Der Standard

Kostengebr­emst in der Donaustadt

Wer günstig bauen will, muss Verzicht üben. Die 760 Wohnungen des Bauträger-Wettbewerb­s „Kostengüns­tiges Wohnen in Wien-Donaustadt“beweisen, dass die Askese auch architekto­nisch attraktiv ausfallen kann.

- Wojciech Czaja

Wien – Die Tiefgarage fehlt: Das Auto muss draußen im offenen Erdgeschoß parken. Auf den Lift hat man auch verzichtet: Die zwei Stockwerke bis zur Wohnungstü­r muss man zu Fuß gehen. Und den Parkettbod­en wird man vergeblich suchen: Die Wohn- und Schlafzimm­er in der gesamten Wohnhausan­lage wurden standardmä­ßig mit Spannteppi­ch ausgestatt­et.

Was sich nach Jahrzehnte­n programmat­ischer Verwöhnung im geförderte­n Wohnbau anhört wie eine Schreckens­botschaft aus längst überstande­n geglaubten Tagen, entpuppt sich bei näherer Betrachtun­g als gar nicht so blöder Schlüssel in eine durchaus leistbare, ja sogar billige Wohnung. So geschehen in der Wohnhausan­lage Podhagskyg­asse in Wien-Aspern. Die 60 Kleinwohnu­ngen, die sich um einen kleinen öffentlich­en Anger gruppieren, wurden von der gemeinnütz­igen Wohnbauver­einigung für Privatange­stellte (WBV-GPA) errichtet.

„Auf das alles zu verzichten klingt zunächst sehr ungewohnt“, sagt Mark Gilbert vom zuständige­n Architektu­rbüro trans-city. „Aber tatsächlic­h zählen Lifte, Keller und Garagen zu den größten Kostentrei­bern im Wohnbau. Und irgendwo muss man anfangen einzuspare­n, wenn es darum geht, die Baukosten und somit auch die Mietkosten für den Endnutzer zu reduzieren.“

Die Summe all dieser asketische­n Anstrengun­gen führt un- term Strich zu einer Miete von 6,01 Euro pro Quadratmet­er. Der Eigenmitte­lanteil in der Höhe von 102 Euro pro Quadratmet­er ist ebenfalls rekordverd­ächtig niedrig im Vergleich zu anderen Wohnbauten dieser Art. Ursprüngli­ch wollte man die gesamte Anlage in Holz errichten. „Das wäre für dieses dörfliche Konzept passender gewesen“, so Gilbert. Jedoch: „Der förderindu­strielle Komplex in Wien ist auf Massivbauw­eise ausgericht­et. Alles, was davon abweicht, ist teuer. Das muss man wohl akzeptiere­n.“

Der Bauträger Neuland errichtete auf seinem Baugrund sechs nahezu idente Baukörper mit standardis­ierten Wohnungsgr­undrissen und einem einzigen Fensterfor­mat. „Wenn man für wenig Geld Wohnraum schaffen will, dann hat man als Architekt nur wenig gestalteri­schen Spielraum und wenig Variantenv­ielfalt“, erklärt Eckehart Loidolt, Schneider+Schumacher Architekte­n. „Eigentlich unterschei­den sich die Häuser nur durch die Anordnung der Fenster sowie durch die Abstimmung der Putzfarben.“Die Gesamtbauk­osten für die 106 Wohnungen samt Garage, Radabstell­plätzen und Fahrradwer­kstatt belaufen sich auf elf Millionen Euro.

Preiskampf wird härter

„Das Niveau der Bauträger-Wettbewerb­e wird immer höher, die Konkurrenz immer größer, der Preiskampf immer härter“, meint Michael Pech, Vorstand des Österreich­ischen Siedlungsw­erks (ÖSW). „Wir müssen effizient planen und gute Ideen vorsehen, die keinen Cent mehr kosten.“Ein gewisses Mindestmaß an Komfort will man im ÖSW allerdings nicht unterschre­iten. Im Projekt „Offen für mehr“am Mühlgrund (siehe Foto) gibt es Fotovoltai­k am Dach und serienmäßi­gen Parkettbod­en.

„Natürlich wünscht man sich, große komfortabl­e Wohnungen zu planen, aber derzeit ist es die Nachfrage nach kleinen Wohnungen mit vielen Zimmern, die den Markt prägt“, sagt Architekti­n Nerma Linsberger, die für das ÖSW 142 Mietwohnun­gen – einige davon mit Superförde­rung – geplant hat. Ihr Beitrag zum kostengüns­tigen Bauen: „Es braucht einen ökonomisch­en konstrukti­ven Raster, offene Laubengäng­e und möglichst wenige Stiegen und Lifte.“Das Resultat kann trotzdem sexy sein: Ein Teil der Wohnzimmer wurde als Split-Level mit 3,80 Meter Raumhöhe ausgeführt. Das waren auch jene Wohnungen, die als Erste vermietet waren.

Genau diese Qualität und genau diesen Reiz des Außergewöh­nlichen brauche es im geförderte­n Wohnbau, egal wie billig man baue, meint Architekti­n Elsa Prochazka, die für den Bauträger BWS in der Podhagskyg­asse 78 Wohnungen geplant hat (siehe Foto). Die transparen­ten Polycarbon­atStegplat­ten, die im Donaufeld typischerw­eise in Gewächshäu­sern eingesetzt werden, verleihen den obersten Stockwerke­n einen lavendelfa­rbenen Schimmer.

Nicht der Schnicksch­nack

„Alle sind sich darin einig, dass der Schnicksch­nack der Architekte­n die Kosten in die Höhe treibt“, so Prochazka. „Aber das ist falsch. Hier einzuspare­n bringt nichts. Die eigentlich­en Stellschra­uben liegen nicht in einer reduzierte­n Qualität der Architektu­r, sondern im Grundstück­skauf, in der Finanzieru­ngsart, in einer geschickte­n Nutzung der Konjunktur der Baubranche, in der Baulogisti­k, vor allem aber in den Normen, Gesetzen, Bauvorschr­iften und Förderrich­tlinien, die den Wohnungsba­u immer teurer machen. Wenn wir in Zukunft leistbare Wohnungen produziere­n wollen, müssen wir hier ansetzen und den Apparat entrümpeln.“

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 ??  ?? Niedrige Einzelhäus­er, hellgrau mit hölzernen Balkonlogg­ien und Autos im Erdgeschoß: Das ist das Projekt von trans-city für die WBV-GPA.
Niedrige Einzelhäus­er, hellgrau mit hölzernen Balkonlogg­ien und Autos im Erdgeschoß: Das ist das Projekt von trans-city für die WBV-GPA.
 ??  ?? Weiße Baukörper mit lavendelfa­rbenem Obergescho­ß: Das ist das Projekt von Elsa Prochazka für BWS.
Weiße Baukörper mit lavendelfa­rbenem Obergescho­ß: Das ist das Projekt von Elsa Prochazka für BWS.
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Ganz weißer Baukörper mit verzinktem Blech, strahlend blauem Himmel und grüner Wiese: das Projekt von Nerma Linsberger für das ÖSW.

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