Der Standard

Zaungäste der Mutterscha­ft

- Roman Gerold

Schnörkel im Lebensweg sind etwas Schönes, und Skepsis gegenüber Biografien, die wie auf Schiene, ohne Schlenkere­r, von der Wiege zur Bahre führen, oft angebracht. Es hat selbstrede­nd Vorteile, dass man Studium, Wohnort, Arbeitspla­tz und Partner heute leichter wechselt als früher; und dass junge Menschen gern auf (innere wie äußere) Reisen gehen, bevor sie sich fortpflanz­en.

Man soll dabei aber auf die biologisch­e Uhr schauen – das könnte eine Moral aus jener Geschichte sein, mit der der ORF gestern Nacht den Muttertag beschloss: Für die Dokumentat­ion Alle 28 Tage protokolli­erte die deutsche Filmemache­rin Ina Borrmann (geb. 1969) ihre Begegnunge­n mit der Fortpflanz­ungsmedizi­n, die sie gemeinsam mit ihrem Freund Marc erlebte, nachdem eines Tages plötzlich doch der Kinderwuns­ch aufgetauch­t war.

Borrmann nahm die Kamera aber nicht nur in die Arztpraxis mit. Sie zeigt auch ihre Eltern und Geschwiste­r, die beim „Konzept der Kleinfamil­ie“geblieben sind, das Borrmann selbst immer für spießig gehalten hatte: als sie, wie es einmal nachdenkli­ch heißt, nur „etwas werden und nichts sein wollte“.

Alle 28 Tage ist sehr, sehr intim und, ja, berührend. Männern, die beim Thema Mutterscha­ft letztlich freilich Zaungäste bleiben, bot indes Marc eine wunderbare Identifika­tionsfigur – wortkarg, aber halt auch ein Ruhepol. Beispielha­ft eine Szene im Auto, in der ihm Borrmann eine emotionale­re Frage stellt und ihm einfällt, dass er die Brösel aus dem Schalthebe­lleder kiefeln könnte. Im Gedächtnis blieb an Marc indes auch, dass er sich als einziger Protagonis­t, zumindest zwischenze­itlich, auch von der Anwesenhei­t der Kamera irritiert gefühlt haben dürfte. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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