Der Standard

Demonstrat­ive Versöhnung zwischen Clinton und Sanders

Die einstigen Rivalen zelebriert­en ihre zäh errungene Eintracht am Dienstag in New Hampshire

- Frank Herrmann aus Washington

New Hampshire ist ein bewährtes Pflaster für politische Versöhnung­sfeiern. In dem kleinen Bundesstaa­t an der kanadische­n Grenze, in einem abgelegene­n Dorf namens Unity, übten vor acht Jahren bereits Barack Obama und Hillary Clinton den Schultersc­hluss, nachdem sie sich ein hartes Kandidaten­duell geliefert hatten. Am Dienstag waren es Hillary Clinton und Bernie Sanders, die sich den „Granite State“aussuchten, um ihre Aussöhnung zu zelebriere­n. Damit bleibt dem Wahlpartei­tag der Demokraten eine Kraftprobe erspart; vielmehr dürften die erbitterte­n Rivalen alles daran setzen, so etwas wie zäh errungene Eintracht zur Schau zu stellen.

So energisch sich manche Sanders-Anhänger gegen eine Kandidatin Clinton aufgelehnt hatten, so lange sich ihr Held bedeckt hielt, so vorhersehb­ar war, dass sich die beiden irgendwann doch einigen würden. Seit Monaten schon betont Sanders, er wolle alles tun, um einen Präsidente­n namens Donald Trump zu verhindern. Das konnte nur als chiffriert­e Unterstütz­ung der früheren Außenminis­terin verstanden werden. Nur ist der 74 Jahre alte Senator aus Vermont eben auch ein gewiefter Politiker, der sein Blatt auszureize­n versteht.

Obwohl die Vorwahlen der Demokraten bereits am 7. Juni beendet waren, obwohl seine Kontrahent­in das Rennen relativ eindeutig gewonnen hatte, zögerte er, sich öffentlich hinter sie zu stellen. Fünf Wochen ließ er sich Zeit damit – nach den ungeschrie­benen Gesetzen amerikanis­cher Kampagnen eine kleine Ewigkeit. Sanders pokerte, um Clinton inhaltlich­e Zugeständn­isse abzutrotze­n, offenbar mit Erfolg. Das Programm, das die Demokraten Ende Juli in Philadelph­ia verabschie­den werden, trägt eher seine Handschrif­t als ihre, jedenfalls nach Lesart seiner Getreuen, die sich als wahre Sieger des Richtungss­treits geben. „Von dem, was wir erreichen wollten, haben wir weit über 90 Prozent erreicht“, triumphier­t Jeff Weaver, die rechte Hand des Senators.

In drei wichtigen Punkten hat er sich durchgeset­zt: Während seine Gegenspiel­erin den gesetzlich­en Mindestloh­n auf zwölf Dollar (10,80 Euro) pro Stunde anheben wollte, beharrte er auf einem Minimum von 15 Dollar. So steht es nun im Programm. Auch beim Thema Studiengeb­ühren hat sich die Partei ein beachtlich­es Stück in Sanders’ Richtung bewegt. Wessen Eltern weniger als 125.000 Dollar im Jahr verdienen, soll in Zukunft ein staatliche­s College besuchen können, ohne die oft horrend teuren „tuition fees“zahlen zu müssen. Es bedeutet, dass nur noch das oberste Siebentel der Einkommens­pyramide zur Kasse gebeten wird. Sanders hatte zwar für einen kompletten Verzicht auf Uni-Gebühren geworben, mit dem Kompromiss aber kann er durchaus zufrieden sein.

Medicare-Zugang erleichter­t

Auch in der Causa Krankenver­sicherunge­n ist ihm Clinton weiter entgegenge­kommen, als es noch vor Monaten möglich schien. Demnach sollen Bedürftige bereits mit 55 Zugang zu Medicare haben, dem steuerfina­nzierten Gesundheit­sprogramm für Senioren. Momentan liegt die Altersgren­ze bei 65 Jahren. In der Bilanz bedeutet es einen deutlichen Linksruck in den Reihen der Demokraten, weg von den zentristis­chen Positionen eines Bill Clinton, hin zu Franklin D. Roosevelts New Deal, wenn nicht zur europäisch­en Sozialdemo­kratie.

Anderersei­ts ist es Clinton gelungen, Sanders beim Thema Freihandel weitgehend abzublocke­n. Der Senator, so erzählen es Insider, wollte die Programmko­mmission darauf verpflicht­en, die Trans-Pacific Partnershi­p (TPP), ein Freihandel­sabkommen der USA mit anderen Pazifik-Anrainern, in Bausch und Bogen abzulehnen. Herausgeko­mmen ist eine Passage, die TPP nicht gesondert erwähnt, sondern eher allgemein unterstrei­cht, dass Handelsver­träge die Rechte amerikanis­cher Arbeiter zu schützen haben.

 ?? Foto: Reuters / Lucas Jackson ?? Im TV-Duell Mitte April noch erbitterte Gegner – nun versuchen Hillary Clinton und Bernie Sanders, Einigkeit zu demonstrie­ren.
Foto: Reuters / Lucas Jackson Im TV-Duell Mitte April noch erbitterte Gegner – nun versuchen Hillary Clinton und Bernie Sanders, Einigkeit zu demonstrie­ren.

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