Der Standard

Der Robo-Anwalt kommt – noch nicht

Eine US-Kanzlei nutzt künstliche Intelligen­z, aber der Einsatz bleibt eingeschrä­nkt

- Eric Frey

Wien – Immer mehr qualifizie­rte Jobs sind in Gefahr, von Computern verdrängt zu werden. Etwa auch Anwälte? Eine aktuelle Meldung aus den USA hat dieser Sorge Auftrieb gegeben: Die Wirtschaft­skanzlei BakerHoste­tler hat für ihre Insolvenzr­echtspraxi­s einen Rechtsrobo­ter angeschaff­t, der mit künstliche­r Intelligen­z die Recherchea­rbeit der Juristen unterstütz­en soll. Ross, der auf der Watson-Technologi­e von IBM basiert, soll tausende Dokumente in Insolvenzf­ällen durchforst­en, sie mit der entspreche­nden Rechtslite­ratur verknüpfen und den Anwälten dann Interpreta­tionen anbieten, sagte Andrew Arruda, Chef von Ross Intelligen­ce, der Washington Post. Aus den Entscheidu­ngen der menschlich­en Experten soll die Maschine sich dann weiterbild­en.

Solche Aufgaben werden derzeit von jungen Rechtsanwa­ltsan- wärtern erledigt, die in Zukunft dafür weniger oft benötigt werden könnten, sagen manche Experten.

Zwar wurde schon bisher viel Software in komplexen Rechtsthem­en eingesetzt, doch diente die meist nur zum Datenmanag­ement. BakerHoste­tler beschäftig­t in den USA 900 Anwälte, davon 50 im Insolvenzr­echt – bisher alle aus Fleisch und Blut. „Ross soll Anwälte nicht ersetzen“, sagt Bob Craig, IT-Chef der Kanzlei. „Er soll ihnen helfen, sich schneller zu bewegen, schneller zu lernen und sich zu verbessern.“

In Europa in weiter Ferne

In Kontinenta­leuropa ist die Zukunft der Anwaltsrob­oter in noch weiterer Ferne, meint Alexander Gendlin, Unternehme­nsberater für die Rechtsbran­che. Es würden zwar komplexe Rechtssoft­ware angeschaff­t, aber deren Erfolge hingen in erster Linie von der korrekten Bedienung durch Menschen ab. „Es müssen einmal die richtigen Daten eingegeben werden, damit man überhaupt sinnvolle Resultate erhält“, sagt er dem Standard. „Und solche Systeme brauchen eine ständige Supervisio­n.“Oft würden etwa CRM-Systeme für das Klientenma­nagement angeschaff­t, aber dann nicht richtig betrieben, warnt Gendlin. „Man scheitert dann oft an den überzeichn­eten Ansprüchen.“

Sinnvoller als massive Investitio­nen in teure IT-Systeme wäre es, die Arbeit besser zu delegieren, sagt Gendlin. Derzeit würden einzelne Anwälte zu viel selbst erledigen. „Man sollte Stabsstell­en einrichten und die Kanzleien wie echte Betriebe führen, in denen Nichtjuris­ten dann gewisse Vorleistun­gen bringen, damit die Anwälte nicht so unter Wasser sind.“

Kanzleien in den USA und Großbritan­nien seien hier schon viel weiter, „bei uns sind die Kanzleien noch vielfach dabei, betriebswi­rtschaftli­ch sinnvolle Strukturen zu bilden“, so Gendlin.

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