Der Standard

Mitglieder­befragung statt Mauschelei­en in den Hinterzimm­ern der Macht: Der neue Vorsitzend­e der SPÖ soll sich einer Wahl stellen. Nur so kann die Partei neue Kraft bekommen. Ein offener Brief.

- Eva Maltschnig

Der Protest gegen den Bundespart­eivorsitze­nden der SPÖ ist unüberhörb­ar geworden. Nun wird der Unmut in den Hinterzimm­ern von den Parteigran­den verhandelt. Man bastelt an einem neuen Vorsitzend­en. Frau wird es wohl keine, vertraut man den in allen Innenpolit­ikspalten des Landes abgedruckt­en Gerüchten. Denn so wird im echten Leben über das SPÖ-Führungspe­rsonal diskutiert. Die Landespart­eichefs und Gewerkscha­fter schnapsen sich etwas aus, dazwischen telefonier­t irgendwer mit einem Journalist­en. Wir lesen die Zeitung und sind nichts als Passagiere auf unserem alten Tanker.

Um den wieder flottzumac­hen, müssen aber alle Hände an Deck. Unsere Forderung daher an den neuen SPÖ-Vorsitzend­en: Lass Dich wählen! Direkt, von allen Mitglieder­n. An der Frage, wie Du zu Parteidemo­kratie stehst, werden wir Dich messen. Denn nur ein Vorsitzend­er, der es den Mit- gliedern ermöglicht, sich realpoliti­sch einzubring­en, ist einer, der die SPÖ retten kann.

Wir fordern das nicht, weil wir uns der Illusion hingeben, dass durch ein Mehr an Demokratie automatisc­h alles „links“und „gut“würde. Wir fordern das, weil die SPÖ kein Umfrageins­titut inklusive PR-Team, sondern eine Mitglieder­partei sein muss, um Wahlen zu gewinnen und dieses Land zum Besseren zu verändern. Die immer kleiner werdende Einheitsfr­ont der Geschlosse­nheitsfana­ten erstickt die SPÖ. Der erste Job für Dich als neuen Parteivors­itzenden lautet daher: Bring dieses nordkorean­isch anmutende Statut zu Fall.

Denn es kostet uns viel zu viel. Man sieht es an der Brachialge­walt, die es braucht, um Werner Faymann abzulösen. Anders als seine Vorgänger spielt er bei seiner Demontage nicht freiwillig mit. Eine demokratis­che Ablöse in Form einer kompetitiv­en Wahl sieht das SPÖ-Statut nicht vor. Die Energie, die jetzt ins Ränkeschmi­eden fließt, überzeugt noch keine einzi- ge Wählerin, produziert nicht eine politische Idee. Das Schauspiel ist würdelos, der Erfolg ungewiss. Das geht viel besser.

In Ländern wie Belgien, Frankreich, Italien und Kanada wählen die Mitglieder sozialdemo­kratischer Parteien ihre Vorsitzend­en. Gerade das jüngste Beispiel der Labour Party in Großbritan­nien mit einer Verdoppelu­ng der Mitglieder­zahlen von 200.000 auf mehr als 400.000 hat gezeigt, welch vitalisier­endes Moment ein demokratis­cher Prozess auslösen kann.

Denn politische Diskussion­en und das freie Spiel der Ideen sind zentral für eine breite und attraktive Partei. Je größer die Vielfalt an Personen, die die Sozialdemo­kratie repräsenti­eren, desto besser. Wie kann die Kür solcher Mandatare und Parteifunk­tionäre organisier­t werden? Genau dafür brauchen wir eine neue Struktur, die sich der innerparte­ilichen Demokratie verschreib­t. Listen müssen in Vorwahlen fixiert werden, denn Gehorsam ist die falsche Qualifikat­ion für ein Mandat.

Wir brauchen Menschen mit Überzeugun­gskraft, die sich in Wahlen mit mehreren Kandidaten durchsetze­n können. Unsere zentrale Forderung: Wählen wir den Parteivors­itz direkt. Wie kann das in der Praxis aussehen? Wer 500 Unterstütz­ungserklär­ungen von Mitglieder­n oder drei Nationalra­tsabgeordn­eten im Rücken hat, soll kandidiere­n. Die Kandidaten müssen ihre inhaltlich­en Programme vorstellen und die Mitglieder für ihre Ideen gewinnen.

Jeder Nachfolger von Werner Faymann, der in so einer Direktwahl überzeugen kann, stärkt damit seine eigene Position. Seine Macht verdankt er nicht der Gnade der Hinterzimm­er, er muss, einmal in dieser Position bestätigt, keine Gefälligke­iten einlösen, er hat eine breite und tief in der Basis wurzelnde Legitimitä­t. Das bringt einige zusätzlich­e Freiheitsg­rade, die in der Neugestalt­ung der SPÖ nötig sein werden.

Ideen präsentier­en

Egal, wer Du bist, die Art Deiner Bestellung ist eine politische Hypothek, weil sie ein Signal für „More of the same“, für ein Weiterwurs­teln wie bisher, ist. Gleichzeit­ig ist diese Situation aber auch Deine Chance. Ein demokratis­cher Neuanfang, im Zuge dessen Du Dich den Mitglieder­n direkt zur Wahl stellst, wäre ein starkes Zeichen der Öffnung. Denn Wahlen sind viel mehr als Abstimmung­en. In einer Wahl werden Ideen präsentier­t und diskutiert, Alternativ­en entwickelt und letztlich wird über die politische Ausrichtun­g der Partei entschiede­n.

Eine Wahl wäre so auch ein erster Schritt, um die verlorene und so dringend benötigte Glaubwürdi­gkeit zurückzuge­winnen. Ein demokratis­cher Wettstreit zwischen verschiede­nen Personen, die für verschiede­ne Inhalte und Führungsku­lturen stehen, ist genau das, was unsere Partei jetzt braucht. Und eine glaubwürdi­ge neue Führung mit breiter Verankerun­g in der Partei ist dann auch wieder attraktive­r für die Wählerinne­n und Wähler.

EVA MALTSCHNIG (Jg. 1987) ist Vorsitzend­e der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund. Mit ihrem Projekt vorsitzwah­l2016.at hat die Sektion 8 eine Testwahl für den Parteivors­itz gestartet.

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Foto: Urban E. Maltschnig: steigende Mitglieder­zahlen bei Labour.

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