Lopatka reizt die SPÖ
Rechnungshof-Wahl ohne Koalitionseinigung
Wien – ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka gab sich am Dienstag entschlossen, nach dem Parlamentshearing am Mittwoch ohne Rücksicht auf die SPÖ die seiner Meinung nach bestgeeignete Kandidatin für die Präsidentschaft des Rechnungshofs zu wählen.
Eine derartige Vorgangsweise ist im Koalitionsabkommen nicht vorgesehen. Dort haben sich die Regierungspartner verpflichtet, einander im Parlament nicht zu überstimmen; widrigenfalls sollte es eine Neuwahl geben. Lopatka sieht das allerdings anders: Gerade in der Frage der Rechnungshof-Präsidentschaft gehe es nicht um Koalitionsräson, sagte er nach dem Ministerrat und reizte damit den Koalitionspartner weiter. Bundeskanzler Christian Kern hätte sich eine völlig unabhängige Kandidatin gewünscht. (red)
Wien – Für ein Job-Hearing ist der vom Neoklassizismus geprägte Budgetsaal des Parlaments eine einschüchternde Kulisse. Acht Kandidaten – jede Parlamentspartei durfte bis zu zwei nominieren – werden am Mittwoch ab zehn Uhr jeweils eine Stunde Zeit haben, den Mitgliedern des Hauptausschusses des Nationalrats zu ihrem Amtsverständnis als oberste Kontrollore der Republik Rede und Antwort zu stehen.
Dabei meinen viele Beobachter, speziell die eher linksorientierten, dass die Sache ohnehin schon ausgedealt wäre. Wie schon 1992 und 2004 könnten ÖVP und FPÖ miteinander einen Kandidaten für die Spitzenposition des Rechnungshofs (RH) durchdrücken – wobei es in diesem Fall wohl eine Kandidatin wäre: Während die FPÖ mit Barbara Kolm eine Kandidatin aufgestellt hat, die allenfalls dem Wirtschaftsflügel der ÖVP und möglicherweise ein paar Abgeordneten des Team Stronach und der Neos gefallen könnte, hat die ÖVP mit Helga Berger eine Frau aufgestellt, die mit ihrer Vergangenheit in Diensten freiheitlicher Politiker durchaus auch in der FPÖ mehrheitsfähig wäre.
Dritte Partei notwendig
Dem steht allerdings entgegen, dass für eine Mehrheitsbildung eine dritte Partei notwendig wäre.
Und Berger ist als ehemalige Kabinettsmitarbeiterin der blauen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer bei den Sozialdemokraten denkbar schlecht angeschrieben. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Christian Kern hat überhaupt die Maxime ausgegeben, dass frühere Kabinettsmitarbeiter nicht infrage kämen, weil sie befangen sein könnten.
Derartige Befangenheit wollen einige RH-Mitarbeiter auch bei den früheren Präsidenten Helmut Moser (er kam 2004 aus der FPÖ) und Franz Fiedler (der ÖVP-Mann wurde mithilfe der FPÖ 1992 gewählt) gespürt haben. Ob dies nun zurecht oder zu unrecht war: Berger wäre an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte im RH nur bedingt willkommen.
Politisch wäre eine derartige Bestellung – wo immer ÖVP und FPÖ die fehlenden Stimmen für eine Mehrheit herbekommen wollten – allerdings höchst brisant. Das geltende Koalitionsabkommen verpflichtet die Partner nämlich zu unbedingter Kooperation: „Die parlamentarischen Fraktionen der Koalitionsparteien und deren Klubobleute stimmen das parlamentarische Vorgehen im Interesse einer sachlichen Kooperation zeitgerecht ab und stellen eine gemeinsame Arbeit der Koalitionsparteien in sämtlichen parlamentarischen Angelegenheiten, einschließlich der Abstimmungen, sicher.“
Überstimmt eine Partei die andere, dann sollte automatisch ein Neuwahlantrag eingebracht werden. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka liest das Koalitionsabkommen aber anders: Die Regierung (und die sie tragenden Parteien) könnten sich ihren Kontrollor oder ihre Kontrollorin nicht aussuchen – gerade deshalb werde doch ein Hearing veranstaltet.
Lopatka hat im Vorfeld des Hearings auch den von SPÖ und Team Stronach vorgeschlagenen ehe- maligen Budget-Sektionschef und jetzigen RH-Mitarbeiter Gerhard Steger gelobt – allerdings darauf hingewiesen, dass die ÖVP eine Frau bevorzugen würde, daher habe die ÖVP auch zwei Frauen vorgeschlagen.
Die SPÖ hat auf einen der beiden ihr zustehenden Vorschläge eine Frau nominiert, nämlichElfriede Baum ann.Si eis tals Wirtschaftsprüferin erfahren, hat aber keinen Hintergrund in der öffentlichen Verwaltung. Auch Bundeskanzler Christian Kern zeigte sich über die für die RechnungshofPräsidentschaft nominierte Kandidatenauswahl nicht überzeugt. Man hätte „ganz unabhängige Kandidaten“vorgezogen – Kern war schon in der Vorwoche dagegen, dass das Parlament jemanden an die Spitze der Kontrolle setzt, der vielleicht seinen eigenen früheren Wirkungsbereich prüfen (lassen) müsste.
Keine Gemeinsamkeit
Die ÖVP hat dieses Argument nicht gelten lassen – und zeigte sich am Dienstag auch unbeeindruckt von Kerns Hinweis, dass man den Text des Koalitionsübereinkommens genau lesen müsse. Parteichef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sprach sich dafür aus, den bestgeeigneten Kandidaten beziehungsweise die bestgeeignete Kandidatin zu wählen.
So ähnlich sagte es auch SPÖKlubchef Andreas Schieder – aber mit dem Bedauern, dass die beiden Koalitionsparteien nicht (womöglich gemeinsam mit Teilen der Opposition) einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten konnten. Stattdessen könne sein Gegenüber Lopatka nun treiben, was nach seiner, Schieders, Einschätzung ein „mieses Spiel“ist.
Womit das Hearing spannend wird, vielleicht kann der Eine oder die Andere mit Kompetenz und Erfahrung punkten?
Mit dem Rechnungshof hat etwa Viktoria Kickinger bereits Erfahrung gemacht. Allerdings als Überprüfte. Seit 2009 saß die studierte Ethnologin und Kommunikationswissenschafterin in verschiedenen Aufsichtsräten der Bundestheater-Holding. Im Burgtheater fungierte sie von 2009 bis 2014 als Stellvertreterin des Aufsichtsratsvorsitzenden Georg Springer. Der ehemalige Holdingchef gilt als einer der Hauptbeschuldigten im 2013 aufgeflogenen Finanzdebakel. Zur Klärung der Vorkommnisse sollte auch ein unlängst erschienener Prüfbericht des Rechnungshofs beitragen. Dem Aufsichtsrat – also auch Kickinger, die im Bericht namentlich angeführt wird – wirft der RH „mangelnde Nachfragefreudigkeit“, also eine Vernachlässigung seiner Kontrollaufgaben vor. RechnungshofGebäude in der Dampfschiffstraße: Die Wahl der Chefin oder des Chefs belastet RotSchwarz.