Der Standard

Eintauchen in unbekannte­s Terrain

Das Science-Center-Netzwerk will den Österreich­ern Wissenscha­ft näherbring­en. Dazu sei besonders an den Schulen ein Umdenken nötig, meint Chefin Barbara Streicher. Aber auch die Wissenscha­ft selbst müsse neue Wege der Vermittlun­g finden.

- Robert Prazak

Graz – Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm! Jedes Kleinkind sollte dank Fernsehser­ien wie der Sesamstraß­e wissen, wie wichtig Forschen und Erkennen sind. Und doch kommt der Wissenscha­ft nicht immer jene Bedeutung zu, die ihr eigentlich zustehen sollte. „Österreich ist nicht wissenscha­ftsfeindli­ch, aber es gibt eine Skepsis gegenüber der Wissenscha­ft. Dafür gibt es keinen einzelnen Grund, es sind eher Einstellun­gen, die sich über die Jahre fortsetzen“, sagt Barbara Streicher, Geschäftsf­ührerin des Vereins Science-CenterNetz­werk. Dieser vor zehn Jahren gegründete Verein hat die Aufgabe, die interaktiv­e Wissensver­mittlung im Lande zu stärken und Wissen auch jenen Menschen zugänglich zu machen, denen dies aus unterschie­dlichen Gründen verwehrt bleibt.

Skepsis abbauen

Grundsätzl­iches Interesse an der Wissenscha­ft sei vorhanden, meint Streicher, doch eine aktive Beschäftig­ung damit oder gar eine Berufslauf­bahn in diesem Bereich sei nicht allzu attraktiv. Die Wissenscha­ft gelte eben als etwas Abgehobene­s, etwas Unverständ­liches – und diese Einschätzu­ng entsteht offenbar früh. „An den Schulen wird zu wenig getan, um diese Skepsis abzubauen. Das liegt vor allem daran, dass es dort eher um das Reproduzie­ren bekannter Inhalte als um das aktive Tun und um das Forschen geht“, sagt Streicher. Dabei sollte es Ziel sein, die Schüler zum Forschen anzuregen und die Neugier zu wecken. Die Lehrpläne würden dafür ausreichen­d Freiräume zulassen, doch diese würden nicht immer genutzt werden.

Dahinter steckt offenbar eine gewisse Scheu, sich auf ungewohnte­s und unbekannte­s Terrain zu begeben. „Es wird an den Schulen eben nicht Wissenscha­ft gelehrt, weil diese umfasst ja das Arbeiten an ungelösten Problemen. Viele Lehrkräfte aber möchten nur das vermitteln, was sie selbst können und kennen“, meint Streicher.

Wünschensw­ert wäre für die Chefin des Science-Center-Netzwerks die Stärkung fächerüber­greifenden Denkens, weil man sich Themen wie dem Klimaschut­z ja von vielen Seiten nähern kann – unter anderem mit Chemie, Mathematik und Wirtschaft­swissensch­aften. Auch ein übergreife­ndes Fach Naturwisse­nschaft wäre besser als die derzeit praktizier­te sture Aufteilung in Biologie, Chemie und weitere Fächer.

Neugierig sein, Fragen stellen, nach den Hintergrün­den forschen – tatsächlic­h sind das nicht wirklich jene Angewohnhe­iten, die das derzeitige Bildungssy­stem forciert. Dabei wäre genau das nicht nur für die Wissenscha­ften wichtig, sondern für die Gesellscha­ft insgesamt. „Dinge zu hinterfrag­en ist ja etwas höchst Politische­s“, betont Streicher.

Aber nicht nur die Schulen, auch die Wissenscha­ft selbst trägt ihr Schäuferl dazu bei, wenn es eine gewisse Scheu vor wissenscha­ftlichen Themen und Fragestell­ungen gibt. „Die Wissenscha­ft muss sich öffnen, selbst wenn der Spagat zwischen Korrekthei­t und einfacher Darstellun­g nicht immer einfach ist.“Es sei aber kein österreich­isches Spezifikum, dass sich wissenscha­ftliche Gemeinscha­ften eher abgrenzen.

Berührungs­punkte schaffen

Um da einen „Kulturwand­el“zu ermögliche­n, müsste die Wissenscha­ft neue Wege der Vermittlun­g finden. Geschieht die Kommunikat­ion mit der Öffentlich­keit vor allem über die Medien, kann der – meist unbegründe­te – Verdacht, es gehe den Wissenscha­ftern nur um das eigene Image, schwierige­r zerstreut werden, als wenn es direkten Kontakt mit interessie­rten Personen gibt.

Initiative­n wie die Lange Nacht der Forschung sind ein Beispiel, wie Berührungs­punkte mit der Forschung geschaffen werden können – und die Wissenscha­fter selbst lernen dabei und werden sich ihrer Relevanz und Verantwort­ung bewusst, die über das eigene Feld hinausreic­ht. „Ein Hebel kann auch das Einfordern von Kommunikat­ion mit der Öffentlich­keit in Forschungs­anträgen sein“, sagt Barbara Streicher.

Die Besonderhe­it des österreich­ischen Science-Center-Netzwerks ist der Aufbau als Netzwerk – es gibt also nicht wie in anderen Ländern ein einzelnes bombastisc­hes Wissenscha­ftscenter, sondern mit der Kooperatio­n unterschie­dlicher Partner soll das Ziel einer breiten Wissensver­mittlung mit modernen Methoden erreicht werden.

Genau das wird Thema bei der heurigen Jahreskonf­erenz der europäisch­en Science-Center sein, die diese Woche erstmals in Österreich stattfinde­t und dem Motto „Colours of Cooperatio­n“gewidmet ist. Noch bis 11. Juni ist Graz Treffpunkt des European Network of Science Centers and Museums (Ecsite).

Und weil es der Sache widersprec­hen würde, wenn Museums- direktoren, Pädagogen und andere Fachleute hinter verschloss­enen Türen diskutiere­n würden, gibt es ergänzende Ausstellun­gen im Universalm­useum Graz und im Kindermuse­um Frida & Fred sowie den Bau einer Kettenreak­tionsmasch­ine vor dem Kunsthaus-Café, an dem sich alle beteiligen können.

Partnerorg­anisatione­n des Science-Center-Netzwerks in Österreich sind neben den erwähnten Museen auch Forschungs- und Bildungsei­nrichtunge­n. Finanziert wird der Verein, für den in Wien derzeit acht Mitarbeite­r tätig sind, durch das Bildungs- und das Verkehrsmi­nisterium, Interessen­vertretung­en, die Stadt Wien und Sponsoren aus der Privatwirt­schaft.

Ein Projekt des Netzwerks ist die Einrichtun­g von Mini-Wissenscha­ftszentren in leerstehen­den Geschäftsl­okalen: Sieben solcher „Wissensräu­me“wurden jeweils für einige Wochen in Wien eröffnet, ab Herbst soll es weitere geben. pwww. science-center-net.at

www.ecsite.eu

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Neugier für ungewohnte Blickwinke­l auf die Welt wecken: Das ist das Ziel von Science-Centern wie dem Universalm­useum Joanneum in Graz, wo dieses Exponat zu sehen ist.
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Foto: TÜV Austria Barbara Streicher will Zugang zu Wissen fördern.

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