Der Standard

Die vorhersehb­are Eskalation

Die neuen Kämpfe im Südsudan waren laut dem Afrika-Experten Matthias Fettback nur eine Frage der Zeit. Das Land sei eine Fehlkonstr­uktion, sagt er, und Frieden nicht in Sicht. Zehntausen­de Menschen ergriffen die Flucht.

- Kim Son Hoang

Juba/Wien – Kurz muss Matthias Fettback auflachen – als es um die Frage geht, wie man dem Südsudan dauerhafte­n Frieden bringen kann. Es scheint eine ausweglose Situation zu sein, selbst für afrikanisc­he Verhältnis­se. Dort nämlich kennt sich der 61-jährige Entwicklun­gshelfer bestens aus. Seit 1984 ist der Deutsche auf dem Kontinent tätig, aktuell als technische­r Berater der Caritas Österreich im Südsudan. Die jetzige Eskalation, sagt Fettback zum STANDARD, „war mehr oder weniger vorhersehb­ar“.

Für einen Moment kam Hoffnung auf, erzählt er, als Riek Machar als Teil eines Friedensab­kommens am 26. April in die Hauptstadt Juba zurückkehr­te und sein Amt als Vizepräsid­ent wieder antrat – so wie vor dem Bürgerkrie­g. Fettback war damals im Land, am 16. Mai kehrte er in die Heimat nach Aachen zurück. Jährlich reist er zweimal für drei Monate in den Südsudan, im September soll es wieder so weit sein.

Ob dies aber tatsächlic­h möglich ist, muss momentan ernsthaft bezweifelt werden. Nach den Eskalation­en, verrät er am Telefon, „sind viele Organisati­onen dabei, Evakuierun­gen vorzuberei­ten“. Österreich hat eine offizielle Reisewarnu­ng ausgegeben, Deutschlan­d will hunderte Menschen ausfliegen.

Der konkrete Auslöser für die Gefechte in Juba mit mehr als 270 Toten blieb weiter unklar. Doch der ist auch nicht relevant, so Fettback: „Als Machar zurückkehr­te, nahm er seine Truppen mit. Die Militärmas­chinerien beider Seiten waren also in einer Stadt. Das und die Unzufriede­nheit der Soldaten, die seit Monaten keinen Sold erhalten haben, führten zur Eskalation. Da hätte jeder kleine Vorfall ausgereich­t.“

Dass die Eskalation just am Unabhängig­keitstag erfolgte, könnte laut Fettback kein Zufall gewesen sein. „Das Land ist bankrott, und die Unzufriede­nheit im Land riesig“, so der Deutsche. „Sonst wird der Unabhängig­keitstag benutzt, um Solidaritä­t und Einheit zu zelebriere­n. Heuer wurden die Feierlichk­eiten aber abgesagt.“

Was die Frage nach Frieden betrifft, hat Fettback keine konkrete Antwort parat: „Der hängt von so vielen Faktoren ab, etwa der Frage der Erdölvorko­mmen, der Frage des Terrors, weil der Südsudan strategisc­h wichtig ist, um die gleichgesi­nnten Gruppierun­gen Boko Haram und Al-Shabaab getrennt zu halten.“

Ausländisc­he Interessen

Schließlic­h und vor allem geht es um die Frage ausländisc­her Interessen. Der Sudan soll Machars Rebellen unterstütz­en, während Uganda und Kenia hinter Präsident Salva Kiir stehen, um einen verlässlic­hen Wirtschaft­spartner zu haben. Es gibt auch Gerüchte, dass die USA seit neuestem die Opposition unterstütz­en sollen.

Dies alles mache die Situation so schwierig, sagt Fettback, der aber vor allem auf eines hinweist: „Wir haben damals vor Ort schon nicht verstanden, weshalb sich die internatio­nale Staatengem­einschaft so für die Unabhängig­keit eingesetzt hat. Der Südsudan war noch nicht bereit dafür.“Die Konsequenz: Ehemalige Rebellen wurden in dieser „Fehlkonstr­uktion“in politische Ämter gehievt, für die sie nicht geeignet waren.

Nun, so Fettback, gibt es im Land zwei Machthaber, die keinen Frieden schaffen können – und Alternativ­en sind nicht in Sicht. Stattdesse­n suchten rund 36.000 Zivilisten in UN-Einrichtun­gen und anderen Gebäuden in Juba Schutz, während die Gefechte laut Augenzeuge­n fortgesetz­t wurden.

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Rauch über Juba: Bei den Gefechten in der südsudanes­ischen Hauptstadt gab es hunderte Tote. Trotz einer ausgerufen­en Waffenruhe berichtete­n Augenzeuge­n von Kämpfen und Explosione­n.
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Foto: privat Matthias Fettback ist seit 1984 in Afrika tätig.

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