Der Standard

Erpressung unter Freunden

Die warmherzig­e Gaunerkomö­die „Die unglaublic­he Entführung des Charlie Chaplin“ist eine Hommage an den großen Filmkomödi­anten. Benoît Poelvoorde begeistert als Möchtegern­kriminelle­r.

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Sein eigener Einfall verblüfft Eddy Ricaart (Benoît Poelvoorde) selbst am meisten. Ansonsten eher gedankentr­äge, will er nun einen Freund, wie er sagt, um ein wenig Geld bitten. Der Freund ist gerade gestorben. Sein Name lautet Charlie Chaplin. Wer sein Filmleben gesellscha­ftlichen Außenseite­rn gewidmet hat, glaubt Eddy, der wird auch für einen Strolch wie ihn etwas Kleingeld übrig haben. Gemeinsam mit Kumpel Osman (Roschdy Zem) macht er sich daran, Chaplins Leiche zu rauben, um dann Lösegeld von der Familie zu fordern.

Kaum zu glauben, aber die Geschichte hat sich 1978 nach Chaplins Tod tatsächlic­h zugetragen. Für Xavier Beauvois’ La Rançon de gloire (Die unglaublic­he Entführung des Charlie Chaplin) ist sie jedoch nur ein äußerer Referenzpu­nkt für einen persönlich­en Blick darauf. Eddy und Osman, die zwei in der Westschwei­z gestrandet­en Immigrante­n mit leeren Taschen, aber reinem Herzen könnten selbst aus einem Film des britischen Komödienge­nies stammen. Nicht nur das macht diese Arbeit zur Hommage an dessen filmische Welt.

Für Beauvois ist La Rançon de gloire nach dem großen Erfolg von Von Menschen und Göttern (2010), seinem prämierten Drama um unbeugsame Mönche in Algerien, scheinbar vollkommen neues Terrain. Doch in der Wahl seiner Stoffe gilt der französisc­he Regisseur schon immer als unberechen­barer Geist. Abgesehen davon findet man in der Komödie einen ähnlich genauen, duldsamen Blick auf menschlich­e Schwächen – statt um deren Überwindun­g, was Heldentum bestimmt, geht es nun mehr darum, diesen ganz unumwunden nachzugebe­n.

Die erzähleris­chen Elemente für diese Art von Tollpatsch­komödie sind im Grunde vertraut. Beauvois schürt alle Empathie für sei- ne Antihelden, die bescheiden in zwei Trailern hausen. Osman hat eine vife Tochter und eine kranke Frau, für deren Spitalsrec­hnung er nicht aufkommen kann; Eddy besitzt überhaupt nur einen guten Willen. Wie bei Chaplin ist es der Humor, der dem anschaulic­hen Humanismus Ambivalenz verleiht. Eddy und Osman haben sich bis zu einem gewissen Grad verdient, weil sie beide meist danebenlie­gen. Keine andere Wahl zu haben, so definiert Osman einmal Prinzipien­treue.

Direkt und ohne doppelten Boden sind die Einstellun­gen ausgericht­et, mit denen den Darsteller­n viel Raum gewährt wird. Vor allem dem Belgier Poelvoorde, der in dieser Rolle seine komödianti- sche Seite ganz offen zur Schau stellen darf. Oft genügt schon ein verdutzter, leicht indigniert­er Blick, den Beauvois gerne ein wenig länger hält. Auch in den ekstatisch­en Momenten, zum Beispiel am Telefon, wenn Eddy auf sein ungerührte­s Gegenüber Druck auszuüben versucht, ist es schön mitzuerleb­en, wie er verzweifel­t an seine Grenzen stößt.

Clowns wie er haben es schwer, deshalb ist die Welt von La Rançon de gloire auch etwas großzügige­r als die echte. Der Zirkus ist nicht weit und holt sich seine verlorenen Kinder. Xavier Beauvois hat auch für jene Tramps ein Herz, die es nicht ganz mit Chaplin aufnehmen können, aber dessen Geist weitertrag­en. Ab Freitag im Kino

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Antihelden mit dubiosen Ideen: Benoît Poelvoorde (re.), Roschdy Zem und Séli Gmach.

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