„Falsche Diskussion zur falschen Zeit“
In der Koalition überwiegt die Dissonanz: In den Fragen Maschinensteuer, Asylpolitik und Rechnungshofbesetzung finden SPÖ und ÖVP zu keiner gemeinsamen Linie. Im Ministerrat wurden die Grenzen abgesteckt.
Wien – Noch vor Beginn des Ministerrates am Dienstag deponierte Finanzminister Hans Jörg Schelling sein klares Nein zu der Forderung von Bundeskanzler Christian Kern nach einer Maschinensteuer. „Es gibt keine neuen Steuern, solange ich Finanzminister bin“, stellte Schelling fest. Es gehe um den Standort, man müsse „investieren, nicht provozieren“, richtete er Kern aus.
Darum gehe es auch gar nicht, gab der Kanzler im Pressefoyer nach dem Ministerrat zurück: Ihm schwebe keine Steuererhöhung vor, sondern ein Ausgleich, parallel zur Wertschöpfungsabgabe solle man die Arbeitskosten senken, so Kern. Zudem würden „Zukunftsinvestitionen“von der Abgabe ausgenommen sein.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner beeindruckt das nicht. Er fand klare Worte: „Das ist die falsche Diskussion zur falschen Zeit. Und es ist nicht Regierungslinie“, sagte er im Pressefoyer, das diesmal mit einiger Verspätung startete: Maschinensteuer und AustralienModell lieferten dem ab zehn Uhr tagenden Ministerrat so viel Gesprächsstoff, dass Mitterlehner seinen für 11.30 Uhr geplanten Termin verschieben musste – und ihn dann erst recht nicht einhalten konnte.
Thomas Drozda, SPÖ-Kanzleramtsminister und roter Koordinationsbeauftrager, wollte die Aussagen Kerns beim Kärntner Lan- desparteitag nicht als Provokation verstanden wissen. Kern habe lediglich zur Sprache gebracht, dass man über neue Konzepte zur Finanzierung des Sozialstaats nachdenken müsse. Eine solche Diskussion, zumal vor der eigenen Partei, anzustoßen sei „legitim“. Generell aber gebe es eine „gute und fruchtbare Zusammenarbeit“.
Rote Mauer
Andere rote Minister stellten sich demonstrativ hinter Kern. Wenn Firmen immer größere Gewinne aus maschinenbezogener Arbeit machten, stelle sich die Frage, warum diese geringer besteuert sei als die Arbeit von Menschen, meinte etwa Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. Für Sozialminister Alois Stöger ist dies sogar Teil des Regierungspro- gramms. Dort sei nämlich die Verbreiterung der Finanzierungsbasis für den Sozialstaat als Ziel festgelegt, sagte er.
Der neue Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hält es angesichts der Übernahme mancher Tätigkeiten durch Roboter oder Computer für „durchaus legitim, darüber nachzudenken, wie man Arbeit besteuert und was unter den Arbeitsbegriff fällt“. Wenn selbst Mitterlehner zuletzt im Bundesrat erklärt habe, er würde sich wünschen, neue Vorschläge zu diskutieren und sich die Auswirkungen anzuschauen, sollte nicht gleich gesagt werden, dass das „sowieso nicht geht“, sagte Leichtfried.
In Regierungskreisen wird hinter vorgehaltener Hand bereits heftig über die unterschiedlichen und nicht koordinierten Vorstöße auf beiden Seiten gemurrt. Es gebe keine klare Richtung und keine Vorgaben, weder von Kern noch von Mitterlehner. Der Vorstoß Kerns für eine Maschinensteuer sei ebenso überraschend gekommen wie die nicht abgesprochene mediale Offensive, mit der Außenminister Sebastian Kurz seine Vorstellungen über eine europäische Asylpolitik präsentiert hat (siehe THEMA Seite 3). Offenbar habe Mitterlehner gegenüber Kern die Bereitschaft signalisiert, über eine Maschinensteuer in der Koalition offen zu diskutieren, sei von Kerns Auftritt dann aber doch überrascht worden.
Für anhaltenden Unmut in der Koalition – und auch in der ÖVP – sorgt zudem die anstehende Besetzung im Rechnungshof, bei der ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka eigene Wege geht (siehe Seite 8).