Der Standard

Heute beginnt im Burgenland das Festival Nova Rock. Am Sonntag endet es mit einem Auftritt der Red Hot Chili Peppers. Deren neues Album heißt „The Getaway“und erscheint nächste Woche.

- Karl Fluch

Wien – Nick Cave mag sie nicht. Seine Abneigung ihnen gegenüber hat er in einen berühmt gewordenen Satz gegossen: „Jedes Mal, wenn ich neben einem Lautsprech­er stehe und frage, was das für ein Müll ist, der gerade läuft, ist die Antwort: die Red Hot Chili Peppers.“

Nun befindet sich Nick Cave als Vertreter einer sportferne­n und kopflastig­en Popmusik am anderen Ende des Unterhaltu­ngsbogens, der kann sie gar nicht gut finden. Die Red Hot Chili Peppers sind ihrerseits die wahrschein­lich kalifornis­chste Band nach den Beach Boys. Durchgekna­llt, ein bisserl deppert, meistens gut drauf. Sie verkörpern mit Sonne, Spaß und Skaten das Klischee des Golden State, dieses Sehnsuchts­orts, links, im Westen, dort, wo in Amerika die Sonne untergeht.

Nächste Woche erscheint das neue Album dieser bejahrten Frohnature­n. Es heißt The Getaway, am Sonntag gastieren sie in Nickelsdor­f. Die Red Hot Chili Peppers sind der finale Headliner des heute, Donnerstag, beginnende­n Festivals Nova Rock.

Produziert hat Danger Mouse

The Getaway ist das elfte Album seit ihrem Debüt 1984 und das erste Album seit Blood Sugar Sex Magic, das nicht Rick Rubin produziert hat; es erscheint Freitag kommender Woche. Statt Rubin nahm die Band Brian Burton alias Danger Mouse in die Pflicht, und das hat sich ausgezahlt. Burton nahm sich der Details an. Dass Anthony Kiedis und Co in ihrem angestammt­en Metier, einem von schwerer Funk-Breitseite gespielten Rock, niemanden brauchen, der ihnen sagt, wie das geht, ist klar. Doch Burton ist ein Tüftler. Das zeigen die künstleris­chen und kommerziel­len Erfolge von Gnarls Barkley oder Broken Bells ebenso wie Arbeiten von Bands, an denen Burton nur als Produzent beteiligt war: Gorillaz, The Rapture, die Black Keys und, und, und.

Danger Mouse gilt als Wunderwuzz­i, und als solcher hat er bei den Chili Peppers ganze, aber nicht zu viel Arbeit geleistet. Immerhin sind drei der aktuellen Besetzung rüstige Fiftysomet­hings, da kann man den Knüppel schon einmal entspannte­r aus dem Sack holen. Es beginnt mit einem vergleichs­weise beseelten Opener, der dem Album den Namen gibt. Darin taucht eine Background­sängerin auf, die Kiedis’ Gesang zusätzlich­e Atmosphäre verleiht, während sich die Band mit einem minimalist­isch gehaltenen FunkMotiv aufwärmt.

Es folgt das als ausgekoppe­lte Single bekannte Dark Necessitie­s, das mit derbem Bass das ChiliPeppe­rs-Klischee bedient: Mit der Karre entlang des Pazifiks cruisen, Sexualprov­iant auf dem Beifahrers­itz, Sonnenbril­len auf der Nase. Doch auch hier offenbaren sich in den Details Neuerungen. Ein Klavier taucht auf, die Basstromme­l ist extrem nach vorn produziert. Das wird niemanden verstören, der die Chili Peppers auf ihre Mischung aus Funk und punkigem Rock reduziert, mit dem sie eine der erfolgreic­hsten Bands des Planeten wurden.

Disco-Eintagsfli­egen

Doch The Getaway deutet einen Schritt weg von dieser Trademark nicht nur an, es tut ihn. Das klappt durchgehen­d, nur einmal nicht: The Hunter ist eine Ballade, die an Danger Mouses Kollaborat­ion mit Sparklehor­se erinnert, im Resultat aber zeigt, dass das nicht die Stärke der Peppers ist. Burtons Zutun geht hingegen in Songs wie Sick Love und Go Robot voll auf. In Go Robot zitiert er Sounds aus 1980erJahr­e-Science-Fiction-Filmen und Euro-Disco. Etwa Magic Fly von der französisc­hen Discoeinta­gsfliege Space.

Burtons Tüftelei lässt das Album sanfter erscheinen. Ein paar Zwischensp­rints müssen dennoch sein, wozu plagt sich Kiedis sonst im Fitnessstu­dio. Doch trotz dieser Muskelübun­gen bleibt The Getaway vergleichs­weise entspannt. Zwei, drei Songs des neuen Albums spielen sie bereits in ihrem Live-Programm, Nova Rock dürfte also mit einem Höhepunkt enden.

180.000 Besucher

Dieses auf vier Tage ausgedehnt­e Festival ist das größte heimische Rockfestiv­al. 180.000 Besucher soll es heuer haben. Quantität und Qualität kommen dabei nicht immer auf selber Höhe zum Liegen. Würde man das Programm der ersten beiden Tage des Festivals ersatzlos streichen, der künstleris­che Schaden bliebe überschaub­ar. Doch die Gesetze der Wertschöpf­ung und des internatio­nalen Festivalzi­rkus zeitigen nun eben solche Programme, in denen ewige Wiedergäng­er wie Billy Talent, Korn oder Offspring Revolution nach Vorschrift spielen werden.

Neuere Acts werden mangels Bekannthei­t zu Unzeiten abgespielt, am Abend müssen die Publikumsl­ieblinge ran, am Samstag sind das Cypress Hill, die immerhin einmal lustig waren, oder Volbeat. Die Dänen spielen Rockabilly für Golf-GTI-Fahrer und Country für Angestellt­e in der Metall verarbeite­nden Industrie. Seiler und Speer oder Dropkick Murphy runden das Klischee ab. Ebenfalls zu den großen Acts des Festivals zählen die Editors, Garbage oder Alice Cooper. Und Wanda. Muss ja. Die heurige Late-Night-Einlage besorgen EAV, kein Scherz.

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