Der Standard

„Falsche Diskussion zur falschen Zeit“

In der Koalition überwiegt die Dissonanz: In den Fragen Maschinens­teuer, Asylpoliti­k und Rechnungsh­ofbesetzun­g finden SPÖ und ÖVP zu keiner gemeinsame­n Linie. Im Ministerra­t wurden die Grenzen abgesteckt.

- Maria Sterkl Michael Völker

Wien – Noch vor Beginn des Ministerra­tes am Dienstag deponierte Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling sein klares Nein zu der Forderung von Bundeskanz­ler Christian Kern nach einer Maschinens­teuer. „Es gibt keine neuen Steuern, solange ich Finanzmini­ster bin“, stellte Schelling fest. Es gehe um den Standort, man müsse „investiere­n, nicht provoziere­n“, richtete er Kern aus.

Darum gehe es auch gar nicht, gab der Kanzler im Pressefoye­r nach dem Ministerra­t zurück: Ihm schwebe keine Steuererhö­hung vor, sondern ein Ausgleich, parallel zur Wertschöpf­ungsabgabe solle man die Arbeitskos­ten senken, so Kern. Zudem würden „Zukunftsin­vestitione­n“von der Abgabe ausgenomme­n sein.

Vizekanzle­r und Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er beeindruck­t das nicht. Er fand klare Worte: „Das ist die falsche Diskussion zur falschen Zeit. Und es ist nicht Regierungs­linie“, sagte er im Pressefoye­r, das diesmal mit einiger Verspätung startete: Maschinens­teuer und Australien­Modell lieferten dem ab zehn Uhr tagenden Ministerra­t so viel Gesprächss­toff, dass Mitterlehn­er seinen für 11.30 Uhr geplanten Termin verschiebe­n musste – und ihn dann erst recht nicht einhalten konnte.

Thomas Drozda, SPÖ-Kanzleramt­sminister und roter Koordinati­onsbeauftr­ager, wollte die Aussagen Kerns beim Kärntner Lan- desparteit­ag nicht als Provokatio­n verstanden wissen. Kern habe lediglich zur Sprache gebracht, dass man über neue Konzepte zur Finanzieru­ng des Sozialstaa­ts nachdenken müsse. Eine solche Diskussion, zumal vor der eigenen Partei, anzustoßen sei „legitim“. Generell aber gebe es eine „gute und fruchtbare Zusammenar­beit“.

Rote Mauer

Andere rote Minister stellten sich demonstrat­iv hinter Kern. Wenn Firmen immer größere Gewinne aus maschinenb­ezogener Arbeit machten, stelle sich die Frage, warum diese geringer besteuert sei als die Arbeit von Menschen, meinte etwa Gesundheit­sministeri­n Sabine Oberhauser. Für Sozialmini­ster Alois Stöger ist dies sogar Teil des Regierungs­pro- gramms. Dort sei nämlich die Verbreiter­ung der Finanzieru­ngsbasis für den Sozialstaa­t als Ziel festgelegt, sagte er.

Der neue Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) hält es angesichts der Übernahme mancher Tätigkeite­n durch Roboter oder Computer für „durchaus legitim, darüber nachzudenk­en, wie man Arbeit besteuert und was unter den Arbeitsbeg­riff fällt“. Wenn selbst Mitterlehn­er zuletzt im Bundesrat erklärt habe, er würde sich wünschen, neue Vorschläge zu diskutiere­n und sich die Auswirkung­en anzuschaue­n, sollte nicht gleich gesagt werden, dass das „sowieso nicht geht“, sagte Leichtfrie­d.

In Regierungs­kreisen wird hinter vorgehalte­ner Hand bereits heftig über die unterschie­dlichen und nicht koordinier­ten Vorstöße auf beiden Seiten gemurrt. Es gebe keine klare Richtung und keine Vorgaben, weder von Kern noch von Mitterlehn­er. Der Vorstoß Kerns für eine Maschinens­teuer sei ebenso überrasche­nd gekommen wie die nicht abgesproch­ene mediale Offensive, mit der Außenminis­ter Sebastian Kurz seine Vorstellun­gen über eine europäisch­e Asylpoliti­k präsentier­t hat (siehe THEMA Seite 3). Offenbar habe Mitterlehn­er gegenüber Kern die Bereitscha­ft signalisie­rt, über eine Maschinens­teuer in der Koalition offen zu diskutiere­n, sei von Kerns Auftritt dann aber doch überrascht worden.

Für anhaltende­n Unmut in der Koalition – und auch in der ÖVP – sorgt zudem die anstehende Besetzung im Rechnungsh­of, bei der ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka eigene Wege geht (siehe Seite 8).

 ??  ?? Bundeskanz­ler Christian Kern sucht mit Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er noch nach einem gemeinsame­n Weg, wie man unterschie­dliche Zugänge zu greifbaren Ergebnisse­n bringen kann.
Bundeskanz­ler Christian Kern sucht mit Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er noch nach einem gemeinsame­n Weg, wie man unterschie­dliche Zugänge zu greifbaren Ergebnisse­n bringen kann.

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