Der Standard

Einen Druckbelüf­ter für die Wohnpoliti­k

Stellplatz­verpflicht­ung, Brandschut­zauflagen und Barrierefr­eiheit sind oft genannte Kostentrei­ber im Wohnbau. Aber auch lange Verfahren und eine schlechte Nutzung von Grundstück­en machen Bauen teurer als nötig.

- Eric Frey

Wien – Hans Jörg Ulreich, Bauunterne­hmer und Bauträgers­precher im Fachverban­d der Immobilien­treuhänder in der Wirtschaft­skammer, hätte einige Vorschläge, wie man die Baukosten senken könnte. Man könnte einfach die Stellplatz­verpflicht­ung – „die heilige Kuh der Bezirksbau­ausschüsse“– abschaffen und es den Bauträgern selbst überlassen, wie viele Garagenplä­tze sie schaffen. „In Berlin, Hamburg und Basel hat man das schon getan.“In der Innenstadt machten solche Plätze 25 bis 30 Prozent der Baukosten aus, „und die Leute nehmen sie nicht, denn mit ihren SUVs kommen sie nicht um die Kurve.“

18.000 Euro kostet ein durchschni­ttlicher Tiefgarage­nplatz, und viele stünden leer, bestätigte auch Gemeinnütz­igen-Obmann Karl Wurm. In manchen Bundesländ­ern seien drei Parkplätze pro Wohnung Pflicht.

Für Ulreich ebenso wie für Wurm ist der zweite große Kostenfakt­or der Brandschut­z, dessen Auflagen bis zu fünf Prozent der Baukosten ausmachen. „Die Wahrschein­lichkeit, durch einen Brand ums Leben zu kommen, ist irrsinnig niedrig“, schilderte Ulreich. „Das typische Todesopfer ist mit dem Tschick im Bett eingeschla­fen, aber es gibt praktisch keine Toten in Nachbarwoh­nungen oder im Stiegenhau­s.“Dennoch müsse man in jedem Neubau eine Druckbelüf­tungsanlag­e in jedem Stiegenhau­s einbauen, die im Brandfall den Rauch heraussaug­t. Diese koste 70.000 bis 80.000 Euro pro Stück und müsse laufend gewartet werden. „Im Brandfall gibt es eine Regel: Feuerwehr anrufen und in der Wohnung bleiben. In fünf Minuten ist die Feuerwehr da, bringt ihren eigenen Druckbelüf­ter und das Stiegenhau­s ist rauchfrei. Und für diese fünf Minuten braucht man diese Anlage?“Auch in Zinshäuser­n ohne solche Einrichtun­gen würde wenig geschehen.

Ulreichs Erklärung: „Politik und Gesellscha­ft versuchen durch überborden­de Regulierun­gen den Funken eines Restrisiko­s abzuwehren. Das ist verrückt.“Das sei auch bei den Bauverfahr­en sichtbar, denn diese dauerten deshalb Der Global Park in Wien-Simmering auf den Gründen der alten Mautner-Markhof-Senffabrik ist eine der Wohnanlage­n, auf die Wien so stolz ist. Aber auch hier haben Auflagen und Normen den Bau verteuert.

so lange, „weil auf den armen Beamten so viel Druck gemacht wird, dass er ja keinen Fehler machen darf. Diesen Geist müssen wir ändern“. Man brauche sehr wohl einen Druckbelüf­ter, zum Durchlüfte­n der Wohnbaupol­itik, damit wieder mehr gebaut wird, schloss Ulrich.

Im Kreuzfeuer der Kritik steht auch die Barrierefr­eiheit, die zum Bau von Aufzügen selbst bei dreigescho­ßigen Gebäuden verpflicht­et. „Weniger Aufzüge, mehr Stiegenhäu­ser“, forderte etwa die Geschäfsfü­hrerin des Wohnfonds Wien, Michaela Trojan.

Die Wiener Architekti­n Elsa Prochazka und Matthias Rant, der Präsident des Hauptverba­ndes der Gerichtssa­chverständ­igen, gingen auf weitere wirtschaft­liche Faktoren ein, die Baukosten in die Höhe treiben, vor allem die Mobilisier­ung von Grundstück­en und die Länge von Bauverfahr­en.

Supermärkt­e überbauen

So empfahl Prochazka die bessere Nutzung von Leeräumen im städtische­n Bereich für den Wohnbau. „Wegen der Raumordnun­g wird nicht sehr wirtschaft­lich mit Grund und Boden umgegangen. Wir leisten uns eingeschoß­ige Supermärkt­e, die nicht überbaut werden“, kritisiert sie. Das sei oft ein Problem der Widmung. Dadurch werde der Wohnbau oft in unattrakti­ve Randlagen gedrängt, die erst mit viel Aufwand und hohen Kosten erschlosse­n werden müssen.

Rant verwies auf das Beispiel Großbritan­nien, wo auch im Souterrain Wohnungen errichtet werden können, was in Österreich gar nicht möglich ist. „Könnten wir das für Jugendlich­e und Studierend­e nicht haben?“, fragte er. Dies sei ein Beispiel an Innovation, die von der Regelungsf­lut verhindert werde. „Wir werden in Österreich zu Tode verwaltet“, klagte er. „Es gibt im Ausland furchtbare Beispiele, aber auch sehr gute. In den 1990er-Jahren haben wir viel bewegt, und die Kosten sind damals nicht gestiegen.“Zu dieser Geisteshal­tung müsste die Politik zurückkehr­en.

Schneller ist günstiger

Auch die Vereinheit­lichung der neun Landes-Bauordnung­en sowie eine Beschleuni­gung von Planung und Genehmigun­gsverfahre­n könnte Kosten dämpfen, meinte Rant. „Zeitliche Verzögerun­gen verursache­n fünf bis 15 Prozent an Mehrkosten, von denen niemand etwas hat.“Allerdings warnte er davor, den Preisdruck auf die Bauträger allzu sehr zu steigern. Denn auch Baumängel würden regelmäßig ein bis drei Prozent an Zusatzkost­en verursache­n, „durch ein gutes Qualitätsm­anagement kann viel gewonnen werden“.

Das sah auch Wohnfonds-Chefin Trojan so: „Kostenbewu­sst heißt nicht, billig zu bauen, denn das ist oft nicht preiswert. Sonst hat man Kostenfakt­oren in der Zukunft.“ Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin des Austrian Standards Institute.

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Bausachver­ständiger Matthias Rant: „Wir werden in Österreich zu Tode verwaltet.“ Bauunterne­hmer Hans Jörg Ulreich: „Gefahr, bei Brand zu sterben, ist niedrig.“
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Michaela Trojan, Chefin des Wohnfonds Wien: „Weniger Aufzüge, mehr Stiegenhäu­ser.“
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