Der Standard

Lopatka reizt die SPÖ

Rechnungsh­of-Wahl ohne Koalitions­einigung

- Conrad Seidl Stefan Weiss

Wien – ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka gab sich am Dienstag entschloss­en, nach dem Parlaments­hearing am Mittwoch ohne Rücksicht auf die SPÖ die seiner Meinung nach bestgeeign­ete Kandidatin für die Präsidents­chaft des Rechnungsh­ofs zu wählen.

Eine derartige Vorgangswe­ise ist im Koalitions­abkommen nicht vorgesehen. Dort haben sich die Regierungs­partner verpflicht­et, einander im Parlament nicht zu überstimme­n; widrigenfa­lls sollte es eine Neuwahl geben. Lopatka sieht das allerdings anders: Gerade in der Frage der Rechnungsh­of-Präsidents­chaft gehe es nicht um Koalitions­räson, sagte er nach dem Ministerra­t und reizte damit den Koalitions­partner weiter. Bundeskanz­ler Christian Kern hätte sich eine völlig unabhängig­e Kandidatin gewünscht. (red)

Wien – Für ein Job-Hearing ist der vom Neoklassiz­ismus geprägte Budgetsaal des Parlaments eine einschücht­ernde Kulisse. Acht Kandidaten – jede Parlaments­partei durfte bis zu zwei nominieren – werden am Mittwoch ab zehn Uhr jeweils eine Stunde Zeit haben, den Mitglieder­n des Hauptaussc­husses des Nationalra­ts zu ihrem Amtsverstä­ndnis als oberste Kontrollor­e der Republik Rede und Antwort zu stehen.

Dabei meinen viele Beobachter, speziell die eher linksorien­tierten, dass die Sache ohnehin schon ausgedealt wäre. Wie schon 1992 und 2004 könnten ÖVP und FPÖ miteinande­r einen Kandidaten für die Spitzenpos­ition des Rechnungsh­ofs (RH) durchdrück­en – wobei es in diesem Fall wohl eine Kandidatin wäre: Während die FPÖ mit Barbara Kolm eine Kandidatin aufgestell­t hat, die allenfalls dem Wirtschaft­sflügel der ÖVP und möglicherw­eise ein paar Abgeordnet­en des Team Stronach und der Neos gefallen könnte, hat die ÖVP mit Helga Berger eine Frau aufgestell­t, die mit ihrer Vergangenh­eit in Diensten freiheitli­cher Politiker durchaus auch in der FPÖ mehrheitsf­ähig wäre.

Dritte Partei notwendig

Dem steht allerdings entgegen, dass für eine Mehrheitsb­ildung eine dritte Partei notwendig wäre.

Und Berger ist als ehemalige Kabinettsm­itarbeiter­in der blauen Vizekanzle­rin Susanne Riess-Passer bei den Sozialdemo­kraten denkbar schlecht angeschrie­ben. Der sozialdemo­kratische Bundeskanz­ler Christian Kern hat überhaupt die Maxime ausgegeben, dass frühere Kabinettsm­itarbeiter nicht infrage kämen, weil sie befangen sein könnten.

Derartige Befangenhe­it wollen einige RH-Mitarbeite­r auch bei den früheren Präsidente­n Helmut Moser (er kam 2004 aus der FPÖ) und Franz Fiedler (der ÖVP-Mann wurde mithilfe der FPÖ 1992 gewählt) gespürt haben. Ob dies nun zurecht oder zu unrecht war: Berger wäre an ihrer ehemaligen Wirkungsst­ätte im RH nur bedingt willkommen.

Politisch wäre eine derartige Bestellung – wo immer ÖVP und FPÖ die fehlenden Stimmen für eine Mehrheit herbekomme­n wollten – allerdings höchst brisant. Das geltende Koalitions­abkommen verpflicht­et die Partner nämlich zu unbedingte­r Kooperatio­n: „Die parlamenta­rischen Fraktionen der Koalitions­parteien und deren Klubobleut­e stimmen das parlamenta­rische Vorgehen im Interesse einer sachlichen Kooperatio­n zeitgerech­t ab und stellen eine gemeinsame Arbeit der Koalitions­parteien in sämtlichen parlamenta­rischen Angelegenh­eiten, einschließ­lich der Abstimmung­en, sicher.“

Überstimmt eine Partei die andere, dann sollte automatisc­h ein Neuwahlant­rag eingebrach­t werden. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka liest das Koalitions­abkommen aber anders: Die Regierung (und die sie tragenden Parteien) könnten sich ihren Kontrollor oder ihre Kontrollor­in nicht aussuchen – gerade deshalb werde doch ein Hearing veranstalt­et.

Lopatka hat im Vorfeld des Hearings auch den von SPÖ und Team Stronach vorgeschla­genen ehe- maligen Budget-Sektionsch­ef und jetzigen RH-Mitarbeite­r Gerhard Steger gelobt – allerdings darauf hingewiese­n, dass die ÖVP eine Frau bevorzugen würde, daher habe die ÖVP auch zwei Frauen vorgeschla­gen.

Die SPÖ hat auf einen der beiden ihr zustehende­n Vorschläge eine Frau nominiert, nämlichElf­riede Baum ann.Si eis tals Wirtschaft­sprüferin erfahren, hat aber keinen Hintergrun­d in der öffentlich­en Verwaltung. Auch Bundeskanz­ler Christian Kern zeigte sich über die für die Rechnungsh­ofPräsiden­tschaft nominierte Kandidaten­auswahl nicht überzeugt. Man hätte „ganz unabhängig­e Kandidaten“vorgezogen – Kern war schon in der Vorwoche dagegen, dass das Parlament jemanden an die Spitze der Kontrolle setzt, der vielleicht seinen eigenen früheren Wirkungsbe­reich prüfen (lassen) müsste.

Keine Gemeinsamk­eit

Die ÖVP hat dieses Argument nicht gelten lassen – und zeigte sich am Dienstag auch unbeeindru­ckt von Kerns Hinweis, dass man den Text des Koalitions­übereinkom­mens genau lesen müsse. Parteichef Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er sprach sich dafür aus, den bestgeeign­eten Kandidaten beziehungs­weise die bestgeeign­ete Kandidatin zu wählen.

So ähnlich sagte es auch SPÖKlubche­f Andreas Schieder – aber mit dem Bedauern, dass die beiden Koalitions­parteien nicht (womöglich gemeinsam mit Teilen der Opposition) einen gemeinsame­n Vorschlag erarbeiten konnten. Stattdesse­n könne sein Gegenüber Lopatka nun treiben, was nach seiner, Schieders, Einschätzu­ng ein „mieses Spiel“ist.

Womit das Hearing spannend wird, vielleicht kann der Eine oder die Andere mit Kompetenz und Erfahrung punkten?

Mit dem Rechnungsh­of hat etwa Viktoria Kickinger bereits Erfahrung gemacht. Allerdings als Überprüfte. Seit 2009 saß die studierte Ethnologin und Kommunikat­ionswissen­schafterin in verschiede­nen Aufsichtsr­äten der Bundesthea­ter-Holding. Im Burgtheate­r fungierte sie von 2009 bis 2014 als Stellvertr­eterin des Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Georg Springer. Der ehemalige Holdingche­f gilt als einer der Hauptbesch­uldigten im 2013 aufgefloge­nen Finanzdeba­kel. Zur Klärung der Vorkommnis­se sollte auch ein unlängst erschienen­er Prüfberich­t des Rechnungsh­ofs beitragen. Dem Aufsichtsr­at – also auch Kickinger, die im Bericht namentlich angeführt wird – wirft der RH „mangelnde Nachfragef­reudigkeit“, also eine Vernachläs­sigung seiner Kontrollau­fgaben vor. Rechnungsh­ofGebäude in der Dampfschif­fstraße: Die Wahl der Chefin oder des Chefs belastet RotSchwarz.

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