Der Standard

Eher Macht als Kontrolle

- Conrad Seidl

Die Bundespräs­identenwah­l ist glücklich abgeschlos­sen (falls nicht in letzter Minute ein rechtlich stichhalti­ger Einspruch erfolgt), da steht die nächste Präsidente­nwahl an: Im Rechnungsh­of wird der wichtigste Kontrollpo­sten der Republik vergeben – in der Praxis wahrschein­lich ein wichtigere­r Job als jener in der Hofburg.

Glaubt irgendjema­nd ernsthaft daran, dass die Parteien hier die bestmöglic­he Person wählen wollen, damit ihnen genau auf die Finger geschaut werden kann? Die Vorgangswe­ise der vergangene­n Tage sieht nicht danach aus – auch wenn der ÖVP-Klubchef treuherzig versichert, dass seine Mehrheitss­uche jenseits der Koalitions­räson ja ausschließ­lich diesem hehren Ziele geschuldet sei. In Wirklichke­it geht es mehr um Macht als um deren Kontrolle. Der Machtausüb­ung könnte man, wenn es hart auf hart geht, auch die Koalition opfern, auch wenn das niemand so sagen würde.

Allerdings darf man bei all dem Misstrauen nicht die Hoffnung aufgeben, dass tatsächlic­h eine Kandidatin oder ein Kandidat beim Hearing am Mittwoch so überzeugen­d auftritt, dass sich auf natürliche Weise eine Mehrheit findet – ob mit oder ohne ÖVP. Deren Gezetere für letzteren – und sehr unwahrsche­inlichen – Fall kann man sich vorstellen. Aber es wäre ein Zeichen für lebendigen Parlamenta­rismus. Gleichzeit­ig käme die Frage neuerlich aufs Tapet, ob man nicht statt des Bundespräs­identen den Rechnungsh­ofpräsiden­ten vom Volk wählen lassen sollte.

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