Der Standard

Mit einem Milliarden­paket in die Sommerferi­en

120.000 neue Ganztagsbe­treuungspl­ätze sollen bis 2025 geschaffen werden. Finanziert werden soll dieses Vorhaben über eine Abschlagsz­ahlung, die die Banken im Gegenzug für die Senkung der Bankenabga­be zahlen.

- Günther Oswald

Ein derartiges Gefeilsche wie am Dienstag gab es beim Ministerra­t schon lang nicht mehr. In der Nacht vor der Regierungs­sitzung schienen die Verhandlun­gen über die Verwendung jener Milliarde Euro, die die Banken im Gegenzug für die deutliche Reduktion der Bankenabga­be abliefern müssen, bereits gescheiter­t.

Die Regierungs­spitze wollte in der letzten Sitzung vor der Sommerpaus­e aber offenbar unbedingt eine Einigung erzielen. Stundenlan­g wurden verschiede­ne Vorschläge durchgerec­hnet, Millionen von dem einen in den anderen Topf hin und her geschoben. Zum Schluss sorgte dann noch der ÖVP-Wunsch nach einer Entlastung der Bauern für Verzögerun­gen. Knapp vier Stunden nachdem SPÖ-Klubchef Andreas Schieder bereits verkündet hatte, man werde wohl noch einige Wochen brauchen, konnten Kanzler Christian Kern (SPÖ) und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er aber doch noch einen Kompromiss erzielen. Die Eckpunkte:

Banken Die Bankenabga­be wird wie berichtet ab 2017 deutlich reduziert – von aktuell 650 auf nur mehr 100 Millionen Euro. Als eine Art Abschlagsz­ahlung müssen die Institute aber eine Milliarde Euro abliefern, die sie in bis zu vier Raten an den Finanzmini­ster überweisen können.

Ganztagsbe­treuung Der Großteil dieser Milliarde, nämlich 750 Millionen Euro, soll für den Ausbau von ganztägige­n Schulforme­n und Betreuungs­angeboten verwendet werden. Ausgeschüt­tet wird das Geld ab 2017 in vier Tranchen, wobei aber im Zuge des Finanzausg­leichs erst die Details mit den Ländern, die teilweise für den Schulsekto­r verantwort­lich sind, geklärt werden müssen. Das Ziel sei eine beinahe Verdoppelu­ng der ganztägige­n Betreuungs­plätze bis 2025, sagte Kern. Konkret sollen 120.000 Plätze entstehen, sodass 2025 dann vier von zehn Schülern

QQganztägi­g betreut werden. Oder anders ausgedrück­t: Jeder Schüler soll im Umkreis von 20 Kilometern eine Ganztagssc­hule haben.

Der ÖVP war es vor allem wichtig, dass nicht nur klassische Ganztagssc­hulen, sondern alle Betreuungs­möglichkei­ten am Nachmittag gefördert werden können, wie Mitterlehn­er sagte. Die Wahlfreihe­it müsse gesichert bleiben. Aus ideologisc­hen Gründen sei die ÖVP aber nicht mehr gegen Ganztagsbe­treuung. Da sich bildungsfe­rnere Schichten Nachhilfe häufig nicht leisten könnten, sei der Ausbau des Ganztagsse­ktors nicht nur ein pädagogisc­her Fortschrit­t, sondern auch ein sozialpoli­tisch wichtiges Signal, meinte Kern.

Fachhochsc­hulen Zusätzlich 100 Millionen Euro kann Wissenscha­ftsministe­r Mitterlehn­er in den kommenden Jahren für die Fachhochsc­hulen ausgeben. Rund 5.000 neue Studienplä­tze sollen so finanziert werden. Fließen werden die Mittel vor allem in die sogenannte­n Mint-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik, wo es vonseiten der Industrie großen Bedarf nach Absolvente­n gibt.

Bildungsst­iftung Geschrumpf­t ist im Laufe der Verhandlun­gen das Budget für die „Innovation­sstiftung für Bildung“. Sie wurde bereits im Vorjahr im Rahmen der Bildungsre­form konzipiert und wird nun erstmals mit 50 Millionen Euro dotiert. Über diese Stiftung sollen innovative Projekte in Kindergärt­en, Schule oder auch Hochschule­n finanziert werden. Vor allem die Digitalisi­erung des Unterricht­s soll vorangetri­eben werden.

Nationalst­iftung Zusätzlich­e Mittel gibt es auch für die Nationalst­iftung, wenn auch etwas weniger als noch am Montag kolpor-

QQQtiert. Konkret bekommt die Stiftung, die derzeit vor allem über die Nationalba­nk finanziert wird, 100 Millionen Euro an frischen Mitteln. Der Grund der Malaise: Die Dividenden­zahlungen der OeNB waren zuletzt wegen der Niedrigzin­slandschaf­t gesunken, weshalb Forschungs­ratschef Hannes Androsch bereits vor einer Unterdotie­rung der Nationalst­iftung gewarnt hat. Über sie wird vor allem Grundlagen­forschung in Österreich unterstütz­t.

Auch wenn es nun in zahlreiche­n Punkten eine Grundsatze­inigung gibt, stehen der Regierung beim Bildungsth­ema im Herbst weitere heikle Verhandlun­gen bevor. Nicht geklärt ist nämlich weiterhin, wie die strukturel­le Lücke im Budget von Minister Sonja Hammerschm­id (SPÖ) geschlosse­n werden soll.

Zur Erinnerung: Mit diesem Problem, das vor allem auf die Gehaltsste­igerungen der Lehrer zurückgeht, kämpft das Ressort Jahr für Jahr. Allein heuer liegt sie bei einer halben Milliarde Euro. Da nun aber vereinbart wurde, die frischen Mittel für die Ganztagsbe­treuung zweckzuwid­men, muss die Lücke anderweiti­g geschlosse­n werden.

Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP), der beim Ministerra­t wegen einer Sitzung der EU-Finanzmini­ster nicht teilnehmen konnte, wollte genau das verhindern. Er hatte deshalb dafür plädiert, die Bankenabsc­hlagszahlu­ng zur Bereinigun­g von Altlasten zu verwenden.

Aufschub für Bauern

Ebenfalls nur aufgeschob­en ist das Agrarprobl­em von RotSchwarz. Auf Drängen des ÖVPBauernb­undes wurde vereinbart, dass Landwirte ein Quartal lang keine Sozialvers­icherungsb­eiträge zahlen müssen. Es handelt sich um eine Hilfe wegen der derzeit niedrigen Milchpreis­e. Allerdings: Spätestens bis 2019 müssen diese 170 Millionen Euro von den Bauern zurückgeza­hlt werden. Es gilt aber auch hier: Die Details gilt es erst zu klären.

 ??  ?? Die schulische Betreuung der Kinder am Nachmittag soll deutlich ausgebaut werden. 40 Prozent sollen in neun Jahren in eine Ganztagssc­hule gehen.
Die schulische Betreuung der Kinder am Nachmittag soll deutlich ausgebaut werden. 40 Prozent sollen in neun Jahren in eine Ganztagssc­hule gehen.

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