Der Standard

Was fehlt, um wirklich smart zu sein

Experte kritisiert an Smart-City-Konzepten das Fehlen eines komplexere­n Menschenbi­ldes

- Johannes Lau

Wien – 70 Prozent der Erdbevölke­rung – so viele Menschen werden 2050 in Städten leben. Damit stößt der urbane Raum an seine Grenzen. In vielen Fällen müsste die Infrastruk­tur verdoppelt werden, was die wenigsten Gemeinden bezahlen können. Wie errichtet man also eine Stadt von morgen?

Als Antwort wird häufig die „Smart City“genannt: Die Stadt werde das urbane Zusammenle­ben bald effiziente­r organisier­en – durch eine maximale digitale Vernetzung. Mithilfe von smarten Technologi­en soll die Infrastruk­tur mit den Bürgern interagier­en. Durch die Sammlung und statistisc­he Auswertung der Daten von Menschen, Gebäuden und Fahrzeugen wird der öffentlich­e Raum dann gezielt gesteuert.

Dass damit alle städtische­n Probleme gelöst werden, bezweifelt Claus Seibt vom WuppertalI­nstitut für Klima, Umwelt, Energie: „Jeder technologi­sche Fortschrit­t ist mit wirtschaft­lichem Wachstum und Vereinfach­ungen des täglichen Lebens, aber auch mit unbeabsich­tigten Nebeneffek­ten verbunden.“

Über das euphorisch begrüßte Konzept haben sich schon zahlreiche Menschen Gedanken gemacht – vor allem zu einsetzbar­en Technologi­en. Welche Folgen sich daraus ergeben, davon hört man von Wissenscha­ftern und Entwickler­n dagegen wenig.

Seibt versuchte vergangene Woche in Wien in seinem Vortrag mit dem Titel „Viele, viele bunte Smarties – Menschenbi­lder in Smart-City-Narrativen“dieser Frage nachzugehe­n. Während einer Konferenz am Institut für Technikfol­gen-Abschätzun­g der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) reflektier­te der Politikwis­senschafte­r die Rolle des Menschen in solchen stadtplane­rischen Konzepten: „Der Begriff Smart City ist da nur eine Metapher dafür, wie man mit dem Wandel der Städte umgehen will.“

So sei die Smart City anfangs eine von vielen technologi­schen Visionen gewesen, die sich aus der Digitalisi­erung ergaben, jedoch entwickelt­e sich diese Idee fortschrei­tend auch zu einem politische­n Konzept. Seibt verweist darauf, dass inzwischen immer häufiger Gemeinden einen indivi- duellen Entwurf ihrer Zukunft als Smart City vorlegen.

Dabei spielen nicht mehr bloß Faktoren der Vernetzung, sondern auch Aspekte wie die Förderung von Nachhaltig­keit und Kreativitä­t eine Rolle. Die Stadt Wien betone etwa in ihrem Selbstbild als Smart City besonders die soziale Komponente – internatio­nal spricht man in diesem Diskurs bereits vom „Wiener Weg“.

Kein Allheilmit­tel

Solche Konzepte hält Seibt für kein Allheilmit­tel: „Im Grunde sind das technokrat­ische Ansätze, die sehr stark projektori­entiert sind. Diese Innovation­en sind daher derzeit vielleicht nur Tropfen auf den heißen Stein.“Umfassende städtische Probleme wie etwa die Überfüllun­g der öffentlich­en Verkehrsmi­ttel löst ein einzelnes smartes Gebäude noch nicht.

Das Menschenbi­ld in SmartCity-Konzepten sei recht vereinfach­t. Seibt macht in diesen Narrativen lediglich drei – sehr technologi­schaffine – Typen aus: den digitalen Nomaden, der überall arbeitet und sich politisch in erster Linie durch Konsuments­cheidungen politisch engagiert, den vernetzten und informiert­en Bürger sowie den sogenannte­n konsensual­en Interessen­svertreter – meist der Repräsenta­nt von involviert­en Entscheidu­ngsträgern.

Da sich alle Mitglieder der Gesellscha­ft aber nicht auf diese drei Figuren herunterbr­echen lassen, könnten Smart-City-Konzepte bislang noch keine Gesamtlösu­ngen sein, wenn sie nur auf diese Zielgruppe­n zugeschnit­ten sind: „Das ist immer noch ein Elitendisk­urs. Natürlich besitzen heute die meisten Menschen ein Smartphone. Aber wer nutzt Smart-City-Apps am Ende wirklich?“So müsse man zum Beispiel auch bedenken, wie ältere Menschen diese Technologi­en adaptieren.

So sollten sich laut Seibt solche Konzepte in Zukunft mehr an den Menschen orientiere­n, anstatt nur dem Lösungspot­enzial der Technologi­en zu vertrauen. Den Einsatz von Innovation­en müsse man auch konsequent zu Ende denken. Als Beispiel nennt der Forscher die Vision vom selbstfahr­enden Auto: Damit diese Technologi­e absolut sicher funktionie­re, müsse jeder Stadtbewoh­ner mit einem Chip ausgestatt­et sein, der ständig Bewegungsd­aten sammelt. mit dem Verkehrsmi­nisterium entstand, von ähnlichen Schauen. „Die Besucher nehmen an Experiment­en teil“, sagt Katja Schechtner, Mobility-Expertin und Mitglied des wissenscha­ftlichen Beirats der Schau.

Sie verweist auf ein Projekt, das in Kooperatio­n zwischen dem Austrian Institute of Technology (AIT), dem MIT in Cambridge bei Boston und der Universitä­t für angewandte Kunst in Wien entstand. Ein in verschiede­nen Farben beleuchtet­es Modell der Seestadt Aspern am Rande von Wien kann von oben betrachtet werden. Die Besucher hören dabei aus Lautsprech­ern unterschie­dliche Töne. „Getestet wird, wie sehr der Blickpunkt der Besucher auf das Objekt durch akustische Reize, die in jeder Stadtinfra­struktur bestehen, beeinfluss­t werden kann“, sagt Schechtner. Das Experiment läuft so lange wie die Ausstellun­g selbst: etwa zwei Jahre.

Am Ende sollen drei Bereiche in Dauerausst­ellungen übernommen werden. Im Herbst 2018 wird dann der nächste Teil des Zyklus, der sich mit Arbeit beschäftig­t, beginnen. Am Ende der Reihe will man etwa neun neue Bereiche im Museum haben. „Damit das Museum nicht statisch bleibt, sondern sich weiterentw­ickelt.“Zukunft der Stadt. Technische­s Museum Wien, Mariahilfe­r Straße 212, 1140 Wien, Mo–Fr 9–18, Sa, So 10–18, ab 9. 6.

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Foto: Hertha Hurnaus Ein Einbau in das Technische Museum als Ausstellun­gsort.

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