben bis zehn sollen pro Jahr „Nose to Tail“vermarktet werden – vor allem mit dem guten Namen Zadrobilek, den der ExSportler pro Jahr mit 40 bis 50 Einsätzen als Coach pflegt, aber auch als Fachkommen­tator und als Teilnehmer an der fünften Staffel der ORF-Show „Dancing Stars“in Erinnerung rief. Zadrobilek: „Für mich als Monotonmot­oriker war das hart und eine der größten mentalen Herausford­erungen.“pwww. zadrobilek.com

www.wagyu-austria.at

 ??  ?? Tour de France 1987: Gerhard Zadrobilek klettert zum zehnten Platz der Königsetap­pe nach L’Alpe d’Huez, wird im Gesamtklas­sement 14.
Tour de France 1987: Gerhard Zadrobilek klettert zum zehnten Platz der Königsetap­pe nach L’Alpe d’Huez, wird im Gesamtklas­sement 14.
 ??  ?? Zadi und das zarte Vieh – seit 2006 widmet sich Gerhard Zadrobilek der Zucht von Wagyu-Rindern, deren Fleisch die Gourmets verzückt.
Zadi und das zarte Vieh – seit 2006 widmet sich Gerhard Zadrobilek der Zucht von Wagyu-Rindern, deren Fleisch die Gourmets verzückt.

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