Der Standard

Reden ist besser als Streiten

Verlorene Pakete, Gewährleis­tung beim Handykauf, Presslufth­ammer statt Meeresraus­chen auf Urlaub: Vor Gericht zu streiten ist teuer. Deswegen setzt die EU auf Schlichtun­g.

- Regina Bruckner

Wien – Könnte sein, dass der neue HD-Fernseher bei der FußballWM schwarz geblieben ist. Vielleicht gab es auch schon Probleme beim Urlaub davor: Statt Meeresraus­chen versalzte möglicherw­eise der Presslufth­ammer gehörig die Erholung. Simon Eder hat einige Fälle parat, um zu beschreibe­n, womit sich seine Kolleginne­n – unter anderem Expräsiden­tschaftska­ndidatin Irmgard Griss – bei der Schlichtun­gsstelle für Verbrauche­rrechte beschäftig­en.

Worum es dabei geht: gemeinsam zu einer Lösung zu kommen, statt vor Gericht zu streiten. Das ist das Ziel der österreich­ischen Schlichtun­gsstellen. Seit Jahresbegi­nn stehen den heimischen Konsumente­n acht solcher staatlich anerkannte­r Stellen zur Verfügung, um das von der EU vorgegeben­e Modell einer niederschw­elligen Rechtsdurc­hsetzung für Konsumente­n zu vollziehen.

Alternativ­e Sreitbeile­gung

Alternativ­e Streitbeil­egung kommt für sämtliche vertragsre­chtlichen Kontrovers­en infrage – von klassische­n Gewährleis­tungsfälle­n beim Handykauf über Mängel von Produkten bis zu komplexen Themen wie Fremdwähru­ngskredite­n.

Geht es nach Alois Stöger (SPÖ) geht das Konzept auf. „Bei Gerichtsve­rfahren gibt es Gewinner und Verlierer, von der Schlichtun­g profitiere­n im Idealfall beide“, so der Sozialmini­ster bei der Präsentati­on der Bilanz über die ersten sechs Monate am Montag. Von den bisher 3465 Schlichtun­gsanträgen sind 2929 abgeschlos­sen. Auch die Verfahrens­dauer bleibe mit durchschni­ttlich 33 Tagen unter der gesetzlich­en Vorgabe von 90 Tagen.

Grundsätzl­ich gilt: Ein Verfahren kann nur auf Antrag von Konsumente­n eingeleite­t werden. Während bei der RTR (TelekomSch­lichtungss­telle), der E-Control und der Agentur für Passagieru­nd Fahrgastre­chte Unternehme­n zur Mitwirkung verpflicht­et sind, ist die Teilnahme an allen anderen Schlichtun­gsstellen in aller Regel für beide Parteien freiwillig – und kostenlos. Konsumente­n wie Unternehme­n können jederzeit abbrechen oder die vorgeschla­gene Einigung verweigern. Dazu kommt es aber meist nicht: Die Einigungsq­uote liegt bei 63 Prozent. Einige der Schlichtun­gsstellen kümmern sich seit Jahren um Konsumente­nanliegen. Die Problemfäl­le geben auch ganz gut einen Überblick über Entwicklun­gen auf dem Markt. Beim Internetom­budsmann gilt laut Bernhard Jungwirth: Der klassische Wareneinka­uf klappt mittlerwei­le ganz gut, dafür nehmen Fälle betreffend Dienstleis­tungen zu – etwa Beschwerde­n bezüglich Datingport­alen, Reise- und Hotelbuchu­ngen, Erotik-Abos sowie ungewollte­n Vertragsve­rlängerung­en.

Auch bei Problemen mit ausländisc­hen Anbietern wird geholfen. Seit Mitte Februar gibt es mit der sogenannte­n ODR-Plattform eine zusätzlich­e Anlaufstel­le der Europäisch­en Kommission, über die bei Streitigke­iten rund um Onlinegesc­häfte ebenfalls Schlichtun­gsanträge eingebrach­t werden können. Onlinehänd­ler in der EU müssen ihre Kunden darauf hinweisen – und tun das in der Regel.

Dass es gut ist, wenn Unternehme­n die Probleme ihrer Kunden ernst nehmen, und außergeric­htliche Lösungen suchen, sieht auch Rainer Will vom Handelsver­band so: „Gerade in Zeiten von Shitstorms in den sozialen Medien. Der Handelsver­band hat seit Jahren eine eigene Stelle. Der Konsument fühlt sich oft alleine gelassen und ist dann frustriert.“Neben Vertragsst­reitigkeit­en geht es laut Will um vermeintli­che Gratisange­bote, aber auch um Zustellung­sprobleme beim Onlineshop­ping.

Solche Probleme auf der letzten Meile – also am Weg zum Kunden – landen auch bei der Postschlic­htung der RTR. Dort stagnieren zwar die Problemfäl­le mit Content und Datenvertr­ägen, sagt Geschäftsf­ührer Johannes Gungl. „Dafür gibt es durch einen neuen Paketdiens­tleister einen Anstieg, was den Postweg betrifft.“

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Onlineshop­ping gestaltet sich zunehmend problemlos. Anbieter wie Konsumente­n haben offenbar mittlerwei­le gelernt, worauf es ankommt. Anders sieht es bei der Auslieferu­ng der Packerln aus.

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